"Nur die Bayern investieren mehr"

Fredi Bobic wurde im Sommer 2010 Sportdirektor beim VfB Stuttgart
© getty

Die Profis ein Muster an Inkonstanz, der Nachwuchs aber einzigartig gut: Der VfB Stuttgart ist ein Mysterium. Sportdirektor Fredi Bobic im Interview über seine Supertalente, teure Jugendarbeit und die Konkurrenz mit RB Leipzig.

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SPOX: Trotz teils ansprechender Leistung hat Stuttgart in Leverkusen das dritte Spiel nach der Winterpause mit 1:2 verloren. Wie gut oder wie schlecht ist der VfB?

Fredi Bobic: Die Tabelle lügt nicht. Die Hinrunde verlief sehr durchschnittlich, als wir ebenfalls mit drei Niederlagen anfingen. Danach folgte eine ordentliche Phase, bevor wir dann zu viele Unentschieden spielten, obwohl wir häufig besser waren. Und jetzt das. Wir sind zum Teil einfach nicht stabil genug und bringen uns selbst um den Lohn.

SPOX: Ist 2013/14 jetzt schon eine verschenkte Saison?

Bobic: In dieser Phase hilft kein Schönreden, allerdings darf gleichzeitig nicht alles schlecht gemacht werden. Wir haben in der Mannschaftsstruktur die Weichen neu ausgerichtet und uns deutlich verjüngt. Es sind einige junge Spieler dabei, die uns für die Zukunft Hoffnung machen.

SPOX: Was erstaunt: Der VfB zeigt sich in der Bundesliga seit Jahren wankelmütig und pendelt zwischen oberen Tabellendrittel und nichtssagendem Mittelmaß, in der Jugend hingegen bleibt Stuttgart die Referenz. Die A-Jugend führt die Bundesliga Süd/Südwest an, die B-Jugend ist Zweiter. Woher kommt die Beständigkeit?

Bobic: Die U 23 darf nicht vergessen werden, die sich als einzige Bundesliga-Zweitvertretung über einen langen Zeitraum fest in der 3. Liga etabliert hat. Mir war es extrem wichtig, in der Phase, als wir wirtschaftlich runterfahren mussten und in der Lizenzspieler-Abteilung zu vielen schmerzhaften Einschnitten gezwungen waren, das Level im Nachwuchsbereich zu halten. Nur die Bayern investieren in diesem Bereich mehr. Und Anfang Herbst wird der Bau des neuen Nachwuchsleitungszentrums hoffentlich abgeschlossen sein. Das sind ganz elementare Dinge, die für unsere Zukunft wichtig sind. Das bedeutet Nachhaltigkeit. Und das muss der Weg des VfB Stuttgart sein. Wenn wir in der Geschichte zurückblicken, zogen wir unsere größte Stärke immer aus dem Nachwuchs. Sie ist unser Fundament.

SPOX: Neben Fußball-Talenten werden in Stuttgart augenscheinlich auch die Jugend-Trainer gefördert. Mainz-Chefcoach Thomas Tuchel fing beim VfB an, genauso Thomas Schneider, den Sie von der U 17 zu den Profis abzogen. Hannovers neuer Trainer Tayfun Korkut arbeitete ebenfalls im VfB-Nachwuchs.

Bobic: Ein Teil unserer Ausgaben fließt in die Qualifikation der Jugend-Trainer. Grundsätzlich sollen sie sich mit unserer Spielphilosophie identifizieren. Sie sollen den Fußball lieben, den wir uns vorstellen: offensiv, dominant, mutig. Gleichzeitig lassen wir den Trainern genug Freiraum, damit sie sich innerhalb dieses Korridors frei entfalten können. Und damit sie dafür das nötige Rüstzeug haben, bilden wir sie aus und unterstützen sie so gut es geht. Dementsprechend freut es uns, wenn jemand wie Tayfun eine Chance in der Bundesliga erhält.

SPOX: Gibt es für Trainer eine ähnliche Talentsichtung wie bei Jugendspielern?

Bobic: Natürlich. Wir haben es selbst erfahren, dass sich im Nachwuchsbereich genauso schnell etwas ändern kann wie im Senioren-Bereich. Die Fluktuation ist nicht gering. Einerseits, weil unsere Leute das Interesse von anderen Klubs wecken. Andererseits, weil wir jemanden wie Thomas Schneider selbst nach oben führen. Daher beobachten wir sehr genau den Markt nach Trainern, die die gleiche Art des Fußballs spielen lassen. Wir haben eine lange Liste an Kandidaten im Jugendbereich, die nicht einmal ansatzweise ahnen, dass wir sie im Blick haben. Es ist wichtig, auf den Fall X vorbereitet zu sein.

SPOX: Nachdem Sie Schneider vom erfolgreichen B-Jugend- zum Profi-Trainer umfunktionierten, bestimmten Sie dessen vorherigen Assistenten Domenico Tedesco zum Nachfolger. Eine überraschende Entscheidung für eine solch wichtige Position: Tedesco ist nicht einmal 30 Jahre alt und gänzlich unbekannt.

Bobic: Sollte das ein Argument sein, ihn nicht zu nehmen? Die U 17 ist eine gut funktionierende Einheit, weswegen wir keinen Externen holen wollten. Domenico hat sich die Chance verdient: Er ist im Klub absolut anerkannt und lebt die VfB-Philosophie. Es ist eine Freude zu sehen, wie jemand, der selbst nie professionell Fußball gespielt hat, auf dem Niveau Begeisterung entfachen und fachlich komplett begeistern kann.

SPOX: War es leicht, Tedesco zu überzeugen? Der studierte Wirtschaftsingenieur und Innovationsmanager gab eigens seine Festanstellung in einem Ingenieurbüro auf.

Bobic: Domenico ist einer der Fälle, wenn ein Fußballer, der zwar auf hohem Amateurlevel mithält, aber nicht das Können für die Profis mitbringt, sich früh neu orientiert. Das gibt ihm ein großes Maß an Unabhängigkeit und es ist sicher nicht schlecht, dass er weiß, über andere Alternativen zu verfügen als nur den Fußball. Dass er trotzdem das Risiko eingeht und sich voll auf uns einlässt, macht ihn mir sehr sympathisch. (lacht)

SPOX: Schneider sagt in der "Schwäbischen Zeitung", dass die aktuelle U 17 von Tedesco "vielleicht noch besser" ist als die Generation von Mario Gomez, Sami Khedira und Serdar Tasci. Stimmt das?

Bobic: Sie besitzt definitiv große Qualität. Manchmal hat die B-Jugend Ausreißer nach unten, dennoch sind sehr viele interessante Spieler mit hohem Entwicklungspotenzial dabei. Es wird spannend zu beobachten sein. Wir können uns auf einiges gefasst machen.

SPOX: Einer der Talentiertesten soll der 16-jährige Arianit Ferati sein. Ist er wirklich so gut, wie viele sagen?

Bobic: Im Winter-Trainingslager in Südafrika hat es Ari richtig stark gemacht. Er kann alle drei Positionen hinter der Spitze besetzen und sorgt mit seinen 16 Jahren schon in der A-Jugend für Furore. Bei den Profis hält er erstaunlich gut mit. Vorerst bleibt er bei der U 19 und trainiert gelegentlich oben mit, dann schauen wir im Sommer, wie wir weitervorgehen.

Seite 1: Bobic über den bisherigen Saisonverlauf und seine Supertalente

Seite 2: Bobic über Timo Werner, Antonio Rüdiger und die Konkurrenz mit RB Leipzig

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