SPOX: Nach übereinstimmenden Medienberichten bemüht sich der FC Bayern, Ex-Barca-Coach Pep Guardiola ab 2013 als neuen Cheftrainer zu verpflichten. Viele Fans zweifeln am Wahrheitsgehalt. Ist es so abwegig, dass etwas dran ist?
Gerhard Poschner: So eine unrealistische Konstellation ist es nicht: Warum sollte nicht einer der weltbesten Trainer zu einem der weltbesten Klubs wechseln? Vor fast 20 Jahren hat mit Giovanni Trapattoni auch einer der damals besten und erfolgreichsten Trainer überhaupt in München unterschrieben.
Guardiola: Der pessimistische Weltfresser passt zu Bayern
SPOX: Die Bundesliga gilt dennoch nicht als das bevorzugte Ziel internationaler Top-Trainer.
Poschner: Ich weiß, dass Guardiola ein Fußball-Besessener, ein Fußball-Fanatiker ist. Daher interessiert ihn nicht das spezifische Land, in dem er arbeitet. Vielmehr geht es ihm darum, an einem Projekt mit gesunden Strukturen und einer klaren Philosophie zu arbeiten. Ihm ist nichts wichtiger als die grundsätzliche Idee.
SPOX: Würde es Sinn machen, Barca-Strukturen in München einzuführen?
Poschner: Als Leitbild fände ich es gut. Was man im Camp Nou bestaunen kann, ist nur das Endprodukt einer mühseligen Arbeit von zehn, 20 Jahren. In Barcelona stimmt eben die Basis: Wie werden junge Spieler ausgebildet? Wie wird ihnen die grundsätzliche Idee vermittelt? Nur: Barcelona zu kopieren reicht nicht aus. Eine Kopie ist nie so gut wie das Original. Man müsste etwas Eigenes schaffen.
SPOX: Zum Beispiel?
Poschner: Wenn ich einfach nur die Gedanken spielen lasse: Vielleicht könnte man dem Barca-Spiel eine physische Komponente beifügen. Die deutsche Nationalmannschaft macht vor, wie die Mischung aus Barca und Real Madrid aussehen kann. Das Verspielte und das Kurzpassspiel wurde vermischt mit Geradlinigkeit und dem direkten Spiel in die Spitze. Das Beste herauspicken und weiterentwickeln - das könnte Guardiola reizen.
SPOX: Die Zeit zur Weiterentwicklung ist in München kaum gegeben - auch wegen den dominanten Führungspersönlichkeiten Rummenigge, Hoeneß und Beckenbauer.
Poschner: Guardiola zieht sein Ding durch. Wenn ihm reingeredet wird, packt er sein Köfferchen und sagt Tschüss. Dann ist er weg. Daher müssten die Bayern akzeptieren, dass nicht nur bei der Aufstellung am Samstag, sondern auch bei der Jugendausbildung und generell im sportlichen Bereich lediglich eine Meinung zählt. Die von Guardiola. Alles andere würde keinen Sinn machen, wenn man ihn holt.
SPOX: Mit Louis van Gaal hat sich der letzte ausländische Trainer mit der Klubspitze hoffnungslos verkracht. Ein abschreckendes Beispiel?
Poschner: Ich kenne van Gaal nicht persönlich, daher kann ich es nicht beurteilen. Aber mit Guardiola sehe ich keine Schwierigkeiten, wenn die Kompetenzen klar geregelt sind. Starke Persönlichkeiten haben keine Angst vor anderen starken Persönlichkeiten, das gilt für Guardiola besonders. Er ist ein hochintelligenter, feiner Mensch, der das nötige Fingerspitzengefühl und die Diplomatie mitbringt.
SPOX: Mit dem jetzigen Barca-Präsidenten Sandro Rosell soll er sich nicht gut verstehen.
Poschner: Grundsätzlich gesagt: Wenn Guardiola mit jemandem Probleme bekommt, würde ich die Schuld weniger bei ihm als beim Gegenüber suchen. (lacht)
SPOX: Zu Ihrer aktiven Zeit bei Vallecano spielten Sie mehrmals gegen Guardiola. Wie lernten Sie ihn kennen?
Poschner: Er war damals schon eine großartige Persönlichkeit mit einer unglaublichen Vision vom Spiel. Einfach herausragend. Was ihn besonders auszeichnet: Er war und ist ein hochanständiger, fairer Sportsmann. Immer bescheiden und gerecht. Solche Menschen sind auf dem Top-Niveau sehr selten. Das imponiert mir.
SPOX: In seiner ersten Saison als Barca-Cheftrainer machte er sich allerdings gleich unbeliebt: Er sortierte unter anderem Ronaldinho und Deco aus.
Poschner: Guardiola verurteilt nicht automatisch Spieler, nur weil er ein Zeichen setzen will. Seine große Stärke: Er versucht, alle Spieler ins Boot zu holen und von seiner Philosophie zu überzeugen. Erst wenn er merkt, dass gewisse Spieler nicht bereit oder in der Lage sind, das Beste für das Gesamtkonstrukt einzubringen, ist er konsequent.
SPOX: Zur vergangenen Saison wechselte mit Luis Enrique der Erfolgscoach von Barcas zweiter Mannschaft zum italienischen Spitzenklub AS Rom - und erlebte ein Fiasko. Nach einem Jahr wurde er gegangen. Sollte das zu denken geben?
Poschner: Nein, weil es eine komplett andere Konstellation war. Es ist so schon schwer, eine große Mannschaft zu trainieren. Es ist aber ungleich schwerer, als Profi-Newcomer in ein neues Land zu gehen und dort eine große Mannschaft wie Rom zu trainieren. Für Enrique wäre es besser gewesen, wenn er vorher in Spanien einen Erstligisten übernommen und dann den Sprung gewagt hätte. So war der Sprung zu groß.
SPOX: Guardiola ist anders als Enrique erfahren - doch das Erlernen von Deutsch ist für einen Spanier wesentlich schwerer als Italienisch.
Poschner: Ich bin anderer Meinung als viele in der Bundesliga: Mit etwas Geduld lässt sich die Sprachproblematik lösen. Entscheidend sollte die Qualität des Trainers sein - und die ist bei Guardiola zweifelslos vorhanden.
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