Joan Laporta trug feinsten schottischen Zwirn mit landestypischem Tartan-Karomuster, als er im Juli 2008 auf der Tribüne des Murrayfield Stadiums in Edinburgh erklärte, warum Pep Guardiola der perfekte Trainer sei für den FC Barcelona.
"Meine Frau hat mir gesagt, ich sollte öfter diese Kleidung tragen. Aber ich bin nicht hier, um über Mode zu reden, sondern über unseren neuen Trainer. Und ich kann Ihnen sagen, dass wir keinen besseren hätten nehmen können, um eine neue, erfolgreiche Ära beim FC Barcelona einzuläuten", sagte der damalige Präsident des FC Barcelona vor vielen schottischen Medienvertretern, die nach Murrayfield gekommen waren, um das erste Barca-Spiel überhaupt unter Guardiolas Regie gegen den schottischen Premier-League-Klub Hibernian FC mitzuerleben.
Das Ergebnis (6:0 für Barca) interessierte nicht wirklich; vielmehr der neue Mann auf der Barca-Bank. "Optisch in seinem Designer-Anzug war Guardiola schon mal der Hit. Und wenn er dazu noch lächelt, müssen wir Angst haben, dass unsere Frauen in Ohnmacht fallen. Es wäre aber trotzdem schön, wenn wir später mal unseren Enkeln erzählen könnten, dass wir die ersten waren, die den neuen Super-Coach erleben durften", schrieb die Zeitung "The Scotsman".
Barca auf das höchste Level
Guardiola sollte in den kommenden vier Jahren nachdrücklich beweisen, dass er neben einem eleganten Äußeren wohl auch recht viel versteht vom Trainer-Job. 14 Titel gewann Guardiola mit Barca in vier Jahren, in seiner ersten Saison gleich alle sechs möglichen.
"Pep hat eine Mannschaft, die eh schon alles konnte, auf das höchstmögliche Level gebracht. Barca hat Europa dominiert - und das will etwas heißen in einer Zeit, in der Vereine für Spieler mehr Geld bezahlen als früher für eine ganze Mannschaft", sagte Barca-Legende Johan Cruyff.
Doch bereits im Herbst 2011 fasst Guardiola den Entschluss, Barcelona zu verlassen. "Es waren vier Jahre mit großer Belastung, die an die Substanz gegangen sind. Ich fühle mich ausgebrannt. Es ist für mich an der Zeit, zu gehen. Ich bin mit der Idee angetreten, die Welt zu fressen, jetzt hätte ich weitermachen können, aber ich kann es nicht mehr so, wie es ein Barca-Trainer machen muss. Ich muss meinen Akku auffüllen", sagte Guardiola zum Abschied.
Der 41-Jährige will erstmal abschalten. Mit seiner Familie hält er sich derzeit in New York auf. Ein Sabbat-Jahr soll helfen, wieder Lust auf Fußball zu bekommen. Dass er es überhaupt so lange aushält, glaubt sein Mentor nicht. "Ich würde meinen Arsch verwetten, dass Pep es nicht länger als sechs Monate ohne Fußball aushält. Und mein Arsch ist mir heilig", sagte Juanma Lillo, Ex-Trainer vieler Primera-Division-Klubs und Guardiolas Trainervorbild.
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Angst, bei Barca vor die Hunde zu gehen
Viele Vereine haben es bereits unmittelbar nach Guardiolas Bekanntgabe, Barcelona zu verlassen, versucht, ihn an Land zu ziehen: Chelsea, Liverpool, Manchester City. Doch Guardiola will seinen Entschluss durchziehen, erstmal Abstand zu gewinnen.
Das Leben als Barca-Trainer habe ihn mit viel Glück erfüllt, gleichzeitig aber enorm beansprucht. Er hat seinen Vertrag bei seinem Stammverein immer nur um ein Jahr verlängert.
Guardiola ist ein vorsichtiger Mensch, der auch der Welt seines so geliebten Fußballs argwöhnisch begegnet. In einem Gastbeitrag für das "Time Magazine" im Jahr 2000 schrieb er: "Ich bin ein Pessimist. Ich teile die Ansicht eines meiner besten Freunde, der einmal gesagt hat: 'Ich kam auf die Welt, um sie zu verändern. Jetzt hoffe ich inständig, dass sie mich nicht verändert.'"
Das ist in seiner Zeit bei Barca allerdings zumindest nuancenhaft geschehen. "Pep hat Angst, bei Barca vor die Hunde zu gehen. Er liebt diesen Klub, doch er kann einfach nicht mehr", schrieb die Zeitung "Sport".
Treffen mit Bruder
Dem FC Bayern München kommt es offenbar gut gelegen, dass Guardiola ein Jahr Pause machen will. Nach übereinstimmenden Medienberichten können sich die Bayern-Bosse Guardiola ab 2013 sehr gut als Bayern-Trainer vorstellen. Es sollen erste Sondierungsgespräche geführt worden sein.
Sportdirektor Christian Nerlinger soll bereits am 25. Mai anlässlich des spanischen Pokalfinals zwischen Barcelona und Athletic Bilbao bei Guardiolas Bruder und Berater Pere vorgefühlt haben, ob sich Guardiola ein Engagement in München vorstellen könne. Und Guardiola ist offenbar nicht abgeneigt.
Dass er bei den Bayern hoch im Kurs steht, gab Präsident Uli Hoeneß bereits im Mai in einem "Focus"-Interview bekannt: "Ich würde sagen, dass Pep Guardiola sicher einer für uns wäre", sagte Hoeneß, schränkte aber ein: "Wenn die Sprachbarriere nicht wäre."
Guardiola spricht neben seiner Muttersprache spanisch auch fließend englisch und seit seiner Zeit bei Brescia und dem AS Rom italienisch. Zudem äußerte er auf einer Sponsoren-Veranstaltung im Herbst 2011 sein Interesse, die deutsche Sprache zu erlernen. Dafür hätte er ein Jahr Zeit.
Sein Trainer beim AS Rom, Fabio Capello, sagte einmal über ihn: "Pep gehört zu den wenigen intellektuellen Spielern, mit denen ich gearbeitet habe. Er weiß eine Menge über Fußball, aber auch über viele andere Dinge, z.B. über Literatur. Er liebt Kunst und Sprachen. Ich würde mir mehr Spieler wünschen, die das Gegenteil von engstirnig sind."
Familiäres Umfeld gegeben
Nach seinen Schulabschluss studierte Guardiola ein Jahr Jura, bevor er sich ganz dem professionellen Fußball widmete. "Es heißt immer: Fußballer haben ihr Hirn in den Füßen. Das kann man nicht pauschalisieren. Ich habe immer versucht, mich auch für andere Dinge zu interessieren", sagte Guardiola.
Sein Wissensdurst und seine Weitsicht könnte hilfreich sein bei künftigen Engagements als Trainer - ob in München oder woanders. Anfang Juni soll sich Guardiola im kroatischen Dubrovnik mit einem Vorstandsmitglied von Schachtjor Donzek getroffen haben.
Für den FC Bayern gäbe es jedenfalls lauter gute Gründe, Guardiola zu verpflichten. Der Vertrag von Jupp Heynckes Vertrag läuft 2013 aus. Ein längerfristiges Engagement ist derzeit nicht in Sicht. "Höchstwahrscheinlich holen wir für 2013 einen neuen Trainer", sagte Hoeneß der "Welt".
Als mögliche Heynckes-Nachfolger fielen die Namen Lucien Favre, Mirko Slomka und Thomas Tuchel. Dem Anschein nach sind die Bayern-Bosse von keinem nachhaltig überzeugt, wenngleich Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge Favre öffentlich lobte. Dortmunds Meistercoach Jürgen Klopp, den Hoeneß bereits vor der Verpflichtung von Jürgen Klinsmann kontaktiert hatte, ist 2013 nicht zu bekommen.
Im Gegensatz zu Guardiola. Die Bayern basteln offenbar an der ganz großen Lösung. Und Guardiola ist größte verfügbare Lösung. Ein Trainer, der viel Wert auf die Förderung des eigenen Nachwuchses legt. Ein Trainer, für den eine starke Identifikation mit dem Klub unabdingbar ist. Ein Trainer, der ein integres, familiäres Umfeld benötigt. Das alles hatte er in Barcelona und das alles könnte er beim FC Bayern haben.
Poschner: FCB könnte Pep reizen
Rummenigge pflegt sein geraumer Zeit ein sehr freundschaftliches Verhältnis zu Joan Laporta. Er hat oft betont, dass Barca nicht nur aufgrund seiner Spielphilosophie ein Vorbild für den FC Bayern ist. "Barca ist eine große Familie. Genau wie der FC Bayern", sagte Rummenigge.
Bei Barcelona verfolgte Guardiola vom ersten Arbeitstag eine grundsätzliche Idee: schöner Fußball muss auch Titel bringen. Seine Philosophie beruht darauf, das Ästhetische mit Erfolg zu verknüpfen. Damit hatte der FC Bayern in den letzten beiden Jahren so seine Probleme. Genau das könnte Guardiola aber anziehen.
"Die deutsche Nationalmannschaft macht vor, wie die Mischung aus Barca und Real Madrid aussehen kann. Das Verspielte und das Kurzpassspiel wurde vermischt mit Geradlinigkeit und dem direkten Spiel in die Spitze. Das Beste herauspicken und weiterentwickeln - das könnte Guardiola reizen", sagte Spanien-Experte Gerhard Poschner im Gespräch mit SPOX.
2008 fing in Schottland alles ganz harmlos an. Vielleicht setzt Pep Guardiola demnächst seine Trainerkarriere beim FC Bayern fort. Eine Karriere, die schon jetzt einzigartig ist.
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