SPOX: Herr Brinkmann, Sie sind in Ihrer Profikarriere bei 15 Vereinen gewesen. Das sind nicht wenige.
Ansgar Brinkmann: Die Uwe-Seeler-Zeiten sind schon lange vorbei. Man darf nicht vergessen, dass ich in Osnabrück oder Münster mehrmals war. Auch Frankfurt wollte mich zurückholen. Es kommt mir jetzt zugute, dass ich unterschiedliche Vereine kennengelernt habe. Das sind alles Erfahrungswerte.
SPOX: Berti Vogts sagte einst, dass Sie 50 Länderspiele haben müssten. Aus welchen Gründen hat das nicht hingehauen?
Brinkmann: Ich habe die ersten zehn Jahre nur von meinem Talent gelebt. Erst in Frankfurt habe ich alles für eine größere Karriere riskiert. Das war wohl etwas zu spät und das kreide ich mir auch selbst an. Ich hadere aber nicht deswegen. Es gab auch genügend schöne Momente.
SPOX: In der Tat: Sie sind bis heute beliebt, es gibt sogar T-Shirts mit Ihrem Konterfei, auf denen "Der weiße Brasilianer" steht. Was sind die Gründe Ihrer Popularität?
Brinkmann: Ich habe für meine Vereine immer ehrliche Arbeit abgeliefert. Sicherlich hat auch meine Spielweise dazu beigetragen. Ich habe mit sehr viel Risiko und Mut, aber auch mit Respekt gespielt. Ich war stets kritisch und nicht immer einfach. So war ich aber nun einmal. Das haben mir die Leute abgenommen.
SPOX: Woher stammt eigentlich der Begriff "weißer Brasilianer"?
Brinkmann: Von Rolf Schafstall. Er hat 1989 gesagt: "Der Ansgar spielt nicht typisch deutsch, sondern eigentlich wie ein Brasilianer." Das haben die Medien dann aufgeschnappt.
SPOX: Bernd Schneider wurde auch als "weißer Brasilianer" bezeichnet. Wer ist denn nun der echte?
Brinkmann: Ich bin mit Bernd befreundet. Er hat auf einer Pressekonferenz einmal gesagt, dass der weiße Brasilianer sein Freund Ansgar Brinkmann sei. Aber: Wenn man Bernds und meine Karriere vergleicht, sind wir so weit voneinander entfernt wie die Erde vom Mars. Er war im WM-Endspiel 2002 der beste Mann auf dem Platz.
SPOX: Sie haben während Ihrer Karriere auch für legendäre Geschichten gesorgt. Die Ansage Ihres Anrufbeantworter lautete einmal: "Bin bis fünf Uhr früh in meiner Stammkneipe zu erreichen".
Brinkmann: Das hat mich wirklich verfolgt. Das ist in meiner ersten Station in Münster gewesen. Wir haben gegen Gütersloh gespielt. Ich habe zwei Tore geschossen, doch die haben in der 87. Minute auf 1:2 verkürzt. Beim Anstoß bin ich zu meinen Mitspielern und habe gesagt, dass sie hier auf mich warten können. Ich bin dann tatsächlich vom Anstoß weg an sieben Mann und dem Torwart vorbei und habe das 3:1 erzielt. Den Ball hatte keiner mehr berührt. Am nächsten Tag wollte mich die "Bild"-Zeitung anrufen und hat dabei den Spruch gehört. Statt einer Lobeshymne haben sie dann den Spruch gedruckt (lacht).
SPOX: Welche Rolle spielte denn der Alkohol bei Ihnen?
Brinkmann: Ich habe kaum getrunken. Ich habe bis heute noch nie eine Zigarette geraucht. Ich habe nur zwei oder dreimal im Jahr gefeiert - dann aber richtig. Das hat dann auch jeder mitbekommen (lacht). Wenn ich drei Biere getrunken habe, war ich schon völlig durch, da ich Alkohol ja gar nicht gewohnt war. Mir schmeckt das in der Regel auch gar nicht.
SPOX: Sie sollen aber einmal in Osnabrück zu Fuß vor einer Alkoholkontrolle geflüchtet sein. Was ist damals genau passiert?
Brinkmann: Sehen Sie, diese Geschichte ist gleich öffentlich geworden, sag' ich ja (lacht). Wir waren mit zehn Spielern beim Feiern. Morgens um halb vier bin ich - was man nicht tun sollte - mit dem Auto nach Hause gefahren. Ich wurde mitten auf einer Kreuzung von der Polizei angehalten und gefragt, ob ich etwas getrunken habe. Das habe ich natürlich verneint. Ich musste dann in den Polizeiwagen einsteigen. Während die Polizei mein Auto von der Kreuzung gefahren hat, habe ich versucht, aus dem Polizeiwagen zu gelangen.
SPOX: Hört sich ganz schön wild an.
Brinkmann: Es geht ja noch weiter: Der Wagen hatte eine Kindersicherung. Also habe ich versucht, die Scheiben herunter zu kurbeln. Das ging aber nur bis zur Hälfte. Als ich durch das Fenster nach außen an die Tür gegriffen habe, ging das Auto plötzlich auf. Im Affekt habe ich mich aus dem Staub gemacht. Ich höre noch wie einer sagt: "Der haut ab!" Die sind dann mit zwei Mann hinter mir her, haben aber früh eingesehen, dass das keinen Sinn hat. Daraufhin haben sie nach mir gesucht.
SPOX: Wie ging's letztlich aus?
Brinkmann: Der Anwalt von Osnabrück hat mir geholfen, aber ich hatte richtig Glück. Ich habe mich überall entschuldigt und im darauffolgenden Spiel ein Tor gemacht und eines vorbereitet. Die Leute haben gesagt: Ist halt der Ansgar, was will man machen? Das hört sich jetzt alles cool an, aber ich habe damals gezittert wie Espenlaub. Die Quintessenz der Geschichte: Wenn du abhauen kannst, hau ab! (lacht)
SPOX: Sie sagen von sich selbst, dass Sie "oft genug zu Recht auf die Fresse" bekommen haben. Wenn Sie heute zurückblicken, was würden Sie anders machen?
Brinkmann: (überlegt lange) Ich hätte mehr aus meinen Fehlern lernen sollen. Gerade um bei einem Topklub unterzukommen. Da hätte man sich anders verhalten und geradliniger sein müssen. Allerdings hätte ich dabei ein ganzes Stück meiner Authentizität aufgeben müssen. Das wollte ich wahrscheinlich einfach nicht. Ich hatte Probleme mit Menschen, die mir gesagt haben, was ich tun soll.
SPOX: Jetzt wollen Sie anderen sagen, was sie tun sollen: Im September 2009 haben Sie die A-Trainerlizenz erworben. Wie steht es um die Ausbildung zum Fußballlehrer?
Brinkmann: Ich bin gerade dabei, mich zu bewerben. Ich hoffe, dass ich im Mai 2011 anfangen kann. Das Ganze dauert neun Monate. Früher war es etwas leichter, aber die Kriterien sind mittlerweile knallhart. Man muss beispielsweise entweder eine A-Jugend trainiert haben oder Co-Trainer in der 1., 2. oder 3. Liga gewesen sein. Auch verdiente Ex-Profis haben es nicht mehr so leicht.
SPOX: Zu Recht?
Brinkmann: Ich kann es aus DFB-Sicht nachvollziehen. Dennoch: Wer sich für den deutschen Fußball verdient gemacht hat, der sollte auch ein paar Vorteile haben. Wenn einer 80, 90 Länderspiele auf dem Konto hat, dann sollte man nicht neidisch sein. Diese Jungs hätten sich das verdient.
SPOX: Was wird den Trainer Brinkmann vom Spieler Brinkmann unterscheiden?
Brinkmann: Eine Menge. Als Spieler war ich aufgrund meiner Qualität oft rebellisch. Ein Trainer muss das gesamte Paket im Blick haben, viele Dinge einschätzen und bewerten und sich auch im Umgang mit Menschen immer wieder neu beweisen und dazulernen. Ich traue mir das zu.
SPOX: Sie haben vor einiger Zeit auch als Scout für eine Spieleragentur gearbeitet. Wo wurden Sie da genau eingesetzt?
Brinkmann: Ich war in Brasilien, Mexiko oder den Beneluxländern. Ich bin richtig viel herumgekommen. Da habe ich viele andere Strukturen und natürlich etliche Spiele gesehen. Diese Zeit war für mich sehr lehrreich. Das harmoniert ja auch sehr mit dem, was ich nun vorhabe.
SPOX: Wie sah Ihre Arbeit genau aus?
Brinkmann: Ich habe sowohl nach fertigen Spielern als auch nach Talenten gesucht. In Brasilien war ich länger unterwegs und habe vorwiegend nach Talenten gesucht. Das ist eine Drehscheibe, Brasilien ist ein reines Ausbildungsland. Da steht weniger der sportliche Werdegang im Vordergrund, sondern die wollen einfach Kohle machen. Es war spannend, diese Mechanismen kennen zu lernen und zu sehen, wie die dort ticken.
SPOX: Welche Visionen haben Sie denn für den Trainerberuf?
Brinkmann: Ich denke, dass ich innerhalb einer vorgegebenen Vereinsphilosophie relativ gut Personalpolitik betreiben und einschätzen kann, welcher Spieler zu einem Verein passt. Da spielen viele Nuancen eine Rolle. Ein Delron Buckley passt beispielsweise nach Bielefeld, aber nicht nach Dortmund. Bielefeld ist da sowieso ein gutes Beispiel.
SPOX: Inwiefern?
Brinkmann: Die haben mit Christian Ziege einen Trainer geholt und gesagt, er habe ein tolles Konzept vorgelegt. Das ist aber schon der erste Fehler. Der Verein muss ein Konzept, eine Philosophie vorgeben und nach diesen auf den Verein zugeschnittenen Kriterien Trainer und Spieler aussuchen. In Mainz klappt das hervorragend.
SPOX: Wie meinen Sie das?
Brinkmann: Mainz hat am Anfang der Ära von Jürgen Klopp eine Strategie für den Verein festgelegt. Jörn Andersen wollte später als Aufstiegstrainer seine eigenen Ideen durchdrücken, doch da haben Christian Heidel und Harald Strutz sofort interveniert und gesagt, dass man sich der Vereinsstrategie unterordnen muss. Als Folge musste Andersen gehen. Bei dieser Thematik liegt bei vielen Vereinen noch einiges brach, weil einige Profilneurotiker am Werk sind und es keine Abstimmung zwischen Vorstand und sportlicher Leitung gibt.
Ansgar Brinkmann im Steckbrief