"Wer hat dem Dicken den Ball gegeben?"

Von Interview: Andreas Lehner
Zvjezdan Misimovic bereitete in dieser Saison 20 Treffer vor und stellte damit einen Liga-Rekord ein
© Getty

Zvjezdan Misimovic ist Teil des magischen Dreiecks in Wolfsburg um Edin Dzeko und Grafite und legte für seine Teamkollegen in der Meistersaison 20 Tore auf.

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Im Interview spricht der bald 27-Jährige über das Training nach der Meisterfeier, die kommende Saison in der Königsklasse, den Abgang von Felix Magath  und was Talente beim FC Bayern machen sollen.

SPOX: Herr Misimovic, ich will Sie zu Beginn gleich mal mit einem Zitat konfrontieren: "Geh laufen, du fette Sau!" Was fällt Ihnen dazu ein?

Zvjezdan Misimovic: Eigentlich nichts.

SPOX: Hermann Gerland hat Ihnen das mal gesagt, als Sie zu schwer waren.

Misimovic: Ich hab's mir fast gedacht. Aber konkret erinnern kann ich mich jetzt nicht daran. Dafür an ein anderes.

SPOX: Bitte.

Misimovic: Ich war damals bei den Amateuren Auswechselspieler und habe, anstatt mich warmzulaufen, mit dem Ball jongliert. Da hat er quer über den Platz geschrien: "Wer hat dem Dicken den Ball gegeben?" (lacht)

SPOX: Auch schön. Gibt es noch Kontakt zu Gerland?

Misimovic: Ja, klar. Ich habe ihm viel zu verdanken. Er war auch der Erste, der mir zur Meisterschaft gratuliert hat. Das hat mich sehr gefreut.

SPOX: Haben Sie es bei der Meisterfeier noch ordentlich krachen lassen?

Misimovic: Bei mir ging's nicht so lange wie bei den anderen, da mir mein geprellter Fuß wieder Schmerzen bereitete, als die Wirkung der Spritze nachließ.

SPOX: Also konnten Sie am Sonntag um 10 Uhr beim Training schon wieder stehen...

Misimovic: Das Training wurde abgesagt. Das war nur eine Drohung, falls wir nicht gewonnen hätten.

SPOX: Gab's schon mal ein paar ruhige Minuten, um die Saison Revue passieren zu lassen?

Misimovic: Bisher hatte ich noch keine Zeit. Das kommt aber noch. Dann werden wir alle auch begreifen, was wir geschafft haben.

SPOX: Vor gut einem Jahr sind Sie mit Nürnberg noch abgestiegen...

Misimovic: Darauf wurde ich jetzt schon öfter angesprochen. Aber so eng liegt im Fußball alles beieinander. Das ist auch wieder ein Zeichen, dass man im Fußball nie aufgeben sollte und immer weitermachen muss. Dann wird man auch belohnt.

SPOX: Auch von unseren Usern. Die haben Sie vor Mario Gomez zum MVP der Bundesliga gewählt. Was sagen Sie dazu?

Misimovic: Das ist eine schöne Sache und eine Bestätigung meiner Leistung - vor allem weil die Anerkennung von den Fans kommt.

SPOX: Gomez wechselt jetzt zu den Bayern. Auf Grundlage des Votings müssten Sie da eigentlich hin.

Misimovic: Darüber mache ich mir überhaupt keine Gedanken. Ich habe bis 2012 einen Vertrag in Wolfsburg. Und was danach passiert, werden wir sehen.

SPOX: Also wollen Sie diesen Vertrag erfüllen?

Misimovic: Das habe ich vor, aber im Fußball weiß man nie. Im Moment ist die Herausforderung, mit Wolfsburg in der Champions League zu spielen, sehr reizvoll.

SPOX: Könnte das auch helfen, Ihren Landsmann Edin Dzeko zu halten?

Misimovic: Er muss selbst wissen, was das Beste für ihn ist. Aber er hat einen gültigen Vertrag in Wolfsburg und ich bin sicher, dass die Verantwortlichen ihn in Wolfsburg halten wollen.

SPOX: In der Königsklasse wird Wolfsburg als nicht gesetzte Mannschaft zwei Kracher bekommen. Wie lauten Ihre Ziele?

Misimovic: Ohne die tatsächlichen Gruppen zu kennen, ist das schwierig. Aber ich glaube, dass wir genügend Nationalspieler haben, die ihre Qualität auch international schon unter Beweis gestellt haben. Wir können ins Achtelfinale kommen.

SPOX: Wie sehen Sie die Chancen auf die Titelverteidigung in der Bundesliga?

Misimovic: Das wird natürlich sehr schwer. Jetzt wird sich zeigen, welche Qualität wir haben. Anders als dieses Jahr, als wir das Feld von hinten aufgerollt haben, sind wir nächstes Jahr der Gejagte. Das ist eine schwierige und auch etwas ungewohnte Ausgangsposition. Gegen den Meister sind die anderen Mannschaften doppelt motiviert.

SPOX: Gehen wir an den Anfang der Saison zurück. Als Sie kamen, ließ Felix Magath Marcelinho gehen. War das für Sie der entscheidende Vertrauensbeweis?

Misimovic: Ich hatte mit Felix Magath ein sehr gutes Gespräch vor der Saison. Er war der Grund, warum ich nach Wolfsburg gewechselt bin. Dass er mir die Rolle von Marcelinho anvertraut hat, war nicht entscheidend für mich. Er hat mich von der Philosophie und den Zielen Wolfsburgs überzeugt.

SPOX: Wie beurteilen Sie nun Magaths Abgang?

Misimovic: Klar schmerzt das. Er hat hier in den ersten zwei Jahren Unglaubliches aufgebaut und ich denke, dass unser Weg noch nicht zu Ende ist. Leider können wir ihn nicht mit ihm zusammen zu Ende gehen.

SPOX: Nachfolger wird Armin Veh. Hatten Sie schon Kontakt zu ihm?

Misimovic: Nein. Ich bin am Tag nach der Meisterfeier gleich nach München gefahren und habe seine Verpflichtung auch nur aus den Medien erfahren.

SPOX: Veh gilt anders als Magath und Gerland nicht als harter Hund und Schleifer. Brauchen Sie nicht diesen Trainertyp und ab und zu mal einen Tritt in den Hintern?

Misimovic: Es stimmt schon, dass ich unter diesen Trainern am erfolgreichsten war. Aber ich kann inzwischen selbst einschätzen, was ich tun muss. Ich weiß, was ich will und brauche keinen mehr, der mich antreibt. Aber lernen kann man von jedem Trainer.

SPOX: Bei Bayern machte dies Gerland. Wie Trochowski oder Guerrero schafften Sie den Durchbruch bei den Profis in München aber trotzdem nicht. Warum?

Misimovic: Der Erfolgsdruck bei Bayern ist enorm hoch und man hat nicht die Zeit, die ein junger Spieler braucht, um sich zu entwickeln. Außerdem war zu meiner Zeit auch noch der Schweini da. Selbst Philipp Lahm hat den Umweg über Stuttgart gebraucht.

SPOX: Also sollte man sich erstmal ausleihen lassen?

Misimovic: Es kann auf jeden Fall nicht schaden. Da spielt man vielleicht nicht immer um Titel mit, sondern auch mal gegen den Abstieg, aber diese Zeit ist extrem hilfreich, weil man extrem gefordert wird.

SPOX: Was braucht man, um in jungen Jahren den Durchbruch bei Bayern zu schaffen?

Misimovic: Talent.

SPOX: Mehr als Sie? Geht doch gar nicht.

Misimovic: Stimmt.(lacht) Nein, man braucht Vertrauen vom Verein und vom Trainer. In so jungen Jahren kann man nicht über ein ganzes Jahr konstant gut spielen. In einem unruhigen Umfeld wie München ist das schwer.

SPOX: Würden Sie den jetzigen Bayern-Talenten zu einem Wechsel raten?

Misimovic: Pauschal kann man das nicht sagen. Es wäre optimal, wenn man sich bei Bayern durchsetzen könnte. Und es sollte auch das Ziel von Bayern und allen Spitzenvereinen sein, die Profimannschaft mit Spielern aus dem eigenen Nachwuchs zu füttern. Der FC Barcelona ist das beste Beispiel.

Zvjezdan Misimovic im Steckbrief