Martin Rafelt im Interview: "Es wird über Taktik geredet, aber nicht zu Ende gesprochen"

Martin Rafelt war drei Jahre lang als Co-Trainer bei Hajduk Split beschäftigt.
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Wie sahen Ihre Aufgabengebiete bei Hajduk schließlich genau aus?

Rafelt: Primärer Job war der Posten als Marios Co-Trainer bei der U19, nach einer Saison dann bei der zweiten Mannschaft. Ich habe gemeinsam mit dem Cheftrainer eigentlich alles gemacht: Trainingsplanung und -leitung, Gegner- und Videoanalyse, Spielvorbereitung, Scouting und so weiter. Wir haben beispielsweise jede Woche mit allen Spielern, die gespielt haben, individuelle Videoanalysen gemacht. In der Akademie war ich parallel dazu zunächst als "Head of Analysis" eingebunden, was so aussah, dass die Trainer auf mich zukommen konnten, wenn sie Unterstützung und meine Ideen wollten. Weiterhin habe ich mich immer mehr auch mit grundsätzlichen und theoretischen Themen beschäftigt, die langfristiger angelegt waren. Wir hatten in der Praxis zunehmend das Gefühl, dass wir unser Fundament noch verbessern wollen.

Inwiefern?

Rafelt: Wir hatten zwar einen funktionierenden Arbeitsprozess, in vielen Teilbereichen aber auch viele alternative Ideen. Zuweilen war es schwierig zu entscheiden, welcher Ansatz am vielversprechendsten ist - methodisch wie auch taktisch. Deshalb waren wir nie hundertprozentig zufrieden mit uns selbst. Mario ist als Trainer auch sehr ambitioniert und reflektiert und will sich ständig weiterentwickeln. Viel Arbeit bestand daraus, uns zu hinterfragen und zu überprüfen, ob wir Dinge optimal angehen, was wir noch verändern und verbessern können. Ich denke, da haben wir in den drei Jahren große Fortschritte gemacht und unser ganzes Fußballverständnis noch einmal besser strukturiert. In der letzten Saison war ich dann neben dem Job auf dem Platz noch "Head of Tactical Planning", womit wir versuchen wollten, die Akademie sportlich-inhaltlich weiterzuentwickeln. Beispielsweise haben wir an einem Projekt gearbeitet, um die individuelle Förderung der Spieler zu verbessern und klar zu organisieren.

Rund drei Jahre lang arbeitete Martin Rafelt bei Hajduk Split.
Rund drei Jahre lang arbeitete Martin Rafelt bei Hajduk Split.

Wie schnitt die U19 denn in der ersten Saison ab?

Rafelt: Wir haben mit einem recht jungen und ausgedünnten Jahrgang nach einer guten Saison am letzten Spieltag die Meisterschaft verspielt. Zwischenzeitlich lagen wir zehn Punkte vorne. Im entscheidenden und letzten Auswärtsspiel lief es dann auch noch sehr kurios, um es mal so zu umschreiben.

Was war los?

Rafelt: Nach einer Ecke in der 89. Minute spielte derselbe Verteidiger im Strafraum erst Hand und trat direkt danach unseren Stürmer beim Abschluss um. Er ging dann auch tatsächlich zum Schiedsrichter und gab beide Vergehen zu, aber der ließ weiterspielen. Hätten wir den fälligen Elfmeter verwandelt, wären wir Meister gewesen.

Bitter. Und wie war es bei der zweiten Mannschaft?

Rafelt: Hajduk B spielt in der 2. Liga. Da die 1. Liga nur aus zehn Klubs besteht, mussten wir uns also mit vielen Jugendspielern unter den 20 besten Mannschaften des Landes bewegen. Als wir im Winter übernahmen, wurde die halbe Startelf gerade abgegeben. Wir mussten dann die Mannschaft mit vielen Jungs aus der U19 neu aufbauen. Nach einer Unentschieden-Serie zu Beginn hat sich das Team sehr gut an den Seniorenbereich angepasst. Wir waren über die letzten zehn Spiele dann die zweitbeste Mannschaft der Liga und haben die Hinrundenplatzierung gehalten.

Wie lief es in der zweiten Saison?

Rafelt: Wir lagen lange auf Platz zwei. Dann wurden viele der Leistungsträger in die erste Mannschaft geholt, manche verliehen oder auch verkauft. Innerhalb eines halben Jahres haben wir 18 Spieler nach oben abgegeben, was natürlich nicht ohne Weiteres auszugleichen war. Als die Saison wegen Corona abgebrochen wurde, waren wir Sechster. In der laufenden Saison ging's mit vielen neuen Nachwuchsspielern in den Abstiegskampf, wo wir trotz mehreren Quarantäne-Pausen zunehmend stabiler geworden sind. Die Herausforderung war die ganze Zeit vor allem, viele Spieler gleichzeitig an den Seniorenfußball heranzuführen. Die Anzahl der Spieler, die wir nach oben abgegeben haben, war entsprechend der wichtigere Erfolg als die Liga-Ergebnisse.

Während Ihrer Zeit herrschte im gesamten Klub eine hohe personelle Fluktuation. Auch Despotovic und Sie mussten Hajduk kurz vor Weihnachten verlassen. Wie blicken Sie nun in die Zukunft?

Rafelt: Mal schauen. Es stehen ein paar interessante Dinge im Raum, aber noch nichts, worüber man öffentlich sprechen könnte. Derzeit schreibe ich wieder ein paar Artikel, arbeite an einem Buch weiter, tausche mich aus und bilde mich weiter. Mit Tobias Escher starten wir demnächst ein neues Podcast-Projekt, wo wir ein bisschen über Floskeln und Phrasen im Fußball sprechen. Ich hoffe aber, dass es möglichst bald wieder auf den Trainingsplatz geht.

Sie waren nun Co-Trainer, Chefcoach, hatten leitende Funktionen inne - welche Rolle ist Ihnen künftig am liebsten?

Rafelt: Ich sehe mich auf jeden Fall auf dem Platz und in der direkten Zusammenarbeit mit den Spielern. Theorie und Analyse bringen am Ende des Tages nichts, wenn sie bei den Jungs nicht ankommen. Ich arbeite gerne auch innerhalb des Vereins, um den Gesamtprozess zu verbessern und neue Ideen anzustoßen, aber die Praxis ist mir wichtiger und bei Hajduk ging das gut Hand in Hand. Daher sehe ich mich weiter in erster Linie als Co-Trainer. Ich würde auch gerne weiter mit Mario zusammenarbeiten, weil es für einen Co-Trainer schon wichtig ist, dass man eine gute gemeinsame Linie mit dem Cheftrainer hat, um effektiv und erfolgreich zu arbeiten. Und er ist ja quasi deutscher Muttersprachler.

Mit Maric in Gladbach, Eduard Schmidt in St. Gallen und Philipp Pelka bei Holstein Kiel sind neben Ihnen weitere Schreiber von spielverlagerung.de mittlerweile im Profibereich angekommen. Wie denken Sie darüber?

Rafelt: Das ist schon toll zu beobachten. Rene und Philipp haben ja im Januar in einer Woche zweimal die Bayern besiegt. So etwas ist schon ziemlich geil und da blickt man auch ein bisschen stolz zurück. Ansonsten denke ich, dass wir nicht so wahnsinnig darüber sinnieren, wo wir herkamen und jetzt sind. Man wächst auch nach und nach hinein und gewöhnt sich ein Stück weit daran. Wenn mir 2012 jemand gesagt hätte, dass ich einmal in einer Profiliga trainiere, die Matchpläne mache, man da Spiele gewinnt, hätte ich schon gesagt: Oha, geil! Doch das fällt ja nicht vom Himmel, sondern man hat im Alltag permanent Aufgaben und Probleme zu bewältigen und kommt Schritt für Schritt dorthin. Dabei wird es stückweise zur Normalität. Eine langweilige Antwort, ich weiß. (lacht)