Guy Acolatse: Die Geschichte von Deutschlands erstem schwarzen Profifußballer

Von Dennis Melzer
Guy Acolatse war der erste schwarze Profifußballer Deutschlands.
Cookie-Einstellungen

Als der Sohn die Mutter aufklärt und ihr sagt, dass Acolatse bei St. Pauli spielt, ruft sie: "Oh, den wollten wir uns doch immer schon mal ansehen. Aber wir hatten ein bisschen Angst." Guy schildert ebenfalls die Vorbehalte einiger Gegenspieler, die er für sich zu nutzen weiß: "Wenn ich gespielt habe, habe ich gesagt: 'Eh, wenn Du mich anfasst, beiße ich Dich. Hey, der Neger beißt.'"

Nicht ganz so amüsant verlaufen bisweilen die Zusammentreffen mit gegnerischen Fans. Für die, so wird Guy von der Welt zitiert, ist er nicht die "schwarze Perle", sondern vielmehr ein "scheiß Neger" und eine "schwarze Sau". Auch die eigenen Anhänger reduzieren ihn bei schwächeren Spielen auf seine Hautfarbe, äußern sich herablassend. "Du schießt keine Tore. Du bekommst eine Banane, Du kleiner Affe."

Einen schweren Stand hat er, als Westphal die Braun-Weißen nach einem Jahr verlässt. Unter Neu-Trainer Otto Corps kommt Acolatse weniger zum Einsatz, weil der Coach eine andere Spielphilosophie etabliert. "Wir Togolesen haben anders Fußball gespielt, wenn wir einen Ball haben, versuchen wir, den auch erstmal zu behalten und Verteidiger auszutricksen und so", sagt er. Auch Corps packt nach einer Spielzeit die Koffer, macht Platz für Kurt Krause, der wiederum keine Verwendung für den Trickser hat.

Schlussstrich bei St. Pauli nach drei Jahren

Eine Begründung für die Ausbootung gibt er Acolatse nicht mit auf den Weg, der rückblickend nüchtern sagt: "Dann ging es irgendwie nicht mehr." Nach drei Jahren bei St. Pauli stehen 43 Spiele und sechs Tore zu Buche. Seiner Wahlheimat bleibt er im Anschluss aber treu, schließt sich dem HSV Barmbek Uhlenhorst an, für den er ebenfalls drei Jahre lang aufläuft.

1970 kehrt er ans Millerntor zurück und spielt für St. Paulis zweite Mannschaft. "Irgendwie war das wie meine Familie. Die Vorstände und auch andere haben mich oft mittags mit nach Hause zum Essen genommen und mich hinterher wieder zum Training gebracht", begründet er sein abermaliges Engagement bei Pauli.

Für noch mehr Wirbel als auf dem Fußballplatz sorgt der Junge in der berüchtigten Hamburger Bar- und Clubszene. Er freundet sich mit Gunter Sachs an, seines Zeichens Opel-Erbe und Lebemann, dreht einen Film mit der dänischen Schlagerikone Gitte Haenning. Generell kommt der Exot bei der Damenwelt hervorragend an.

"Oft wurde ich in Bars oder Tanzclubs angesprochen, ob ich mal mit auf die Toilette kommen und ihnen meinen Penis zeigen könnte", lacht Acolatse. Im Villenviertel Pöseldorf entdeckt er eine Eisdiele, die fortan zu einer Art Stammcafe avanciert. Er geht mit Mitspielern hin, oder eben mit seinen häufig wechselnden Frauenbekanntschaften.

Acolatse und die Frauengeschichten

Acht Monate lang ist er mit der griechischen Sängerin Vicky Leandros liiert. Beim Gedanken an die Beziehung mit der erfolgreichen Künstlerin füllen sich seine Augen mit Tränen. Die Beziehung zerbricht, weil Vickys Vater sich ihm gegenüber "leicht rassistisch" verhalten habe. Mit der Treue hält es Acolatse selber nicht so genau. Vor seiner Liaison mit Leandros heiratet er zwar Elke, eine Hamburgerin, mit der er 1965 einen Sohn bekommt. Es bleibt - wegen seiner Affären - aber ein kurzweiliger Bund fürs Leben.

"Wenn ich mit einer Frau ausging, kam irgendwann ein Kellner mit einem Zettel. Darauf stand: 'Na, hast Du es schön?' Elke saß dann irgendwo weiter hinten und beobachtete uns. Keine Ahnung, wie sie mich immer gefunden hat." Um den Frauen abzuschwören, wie er sagt, lässt Acolatse sich auf dem Land, genauer gesagt in Bergedorf, nieder. Seine freiwillig auferlegte Sex-Abstinenz bleibt allerdings offenbar nur von kurzer Dauer.

Er lernt die Tochter eines Pariser Rechtanwaltes kennen, die in Hamburg Jura studiert. Eine Liebschaft, die sein Leben nachhaltig verändern sollte. "Sie war 21 Jahre jünger, verrückt nach Fußballspielern und zwei Jahre später schwanger. Ich sagte: 'Wenn es ein Mädchen ist, gehe ich mit Dir zurück nach Paris.'"

Kurz nach der Geburt seiner Tochter, 1980, macht Acolatse sein Versprechen wahr und geht mit seiner Frau in die französische Hauptstadt, nach Saint-Denis. Dort trainiert er die dritte Mannschaft von PSG und arbeitet hauptberuflich bei Ford.

Heute lebt Acolatse von 800 Euro im Monat

Mittlerweile ist Guy Rentner, lebt von knapp 800 Euro im Monat, wovon die Hälfte für die Miete draufgeht. Er wohnt gemeinsam mit seiner Tochter, die wie ihre vor Jahren verstorbene Mutter ebenfalls Jura studiert, nach wie vor im Pariser Vorort, unweit des Stade de France. Ehrenamtlich trainiert er Kinder aus prekären Verhältnissen, jeden Mittwoch spielt er mit ihnen auf einem kleinen Kunstrasenplatz.

In St. Denis, seinem Viertel, kennt ihn jeder. Acolatse ist gut gelitten. Auch, weil er sich für die einsetzt, die finanziell noch mehr darben müssen als er selbst. Klagen über seine knappe Pension liegt ihm daher fern: "Ich bin gesund, schlafe gut und bin mittlerweile dreifacher Großvater", sagt er der Welt.

An sein zweites Zuhause, Hamburg, denkt er noch immer gerne zurück. "Deutschland war mein erstes Land. Dort bin ich zum Mann geworden. Und Hamburg ist meine Heimat." Wenn er heute zurückkehrt in die Hafenstadt, wird er nicht mehr gefragt, ob die Farbe wohl abgehe, wenn man an seinem Unterarm kratzt.

Auch als kleiner Affe muss er sich nicht mehr titulieren lassen. Ein Schwarzer in Deutschlands Fußballkosmos: früher undenkbar, damals eine Attraktion, heute glücklicherweise Usus - auch, wenn der Rassismus seine hässliche Fratze heute bisweilen noch offener zeigt als im Hamburg der Sechzigerjahre.

Inhalt:
Artikel und Videos zum Thema