"Jogi hat sich immer kaputtgelacht"

Von Interview: Jonas Schützeneder
Seite an Seite: Werner Leuthard (r.) und Felix Magath beim FC Bayern München
© getty
Cookie-Einstellungen

SPOX: Kurz darauf sind Sie dann zum Fußball gekommen. Auch wieder etwas zufällig.

Leuthard: So läuft es im Leben... Ich habe Fredi Bobic nach seiner Schulterverletzung betreut und ihn wieder fit gemacht. Später kam dann ein gewisser Sean Dundee zum VfB, war allerdings angeschlagen. Also rief mich Felix an, ob ich ihn im Urlaub betreuen könne. Später schickte er mir dann seine Youngster zum Einzeltraining: Kuranyi, Hleb, Hildebrand und so weiter. Die haben bei den Extra-Einheiten super mitgezogen und haben sich dadurch körperlich enorm weiterentwickelt.

SPOX: Vor Magath hatten Sie allerdings noch einen anderen bekannten Chef.

Leuthard: Damals war Jogi Löw noch nicht ganz so bekannt. Wir waren zusammen in Innsbruck und Jogi war schon damals ein erstklassiger Trainer. Heute steht er natürlich ganz anders im Fokus als früher, aber ich wusste immer, dass er überragende Fähigkeiten hat. Nach der Insolvenz des Klubs war unsere Arbeit leider beendet. Ich durfte aber später nochmal ein Jahr zusammen mit ihm in Wien arbeiten.

SPOX: Ein Schwabe und ein Niederbayer arbeiten zusammen in Österreich. Das klingt wie der Beginn eines Stammtisch-Witzes.

Leuthard: Das mag sein. Witzig war es jedenfalls oft mit Jogi. Beispielsweise sind wir abends öfter zusammen durch die Stadt gefahren. Im Radio lief dann immer österreichische Musik. Für mich als Niederbayern waren Sprache und der typische Schmäh ja nichts Besonderes, für Jogi war das allerdings ziemlich neu. Er hat sich dann regelmäßig kaputtgelacht wegen der Liedtexte. Wir mussten dann öfter stehenbleiben, weil Jogi vor lauter Lachen nicht mehr weiterfahren konnte.

SPOX: Also könnten sie theoretisch jetzt auch Konditionstrainer im Nationalteam sein?

Leuthard: Das war nie ein Thema. Ich stand 2004 bei einem der renommiertesten Klubs überhaupt unter Vertrag, beim FC Bayern. Ohnehin ist mir das Tagesgeschäft viel lieber. Es liegt in meinem Naturell, ich will jeden Tag gefordert sein. Und ich habe das große Glück, mit dem erfolgreichsten deutschen Trainer der letzten zehn Jahre zusammenarbeiten zu können.

SPOX: Also sind wir jetzt bei Felix Magath. Der nennt Sie das "Nonplusultra der Konditionstrainer". Was zeichnet Magath aus?

Leuthard: Absolute Professionalität. Einer kann sich auf den anderen verlassen. Ich kann mir nicht vorstellen, woanders zu arbeiten, solange Felix als Trainer aktiv ist. Wir kennen uns auswendig. Und Felix ist in vielen Punkten ganz anders als es dargestellt wird.

SPOX: Zum Beispiel in Bezug auf die angeblich absolutistische Arbeitsform?

Leuthard: Ja zum Beispiel. Felix schätzt Menschen, die ihm eine klare Meinung übermitteln. Er will auch keine Ja-Sager um sich herum. Wir diskutieren immer sehr intensiv und offen. Was unser Team auszeichnet: Nichts davon dringt nach außen und alle vertreten die abschließende Entscheidung. Da passt kein Blatt Papier dazwischen.

SPOX: Und die angeblich überharten Einheiten?

Leuthard: Es ist doch ganz einfach: Wir sind Trainer, weil wir junge Männer zur bestmöglichen Leistung verhelfen wollen. Dazu braucht es viel Wille und sehr viel Arbeit. Das alles passiert immer im Sinne des Vereins. Überall wo wir waren, hat die Fitness gepasst und es gab im Vergleich zu den Mitkonkurrenten sehr wenig Verletzte. Und außerdem: Wir waren mit vier verschiedenen Teams in der Champions League. Zwei davon waren davor im Abstiegskampf. Das spricht für sich.

SPOX: Mal abgesehen vom Erfolgswillen. Mit welcher Idee gehen Sie als Team an eine Aufgabe heran?

Leuthard: Ganz klar: Über allem steht der Teamgedanke. Ich möchte mal als Beispiel unsere Arbeit in Stuttgart nehmen. Wir haben damals viele Spieler aus der eigenen Jugend eingebaut. Aber wir hatten das Glück, mit Balakov und Soldo zwei erfahrene Leader im Team zu haben. Nach einer Verletzung habe ich den 36-jährigen Balakov die Europatreppe mit knapp 4000 Stufen hochgescheucht. Er hat das akzeptiert und voll durchgezogen. Was denken Sie, was das für einen Eindruck auf einen jungen Kuranyi oder Hleb gemacht hat? Der Teamgeist war absolut perfekt und nur dadurch hat sich diese Dynamik entwickelt, die uns zum Erfolg gebracht hat. Ähnlich war es später in Wolfsburg.

SPOX: Als Belohnung für die Erfolge mit Stuttgart gab es ein Angebot vom FC Bayern...

Leuthard: Das war eine tolle Erfahrung. Der FCB ist wohl der professionellste Verein überhaupt. Und die Aufmerksamkeit ist natürlich auf einer ganz anderen Stufe. Bei einem ganz normalen Berglauf waren damals 20 Kameras und unzählige Journalisten dabei. So als wären wir gerade dabei einen 8000er zu besteigen. Dafür haben wir mit Spielern wie Kahn, Lucio und Scholl gearbeitet. Eine einmalige Erfahrung.

SPOX: In diese Liste kam später noch Raul auf Schalke. Wie überzeugt man solche Topstars als Konditionstrainer?

Leuthard: Ich muss solchen Spielern nicht erklären, warum Training wichtig ist. Entscheidend ist: Wie begegne ich so einem außergewöhnlichen Spieler? Dazu braucht es persönliche und fachliche Autorität. Ein Kahn oder Raul will immer Erfolg. Ich muss ihm zeigen, dass ich von dem, was ich tue, absolut überzeugt bin und mir sicher bin, dass dieser Weg zum Erfolg führt.

SPOX: Bei all diesen Topstars: Gibt es einen Spieler, der für Sie ein absoluter Musterprofi ist?

Leuthard: Ich möchte einen hervorheben: Das ist Grafite. Er hat so eine positive Ausstrahlung und die perfekte Einstellung. So etwas habe ich nie erlebt. Grafite hatte gute Anlagen. Er hat sich die großen Erfolge aber täglich mit harter Arbeit verdient. Außerdem ist er vorangegangen. Wenn Grafite aus dem Bus ausgestiegen ist und man hat ihm in die Augen gesehen, dann war klar: Dieser Mann gewinnt heute.

SPOX: Aber Grafite war doch auch der Spieler, der bei einem Berglauf zusammengebrochen ist?

Leuthard: Ja, da hatte er einen kurzen Schwächeanfall. Aber selbst als er da völlig fertig am Boden saß, konnte er über sich lachen und hat sich bemüht, schnell auf die Beine zu kommen. Ich bin überzeugt, dass Grafite eine tragende Säule dieser Meister-Mannschaft war. Auch der junge Dzeko hat von der Persönlichkeit eines Grafite enorm profitiert.

SPOX: Sie haben als Trainer fast alles erlebt und viel gewonnen. Gibt es da noch einen offenen Wunsch?

Leuthard: Rein beruflich nicht. Ich genieße jeden Tag und hoffe, noch möglichst lange mit Felix zusammenarbeiten zu können. Da macht es auch nichts, dass man manchmal den Lebensmittelpunkt wechseln muss. Das gehört zum Trainergeschäft eben dazu. Eine exakte Lebensplanung ist eben nur temporär möglich.

Seite 1: Leuthard über Bundeswehr-Zeit und Steffi Graf

Seite 2: Leuthard über Training beim FCB und Auofahrten mit Joachim Löw

Artikel und Videos zum Thema