McLaren hat das interessanteste Auto: Es war das Thema der Winterpause: Wie sieht der erste McLaren-Honda der Turbo-Hybrid-Ära aus? Die Hoffnung auf eine traditionelle rot-weiße oder orangene Lackierung erfüllte das Team zwar nicht, dafür ist der MP4-30 aus anderen Gründen interessant. Dank Ex-Red-Bull-Designer Peter Prodromou wurde die Herangehensweise der Ingenieure grundlegend geändert. Im Windkanal richtet das Team das Augenmerk nicht mehr darauf, unbedingt den maximal möglichen Abtrieb zu erzeugen.
"Das Konzept ist fahrerfreundlich", sagte Teamchef Eric Boullier: "Wenn man ein starkes Auto hat und die Fahrer es nicht fahren können, ist das offensichtlich Verschwendung." Statt also 50 Kilo mehr Abtrieb herauszuholen und zu riskieren, dass sich das Auto auf der Strecke anders verhält als im Modellversuch, sollen die Fahrer es unter allen Bedingungen ans Limit treiben. Besonders Fernando Alonso dürfte das bei seinem aggressiven Fahrstil gern hören. Teamkollege Jenson Button erklärte zudem, dass das Auto laut den Mechanikern aus einem Guss designt wurde, wodurch sich die einzelnen Komponenten nicht wie in der Vergangenheit negativ aufeinander auswirken dürften.
Durch die Integration des Honda-Triebwerks ebenfalls interessant: Wie sieht das Heck aus? Und da hat das neue Modell im Vergleich zum MP4-29 enorm abgespeckt. Die Abdeckung liegt viel enger an, die Seitenkästen sind kleiner und tragen einen viel ausgeprägteren Undercut - die untere Hälfte ist deutlich enger an der Mittellinie des Autos als die obere. So kann die von vorn in Wirbeln herbeigeführte Luft den Unterboden etwas besser abdichten und direkter auf den Diffusor wirken. Mehr Abtrieb, höhere Kurvengeschwindigkeiten!
Rennen in Katar so gut wie perfekt
Fast untergegangen wäre jedoch ein Detail komplett am Heck. Unter dem Getriebe, über der Bodenplatte, ist ein ein riesiger Luftraum. Wie das geht? Schon für 2009 hatte Honda ein revolutionäres Getriebe konstruiert, das ohne Schaltgabeln auskommen sollte. Stattdessen wurde der Gangwechselmechanismus um eine Rolle angeordnet. Der Vorteil: Das Getriebe fiel halb so groß aus wie herkömmliche Modelle. Honda könnte diese Entwicklung in den letzten Jahren einfach weiter verfolgt haben.
Ein weiterer Trick: Zusätzlich zur weit nach vorn reichenden Nase hat McLaren im vorderen Bereich seines Autos unauffällig gebastelt. Die Nase scheint mit einem Vanity Panel versehen. Die Schönheitsabdeckung lässt den Übergang fließend erscheinen und kaschiert die Radaufhängung. Die oberen Streben der insgesamt aerodynamisch ausgiebig optimierten Pushrod-Aufhängung werden dadurch abgedeckt. Sie scheinen sogar auf dem Chassis und nicht wie gewohnt darin montiert zu sein.
Dass McLaren noch Pfeile im Köcher hat, zeigten schon die Tests in Jerez. Auch wenn die Powerunit immer noch nicht lief wie gewünscht, erzeugte das Auto große Aufmerksamkeit: Die Bremsbelüftung an der Vorderachse wurde vom Team extrem modelliert. Zwei Zargen reichen bis zur Lauffläche des Reifens nach vorne, um die Luft um die bremsenden Gummis zu leiten. Und: McLaren hat den MP4-30 als Basis designt. Alle Bereiche sind so konstruiert, dass sie als Gesamtpaket in verschiedene Richtungen weiterentwickelt werden können.
Das Formel-1-Jahr 2014 in 14 Sekunden
Sauber könnte die Überraschung der Saison werden: Dass die Schweizer finanziell nicht auf Rosen gebettet sind, war lange bekannt. Nicht umsonst wurden mit Felipe Nasrs ein neuer Hauptsponsor verpflichtet, während Partner der letzten Jahre zu Force India wanderten, und Marcus Ericssons Geldgeber gelten als die zuverlässigsten in der ganzen Formel 1. Zusätzliche dürften dank der guten Zeiten in Jerez angelockt werden - welche man allerdings auch durch wenig Benzin an Bord herbeiführen könnte.
Zudem lagen Saubers Probleme 2014 vor allem im hohen Gewicht des Ferrari-Antriebs und beim Zeitverlust in langsamen Kurven. Die größten Verbesserungen strebte der Rennstall also nicht bei der Aerodynamik an, sondern konstruierte etwa die Hinterradaufhägung für eine bessere Traktion komplett neu, und hat trotzdem einige interessante Änderungen vorgenommen: Schmaleres Heck, Montage der Heckflügelstützen am Getriebe statt an der Crashstruktur und ein sehr variables Kühlsetup mit zahlreichen, neu gestalteten Lufteinlässen und zwei Ohren an der Airbox. Was den Fans der Schweizern Hoffnung auf Besserung machen darf: In Jerez war das Auto nur eine Übergangsversion mit Teilen des C33, einige neue sollen bis Melbourne noch folgen.
Lotus ist wieder ein Spitzenteam: Vielleicht schießt diese Formulierung etwas über das Ziel hinaus, doch das frühere Weltmeisterteam hat im Vergleich zur Vorsaison extreme Fortschritte gemacht. Trotz des Wechsels zu Mercedes spulte die Truppe aus Enstone beim ersten Test eine solide Anzahl an Kilometern ab, die Integration der Antriebseinheit scheint also gelungen.
Und: Das radikale Chassis wurde optisch zum besseren modifiziert, wobei die aerodynamisch optimale Nasenform mit dem vorgelagerten Frontflügel bereits den Crashtest bestand. Auch interessant: Die innovativen Kühleinlässe neben dem Fahrerkopf. Die Ohren sind deutlich niedriger angebaut als etwa bei Sauber. Lotus wird 2015 einen deutlichen Formanstieg verbuchen.
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