Sportchef Fredy Bickel kündigte dazu vor einigen Monaten ein neues Scouting-Konzept an. SPOX hat beim Schweizer nachgefragt, wie dieses im Detail aussieht.
"Das ist keine Wunderidee, wir bauen auf vorhandenen Fundamenten auf", sagt Bickel. Auf den Punkt gebracht lautet die neue Formel: Der eigene Nachwuchs kommt zuerst. "Als ich zu Rapid kam, wurde viel von Scouting gesprochen und davon, im Ausland neue Spieler holen zu wollen. Da habe ich gesagt: Wir müssen zuerst unsere Hausaufgaben machen und bei uns selbst anfangen!"
Nachwuchs geht vor
Der Schweizer will die perfekte Betreuung der eigenen Nachwuchsspieler gewährleisten, bevor er im Ausland nach den nächsten Stars fischt. Den Visionen von Präsident Michael Krammer, die besten Talente aus den östlichen Nachbarländern schon im jungen Alter zu Rapid zu locken, kann er momentan noch nicht viel abgewinnen. Vorher gäbe es in anderen Bereichen Aufholbedarf, beispielsweise in puncto Infrastruktur (Stichwort: Trainingszentrum) oder der medizinischen Betreuung der Nachwuchs-Teams.
"Es bringt nichts, oben beim Scouting anzufangen, wenn es für die Nachwuchsspieler kein Internat gibt", so Bickel. Scouting beginnt für den Schweizer bei den eigenen Jugendtrainern. Daher plant er mit jedem Coach bis zur U16 monatlich ein Meeting ein. Die Prioritäten bei der Kaderplanung sind klar verteilt: "Zuerst wird im eigenen Verein geschaut, danach im Inland und erst dann im Ausland."
So läuft die Spielersuche ab
Im aktuellen Fall der Stürmersuche muss sich Bickel mangels Alternativen extern umschauen. Dazu lässt er sich von seinen Scouting-Chefs Mathias Ringler und Maurizio Zoccola eine Liste erstellen. Via Videoscouting wählen die beiden zunächst rund 20 Kandidaten aus, von denen nach gemeinsamer Evaluierung mit Bickel "vier oder fünf Spieler übrig bleiben, die finanziell und sportlich zu uns passen."
Diese Kandidaten beobachtet Ringler anschließend vor Ort. Zusätzlich nutzt Bickel seine Kontakte, um sich ein Bild von der privaten Seite des Spielers zu machen. "Ich muss einen Spieler nicht zwingend öfter als ein oder zwei Mal live beobachten, denn Fußballspielen kann heute jeder, der so weit gekommen ist. Wichtig ist, dass er vom Charakter in die Mannschaft passt", sagt der grün-weiße Sportchef. Seine Faustregel lautet: "Immer mit einem Spieler drei Mal öfter sprechen als ihn einmal vor Ort beobachten."
Der Unterschied zum Müller-Konzept
Bickels Scouting-Konzept unterscheidet sich damit diametral von jener Strategie, die sein Vorgänger Andreas Müller gemeinsam mit dem ehemaligen Chefscout Bernard Schuiteman verfolgte.
Anstatt spezifisch Spieler für einzelne Positionen zu suchen, setzte die alte sportliche Führung auf einen breiteren Ansatz. Eine Schattenmannschaft mit Transfer-Kandidaten wurde erstellt und im Optimalfall mehrere Male vor Ort beobachtet, um auch eine Entwicklungskurve zu erkennen. Dazu schickte Rapid regelmäßig Scouts zu Spielen in Österreichs zwei höchsten Spielklassen.
"Wir müssen interessante Spieler frühzeitig erkennen, damit wir einen Informationsvorsprung haben und langsam Kontakt aufnehmen können", begründete Schuiteman, der mittlerweile bei Manchester United arbeitet, damals in einem Interview.
Bickel sieht das anders: "Bis ich nach Wien kam, waren bei Bundesliga-Spielen immer zwei bis drei Scouts unterwegs. Das brauche ich nicht. Unsere Gegner kenne ich. Wenn dort jemand ein Thema ist, weiß ich das."
Stattdessen will der Schweizer die Scouts vor allem im Nachwuchsbereich einsetzen. "Die besten Spieler aus der Region sollen zu Rapid kommen. Solange ich lese, dass Spieler mit 14 oder 15 Jahren in einen anderen Teil Österreichs gehen, machen wir irgendwo etwas falsch."
"Salzburg ist uns weit voraus"
Vor allem Salzburg gelang es in den letzten Jahren immer wieder, die besten Talente des Landes in die RB-Akademie nach Liefering zu locken. Nicht nur deswegen gelten die Bullen in Sachen Scouting hierzulande als Vorreiter.
Von Vergleichen mit dem Branchenprimus hält Bickel aber wenig. "Salzburg ist uns aktuell sicher weit voraus, da sie andere wirtschaftliche Voraussetzungen haben. Aber das macht mir kein Bauchweh. Man muss schauen, wo man hingehört und muss im Rahmen seiner Möglichkeiten gut arbeiten."
Sein Ex-Klub Young Boys Bern hätte einst versucht, die Arbeitsweise des FC Basel, Salzburgs Schweizer Äquivalent, zu kopieren - ein Irrweg, meint Bickel: "Als ich zu YB gekommen bin, habe ich die Anzahl der Scouts von zwölf auf vier zurückgeschraubt. Ich habe gesagt, wir schauen nicht mehr ins Ausland, sondern legen den Schwerpunkt auf die Region."
Salzburg hat vier Mal so viele hauptamtliche Scouts
Bei Rapid arbeiten derzeit fünf Personen im Scouting für die Profi-Mannschaft. Mit Ringler kümmert sich aber nur ein hauptamtlich angestellter Mitarbeiter ausschließlich um Scouting-Agenden. Die anderen Spielerbeobachter der Hüttelorfer üben nebenberuflich diesen Job aus oder sind im Falle von Videoanalytiker Zoccola auch mit der Gegneranalyse beschäftigt.
Rapids Scouting-Team | |
Maurizio Zoccola | Leiter Scouting und Video-Analyse |
Mathias Ringler | Leiter Scouting |
Anton Herzog | Scout |
Fritz Riedmüller | Scout |
Harald Schaller | Scout |
Für österreichische Verhältnisse eine durchaus übliche Anzahl, nur bei Salzburg gibt es gleich vier hauptamtlich angestellte Scouts, dazu kommen bei den Bullen diverse externe Spielerbeobachter und die Partnerschaft mit Leipzig.
"Natürlich ist das bei uns noch ausbaufähig und daran werden wir sukzessive arbeiten", gibt Bickel zu. Dass sein Chefscout noch vor wenigen Jahren für die Tiroler Spielerberaterfirma RILA tätig war, macht ihm keine Sorgen. "Hätte ich irgendwelche Anzeichen, dass vermehrt Spieler nur aus einem bestimmten Feld herauskommen würden, hätte ich ein Problem und würde es regeln. Das ist aber beim SK Rapid nicht der Fall, alles ist transparent und nachvollziehbar. Somit geht die ehemalige Tätigkeit auch in Ordnung."
Rapid backt kleinere Brötchen
So oder so backt Rapid im Scouting nun kleinere Brötchen. Anstatt in großen Maßstäben zu denken, ist bei den Hütteldorfern Bescheidenheit eingekehrt.
Bickel dazu abschließend: "Man muss eben gewichten. Wenn ich das Gefühl habe, dass es im Nachwuchsbereich bei der medizinischen Betreuung noch Nachholbedarf gibt, muss ich das Geld dort investieren und nicht ins Scouting. Erst wenn du einen gewissen Level erreicht hast, kannst du auch mehr in andere Bereiche investieren."