Orlando. Es war ein leicht bizarres Bild, als Gerard Piqué am Donnerstag vor den Konferenzsälen des Ritz-Carlton in Orlando einigen steifen Topfunktionären des Tennis-Weltverbandes ITF ausgelassen um den Hals fiel - ganz so, als finde in der Fünf-Sterne-Herberge eine rauschende Fußball-Siegesfeier statt. Piqué, für ein paar Stunden von seinem Arbeitgeber FC Barcelona von den eigentlichen Dienstpflichten befreit, umarmte erst ITF-Präsident David Haggerty, dann unter anderen auch die mächtige amerikanische Verbandspräsidentin Katrina Adams.
Gefeiert wurde, was vielen in der Tenniswelt schwer aufstiess: Die Beerdigung des 118 Jahre alten Davis-Cup-Wettbewerbs. Und die Einführung einer neuen Konkurrenz, die zwar auch noch den Namen Davis Cup tragen soll, aber tatsächlich nichts mit alten Inhalten und Werten gemein hat. "Ein großer, zukunftsweisender Tag" sei das, erklärte Haggerty, der seine Zwei-Drittel-Mehrheit auf dem Tenniskongress vor allem mit verlockenden Geldversprechen durchbekommen hatte - mit drei Milliarden Dollar genau genommen, die von Piqué und einer Investorengruppe namens Kosmos kommen sollen, über die nächsten 25 Jahre.
Kosmos hat nicht einmal eine Webseite
Andere rieben sich allerdings die Augen und fragten sich, was da eigentlich genau passiert war: Pique, noch aktiv im Fußballgeschäft, verbündet sich mit einem alles in allem undurchsichtigen Investorentrupp, erklärt der Tenniswelt, was im Davis Cup schief läuft. Bekommt die Unterstützung eines um seine Macht ringenden Präsidenten des Tennis-Weltverbandes und klammer Nationalverbände und darf nun einen neuen Wettbewerb ausrichten, den die meisten Profispieler ablehnen.
"Kosmos ist so transparent, dass es nicht einmal eine Webseite besitzt", lästerte ein ehemaliger australischer Tennis-Funktionär über die neuen mächtigen Geldgeber. Tatsächlich stellen sich hier die drängendsten Fragen zu dem vermeintlichen Milliardendeal: Wie werthaltig sind die Garantien, die Kosmos den Tennischefs gegeben hat? Und über welchen Zeitraum bestehen diese Garantien überhaupt?
Gesichert seien die Zahlungen tatsächlich nur für drei Jahre, sickerte aus Kreisen der Opposition heraus, der Weltverband habe kaum "substantielle Papiere" zu der neuen Allianz auf den Tisch gelegt. "In fünf Jahren ist das Ganze tot, spätestens", sagte der ehemalige britische Berufsspieler und heutige TV-Kommentator Mark Petchey. Diese Gefahr ist nicht von der Hand zu weisen, nicht wenige erinnert die Liaison der ITF mit Kosmos an den später krachend gescheiterten Deal, den einst die Profispieler-Vereinigung ATP mit der Firma ISL um die Jahrhundertwende geschlossen hatte.
Davis Cup könnte an fehlender Akzeptanz scheitern
Doch der sogenannte neue Davis Cup braucht nicht einmal an Finanzierungsproblemen zu scheitern, er könnte einfach an fehlender Akzeptanz schleichend dahinsiechen. Schon jetzt haben viele Profis ihre Ablehnung für das geplante Endturnier im November deutlich gemacht, darunter auch Deutschlands Nummer eins Alexander Zverev. Zudem könnte sich ein noch schwer wiegenderer Konflikt entfalten, wenn nationale Verbände ihre bisher nur klammheimlichen Absichten eines Boykotts wahr machen - wie reagiert dann die ITF-Spitze auf die Abtrünnigen? Etwa mit der Androhung eines Ausschlusses, sogar im Falle einer Grand Slam-Nation wie Australien?
Dort jedenfalls, auf dem Fünften Kontinent, ist die Stimmung schwer aufgeheizt gegen den Weltverband und seinen Boss Haggerty. "Die ITF hat nun eine große Verantwortung, die große Tradition des Davis Cup auch im neuen Format irgendwie zu bewahren", schrieb der Nationalverband Tennis Australia dem ITF-Chef ins Stammbuch. Der Schauplatz Australien könnte indirekt auch Schicksal spielen für den Weltverband ITF und seine Alliierten um Piqué.
Nur ein Wettbewerb wird überleben
Denn der von der Profivereinigung ATP zum Jahresbeginn lancierte World Team Cup (Nachfolger des Düsseldorfer Events) steht in direkter Konkurrenz zu dem neuen Teamwettbewerb im November. Selbst kurz- bis mittelfristig kann nach Ansicht von Sportmarketingexperten und Szenebeobachtern nur einer der beiden Wettbewerbe überleben - es liegt allerdings auf der Hand, dass die ATP-Veranstaltung zu Jahresbeginn deutlich größere Chancen hat als der "andere Davis Cup", der ans Ende einer strapaziösen Saison platziert wurde, noch hinter das ATP-Tourfinale der Besten.
"Es ist nicht unwahrscheinlich, dass kein einziger Top Ten-Spieler an dieser Davis Cup-Endrunde teilnehmen wird", befand am Rande des ITF-Kongresses bereits der ungarische Tennischef Attila Richter. Derweil schanzten sich Haggerty und seine Parteigänger beim ITF-Treffen gleich noch weitreichendere Vollmachten zu, um künftige Veränderungen an Davis Cup und Fed Cup vorzunehmen. Die Exekutive kann demnächst ohne lästigen Abstimmungskitzel weitere Reformen durchdrücken. Kein Wunder, dass sich immer mehr Experten an FIFA-Verhältnisse beim Weltverband erinnert fühlen.