Von Ulrike Weinrich aus Santa Ponsa/Mallorca
Toni Nadal ist diesen Tagen eingespannt. Alle wollen Onkel Toni. Kein Wunder, der 57-Jährige fungiert bei den 3. Mallorca Open, einem mit 250.000 Euro dotierten WTA-Rasenturnier in Santa Ponsa, als Turnierdirektor. Für uns nahm er sich auf der Terrasse der Anlage auf dem ehemaligen Country Club im Südwesten der Sonneninsel trotzdem viel Zeit.
"Thiem hat die besten Chancen, die French Open zu gewinnen"
tennisnet: "Wie haben Sie den historischen elften French-Open-Sieg ihres Neffen Rafael vor knapp zwei Wochen in Paris gefeiert?
Toni Nadal: "Eigentlich gar nicht, ich habe nichts getrunken. Nach dem Finale bin ich sofort in den Flieger gestiegen und nach Mallorca zurückgeflogen. Es gab in Paris eine Party, aber ich war nicht dort."
tennisnet: "Der Finalsieg gegen Dominic Thiem fiel recht deutlich aus. Der Österreicher wird auf Sand schon als Kronprinz von 'Rafa' gehandelt. Sehen Sie das auch so?"
Toni Nadal: "Dominic hat ein sehr großes Potenzial. Er muss natürlich noch einiges verbessern. Und es ist immer gut, wenn es noch Sachen gibt, die man besser machen kann. Aber ich denke, er hat die besten Chancen, die French Open zu gewinnen. Ob schon im nächsten Jahr oder später, das werden wir sehen. Ich glaube aber, es wird in Zukunft irgendwann passieren. Außerdem ist Dominic ein toller und sehr netter Junge."
"Kerber gehört in Wimbledon zu den Topfavoritinnen"
tennisnet: "Angelique Kerber ist auf Mallorca in ihrem Auftaktmatch gegen Alison Riske (USA) gescheitert. Was glauben Sie, was Angie in Wimbledon reißen kann...?
Toni Nadal: "Ich glaube, sie kann Wimbledon gewinnen. Angie ist eine der Topfavoritinnen auf den Titel, davon bin ich fest überzeugt. Ich habe im vergangenen Jahr ihr Achtelfinale dort gegen Garbine Muguruza gesehen. Angelique hatte so viele Möglichkeiten, dieses Duell damals zu gewinnen. Muguruza war nicht besser, aber sie hat wenige Tage später den Turniersieg geholt. Und ich glaube, dieses Mal wird Angie besser spielen als 2017."
tennisnet: "Warum passt der Rasen so gut zu Kerbers Spiel?"
Toni Nadal: "Sie bewegt sich sehr gut - und sie schlägt aus tiefen Positionen. Dort hat sie eine tolle Kontrolle und Balance. Das ist für das Spiel auf Rasen äußerst wichtig und effektiv. Gras und Angie, das passt."
Kerbers schwache Saison 2017 kam für Toni Nadal nicht überraschend
tennisnet: "Kerber hat den 'Turnaround' nach ihrer eher enttäuschenden vergangenen Saison geschafft. Hat Sie ihr Tief 2017 überrascht?"
Toni Nadal: "Nach so einem tollen Jahr, wie es Angie 2016 hatte, ist so ein Verlauf nicht ungewöhnlich. Sie hat vor zwei Jahren zwei Grand-Slam-Titel geholt, stand in Wimbledon sowie bei den Olympischen Spielen im Finale und wurde die Nummer eins der Welt. Wenn du so viel gewonnen und so tolle Momente erlebt hast, ist ein Viertelfinal-Aus plötzlich eine Katastrophe. Für dich und die Leute. Aber Angie hat es aus dem Tief zurückgeschafft. Sie ist wieder da."
tennisnet: "Wie sehen Sie die Chancen Ihres Neffen Rafa Nadal in Wimbledon?"
Toni Nadal: "Er zählt zu den Topfavoriten, weil er fit ist. Wenn er Probleme mit den Knien hat, ist es unmöglich für ihn, auf Rasen gut zu spielen. Ich hatte auch letztes Jahr schon ein gutes Gefühl. Rafael war gut drauf, aber dann kam der aufschlagstarke Gilles Muller im Achtelfinale - und Rafa verlor."
Paris oder Wimbledon: "Der Druck ist für Rafa immer gleich"
tennisnet: "Ist der Druck für Rafa in Wimbledon jetzt geringer, weil er sein Turnier, die French Open, gewonnen hat?"
Toni Nadal: "Nein, nein, der Druck ist immer gleich. Rafael will auch Wimbledon gewinnen - und dafür wird er alles tun."
tennisnet: "Ist Wimbledon - mit all seiner Tradition - etwas Außergewöhnliches für Sie persönlich?"
Toni Nadal: "Klar, es herrscht dort eine ganz besondere Atmosphäre. Aber natürlich ist Roland Garros für uns sehr speziell. Dort musst du mit mehr Taktik spielen, wenn du gewinnen willst, was mir persönlich mehr gefällt."
"Der Aufschlag hat auf Rasen eine zu hohe Bedeutung"
tennisnet: "Heißt das, dass Ihnen Rasentennis nicht gefällt?"
Toni Nadal: "Doch, aber der Aufschlag hat auf Gras eine zu hohe Bedeutung. Es geht alles zu schnell. Manchmal hast Du keine Möglichkeit. Gegen Muller zum Beispiel war es in Wimbeldon 2017 für Rafael unmöglich, das Service seines Gegnerns zu returnieren. Man konnte einfach nichts machen."
tennisnet: "Finden Sie es unfair, dass von den vier Grand-Slam-Turnieren nur eines auf Sand stattfindet - dagegen zwei auf Hardcourt?"
Toni Nadal: "Nein, das ist kein Problem - es ist wie es ist. Aber es ist nicht ganz fair, dass das ATP-Finale am Saisonende nie auf Sand gespielt wird. Dass der Belag dort nie gewechselt wird."
tennisnet: "Wie zufrieden sind Sie bislang mit dem Verlauf der 3. Mallorca Open?"
Toni Nadal: "Wir hatten ein sehr gutes Starterinnenfeld mit der Weltranglistensechsten Caroline Garcia und einer Angie Kerber, die im 'Race', der Jahreswertung, auf Platz fünf steht. Natürlich kann man im Sport keine Ergebnisse prognostizieren. Aber wir bieten den Spielerinnen Top-Voraussetzungen, denn wir haben denselben Greenkeeper wie das Turnier in Wimbledon. Dazu das schöne Wetter hier, man kann immer spielen und trainieren. Wir haben das Turnier Jahr für Jahr verbessert. Und das wollen wir auch in Zukunft weiter fortsetzen. Wir sind sehr zufrieden, aber können Sachen noch besser machen."
Superstars im Frauen-Tennis? "Momentan noch Serena und Maria"
tennisnet: "Es wurde wegen eines möglichen Starts auf Mallorca auch mit Serena Williams verhandelt..."
Toni Nadal: "Ja, es wurde mit ihr geredet. Aber es ist nicht so einfach, sie zu holen. Serena hat eine lange Pause hinter sich. Sie hat wegen ihrer Schwangerschaft nicht viel spielen können. Wenn man dann zurückkehrt, muss man genau planen und sehen, dass man nicht zu viel spielt."
tennisnet: "Welche Spielerinnen ziehen die Zuschauer an?"
Toni Nadal: "Im Fußball sind der FC Barcelona, Real Madrid, Bayern München und Manchester United die Magneten. Wenn man über Basketball redet, fallen einem LeBron James und Stephen Curry ein. In der Leichtathletik war es bis vor kurzem noch Usain Bolt. Es gibt nicht so viele Plätze für Superstars. Im Frauen-Tennis sind es im Moment noch Serena Williams und Maria Sharapova. Erst danach kommen Spielerinnen wie Caroline Wozniacki oder Garbine Muguruza."