Die deutschen Tennis-Meisterschaften, alljährlich zum Jahresende im beschaulichen Biberach an der Riß ausgetragen, liefen in jüngster Vergangenheit eher unter dem Radar des breiten medialen Interesses ab und waren auch nicht gerade bekannt dafür ein Startpunkt für große Karrieren im Herrentennis zu sein.
Dies trifft aber eher nicht auf den Titelträger von 2015 zu. Oscar Otte hat in jenem Jahr die Trophäe im Einzelwettbewerb mit einem Zweisatz-Erfolg über Jan Choinski gewonnen. In derselben Saison hatte der damals 22-jährige Kölner auch drei Futures Titel auf dem ITF-Pro-Circuit errungen, der "vierten Liga" des internationalen Profitennis nach den Grand Slams, der ATP World Tour und ATP Challenger Tour.
Fünf weitere Pokale sind seitdem hinzugekommen und der Name Oscar Otte wurde dem tennisinteressierten Publikum allmählich ein Begriff. Dieses Jahr nun konnte der gebürtige Kölner auch seinen ersten Triumph auf Challenger-Ebene feiern. Im Juni besiegter er nach Satzrückstand den Japaner Taro Daniel im Finale der Belém Open in Lissabon. 9.200.- Euro Preisgeld und 90 ATP-Ranglistenpunkte waren der verdiente Lohn.
Am Rande des in dieser Woche stattfindenden und mit €43.000-dotierten ATP Challenger-Turniers in italienischen Manerbio trafen wir den aktuell Weltranglisten-145. zum Interview. Tennisnet sprach mit Otte über seine jüngsten Erfolge, seine Ziele aber auch die harten Zeiten mit Verletzungen und Krankheit.
tennisnet: Würdest du den Titelgewinn in Biberach als deinen "Karriere-Boost" bezeichnen?
Oscar Otte: Ja, auf jeden Fall. Die deutschen Meisterschaften waren mein erster bedeutsamer Titel und man konnte auch ein bisschen sehen, wo man in Deutschland steht. Dieser Erfolg hilft dann natürlich auch für die internationalen Turniere. 2016 habe ich dann auch nicht schlecht gespielt, war aber leider ein-zweimal verletzt und deshalb hat sich der Boost wohl um ein Jahr nach hinten verschoben.
Du hattest mit einer Knie-OP und dem Pfeifferschen Drüsenfieber zu kämpfen. Wie geht man mit sowas um und wie begegnet man solchen Rückschlägen?
Für mich war es ganz wichtig, dass ich ein gutes Umfeld hatte. Meine Familie stand immer hinter mir und ich hatte ein sehr gutes Ärzte-und Physio-Team. Ich hatte mehrere Verletzungen und das Pfeiffersche Drüsenfieber war die Spitze. Da fährt einfach der ganze Körper auf null und du brauchst erstmal ein paar Wochen, vielleicht Monate bis du wieder bei deinen 70 oder 80 Prozent bist. Es ist wichtig, dass du in dieser Zeit die richtigen Leute um dich hast und du noch immer an die Sache glaubst. Das hat bei mir gut geklappt und jetzt bin ich auf jedem Fall auch auf dem richtigen Weg.
Wie war das Gefühl nach dem Titelgewinn in Lissabon?
Das war unglaublich. Die Bedingungen waren ähnlich wie hier jetzt. Es war heiß mit über 40 Grad. Zu dieser Zeit war auch noch der große Waldbrand in Portugal, was natürlich nicht so schön war. Der Turniererfolg war für mich aber wie ein Befreiungsschlag. Von sowas träumst du eigentlich dein Leben lang, auch wenn es "nur" ein Challenger-Turnier war. Aber auch solche Turniere musst du erstmal gewinnen. Das pusht einen dann doch enorm und es öffnen sich nochmal ganz andere Türen.
Verändert sich dadurch auch etwas auf dem Tour-Leben. Wächst da vielleicht auch das Ansehen bei den Spielern untereinander?
Die Spieler bleiben weitestgehend gleich, da auch andere von den Futures mit nach oben kommen. Natürlich sieht man auch ein paar andere Gesichter, die man vielleicht vorher nur aus dem Fernsehen kannte. Ansonsten verändert sich eigentlich nicht viel. Die Spieler auf Challenger-Ebene sind nicht abgehobener als bei den Futures. Dort kann es dir schon eher mal passieren auf Spieler zu treffen, die sich für Roger halten aber nur ein paar Weltranglistenpunkte haben. Je höher man kommt, desto netter sind eigentlich die Spieler untereinander. Man respektiert und schätzt sich mehr. Das ist dann auch viel angenehmer. Jeder kennt jeden und man mag auch alle. Sicherlich gibt es immer mal eine Ausnahme, aber das ist bei mir eigentlich nicht der Fall.
Wer sind deine besten Kumpels auf der Tour?
Andreas Mies ist mein bester Freund. Wir kommen beide aus Köln und kennen uns schon ewig. Gleiches gilt für Kimmer Coppejans. Natürlich noch weitere deutsche Spieler, aber die zwei gehören zu meinem engsten Freundeskreis mit dem ich auch privat was unternehme.
Du hattest auch einige gute Resultate bei ATP Challenger-Turnieren in China gehabt. Wie ist es im Vergleich zu Europa dort auf dieser Ebene zu spielen?
Das ist schwierig zu vergleichen. Die Leute und die Kultur sind komplett anders. Kaum einer spricht Englisch. Man muss sich mit Händen und Füßen verständigen, Bilder beim Essen zeigen. Es waren aber relativ viele Zuschauer bei den Matches und die Turniere waren auch gut organisiert. Es war eine Erfahrung, die man auf jeden Fall mal gemacht haben muss. Ein zweites Mal für Challenger nach China muss aber nicht unbedingt sein. Dann doch lieber zu größeren Turnieren, wie zum Beispiel Shanghai oder Peking.
Wie war die Erfahrung in Wimbledon dieses Jahr? Ich glaube, deine ersten Matches auf Gras überhaupt?
Die Qualifikation findet ja leider nicht auf der Hauptanlage, sondern in Roehampton statt. Aber es war cool. Das erste Mal Rasen war überwältigend, obwohl ich in der ersten Runde gegen Brandy (Daniel Brands) verloren habe, der sehr gut auf Rasen spielt. Ich hatte auch keine richtige Vorbereitung, aber vielleicht bin ich beim nächsten Mal schon im Hauptfeld.
Wie ist deine aktuelle Trainingssituation? Wer ist dein Coach?
Meine Homebase ist bei Alexander Flock in Köln am Mittelrhein. In letzter Zeit ist Ralph Grambow zu den Turnieren mitgereist, der als Dozent an der Uni gerade Semesterferien hat. Das ist eine gute Kombination und klappt sehr gut.
Ist für einen jungen Spieler eine Davis-Cup-Teilnahme noch ein Traum?
Natürlich! Ich hatte erst gerade in Hamburg mit Kohle (Michael Kohlmann) darüber gesprochen. Für eine Nominierung bin ich aber leider noch ein paar Spots zu weit hinten. Vielleicht wenn ein paar absagen, hoffe ich noch auf einen Anruf. Wenn nein, ist auch nicht schlimm. In ferner Zukunft träumt man aber schon davon sein Land beim Davis-Cup vertreten zu können. Auch Olympia ist noch im Hinterkopf.
Setzt du dir gewisse Ziele im ATP-Ranking?
Ich möchte zum Ende des Jahres auf jeden Fall die Top 100 schaffen, um bei den Australian Open im Hauptfeld zu landen. Dann schaue ich weiter.
Konntest du den Fußball Bundesliga-Auftakt verfolgen?
Ja, leider hat Köln das Derby (gegen Borussia Mönchengladbach) verloren. Ich bin aber eigentlich Bayern-Fan. Die letzten Jahre ist Köln bei mir aber fast gleichgezogen. Deswegen tat es am Samstag ein bisschen weh. Aus Bayern Sichtweise ist die Bundesliga auch etwas langweilig. Da muss man sich einen anderen Verein suchen.
Vielen Dank und weiterhin viel Erfolg!
Das Gespräch führte Florian Heer