Von Dominik Sharaf
Einen Urlaub, den mancher Freund ihnen schon angedichtet hat, verbringen die Journalisten beim Porsche Tennis Grand Prix nicht. Vor-Ort-Berichterstattung heißt insbesondere für Online-Spezialisten: Stress, Termindruck und manchmal ein paar Ballwechsel genießen, meistens aber in die Tasten hauen.
Es ist nicht schwierig, die Reporter von Zeitungen, Zeitschriften, Agenturen, Webportalen, Radio- und TV-Sendern in der Porsche Arena zu finden. Meistens sitzen sie - entgegen manchem Klischee - nicht am reich gedeckten Tisch oder in den besten Logen, sondern an ihren Arbeitsplätzen. Mancher muss die Redaktion von seinem spartanischen "Büro" im Media Center leiten: die Nachrichtenlage sondieren, die sozialen Medien im Blick behalten, Inhalte planen und natürlich texten. Dann bleibt keine Zeit, seinen Stuhl an einer der langen Tischbänke des Presseraums zu verlassen - auch wenn am ersten Turnierntag noch wenig los ist.
Porsche Tennis Grand Prix mit vorbildlichen Arbeitsbedingungen
Die Situation kennt auch Jörg Allmeroth von tennisnet.com. Das Urgestein berichtet seit 28 Jahren von der Herren- und Damentour. Kaum jemand im Zirkus schüttelt ihm nicht die Hand. Er verkauft Texte an über 30 Zeitungen, Zeitschriften und Online-Medien aus dem In- und Ausland. Vorher war er ein Jahrzehnt Fußball-Reporter. Wenn er an diese Zeit und Schilderungen von Kollegen aus anderen Sportarten denkt, findet er aber: "Im Tennis sind wir auf einer Insel der Glückseligen."
Die Arbeitsbedingungen hält er nicht nur in Stuttgart, sondern bei allen Turnieren für hervorragend (was in Wimbledon und bei den US Open früher anders war). Wenn es die Agenda zulässt, sieht er sich Matches von der Pressetribüne an. Es sind nicht besten, aber gute Plätze. "Bei großen Partien wie Grand-Slam-Finals lasse ich es mir nicht nehmen", so Allmeroth. Kein Luxus, aber auch keine Selbstverständlichkeit. In der Formel 1 müssen Journalisten im Media Center Fernsehen schauen.
Auch der Zugang zu den Aktiven sei gut - selbst an Großkampftagen wie in der ersten Woche der Grand-Slam-Turniere, wenn der Terminplan aus allen Nähten platzt. Allerdings ließen sich die Herrschaften viel Zeit auf dem Weg zur Pressekonferenz, monieren viele Journalisten die ausschweifenden Rituale nach einem Matchball. Denn die Tennis-Stars kommen nach ersten TV-Interviews meist nur gut gepflegt - anders als in der Formel 1, wo die besten drei Piloten direkt von der Siegerehrung abtransportiert werden. Oft müffelt es dann nach Schweiß und Champagner. Iso-Getränke müssen vor laufenden Kameras runtergekippt werden.
"Time!"
Das Problem im Tennis: Bevor es vor die Journalisten geht, strampeln die Asse eine Runde auf dem Ergometer, duschen, lassen sich vom Physiotherapeuten durchkneten, quälen sich im Eisbad und genießen eine Siegesfeier im Kreis der Familie. Bis zu zwei Stunden dauert das Programm. Eine Zeit, in der die Medienvertreter Stimmen brauchen. Online-Portalen bleibt unter dem Druck von Facebook-Algorithmen und App-Pushes nichts anderes übrig, als sich mit Zitaten aus Fernsehübertragungen zu behelfen - und später Texte nachzuschießen. Nicht das, was sich Journalisten wünschen.
Wenn das Zeremoniell beendet ist und die Pressekonferenz beginnt, erhalten die Stars der Szene einen Stuhl auf dem Podium des großen Pressesaals - in der Porsche Arena direkt im Media Center - und ein Mikrofon. Fragen werden der Reihe nach gestellt, querbeet zu sportlichen und privaten Themen, erst auf Englisch und dann in der Muttersprache des Spielers. Alles passiert vor Kameras, teilweise wird protokolliert. Bei den unbekannteren Aktiven kann eine "Pressekonferenz" in einem schmucklosen Hinterzimmer stattfinden oder direkt auf dem Gang abgehalten werden.
Dazu gibt es im Vorfeld der Turniere sogenannte Round Tables, die für alle akkreditieren Medienvertreter zugänglich sind. Ablauf: Die Spieler setzen sich an einen Tisch, alle Journalisten schalten ihr Diktiergerät ein und es wird gefragt. Exklusive Interviews sind im Tennis schwieriger zu bekommen - sofern es ohne Vitamin B überhaupt klappt.
Roger Federer hat es verstanden
Das Recht auf exklusive Inhalte ist im Online-Zeitalter ohnehin zum Problem geworden, weil immer mehr publiziert wird, worauf jeder im Internet Zugriff hat. Egal, ob er Fan oder Journalist ist. Egal, ob er mit den Inhalten sein Geld verdient. Egal, ob er für teures Geld vor Ort ist oder auf der anderen Seite des Erdballs im Homeoffice sitzt. "Zu Zeiten von Boris Becker und Steffi Graf war es auch noch lukrativer, eine exklusive Information zu haben", bemerkt Jörg Allmeroth mit Blick auf das Business. "Damals war Tennis heißer, aber es ging trotzdem insgesamt gemütlicher zu."
Trotzdem gibt es diejenigen, die den Journalisten das Arbeiten einfacher machen. Wenn es um Roger Federer geht, gerät Florian Goosmann von tennisnet.com ins Schwärmen - obwohl auch die Tennislegende als Bummler bekannt ist. "Nach seinen Matches gibt er zig Interviews für Print, Online, TV, Radio - und das auf Englisch, Deutsch, Französisch und Schweizerdeutsch. Trotzdem beantwortet er dem letzten Kollegen die gleiche Frage genauso freundlich und geduldig wie dem ersten. Das finde ich faszinierend."
Viele Spieler hätten es verstanden, dass sie den Journalisten Geschichten liefern müssten. Auch Andy Murray sei immer besonders bemüht um gute Antworten, sagt Goosmann, der in dieser Woche vom Porsche Tennis Grand Prix berichtet. Und hier vor allem auf Caroline Garcia und Laura Siegemund baut. "Denn bei denen kommt immer gut was rum."