Von Jens Huiber aus Paris
2002 hatten die Ersatzspieler der Anaheim Angels die beinahe revolutionäre Idee, sich bei einem Rückstand in der späteren Phase eines Baseball-Matches die Kappen rückwärtig aufzusetzen. Die "Rallye Caps", so geht die Fabel, seien einer der Gründe gewesen, warum das südlich von Los Angeles beheimatete Team den einzigen Titel in ihrer Geschichte holen konnten. Ob Lucas Pouille dessen gewahr ist, weiß man nicht. Der Franzose, auch ein Mann mit Comeback-Qualitäten, trägt seine Kappe jedenfalls auch mit Schirm nach hinten, Markenkollege Dominic Thiem bestreitet seine Pressekonferenzen in Paris dergestalt. Horacio Zeballos? Not so much.
Der Argentinier präsentiert sich ein wenig aus der Zeit gefallen neben all den durchgestylten Vertretern aus den Häusern adidas (eigentlich in Grün-Weiss, auf der Damen-Seite aber zusätzlich mit doppelter Stella-McCartney-Kollektion) und Nike (wo lediglich Rafael Nadal keine Hose tragen muss, die so aussieht, als hätte er sich in einen Topf weißer Farbe gesetzt). Zeballos spielt klassisch in Fila, das Käppi ein bisserl schief ins Gesicht gedrückt, bei älteren Baseballfreunden könnten Erinnerungen an Lou Gehrig wach werden. Gegen David Goffin war Zeballos zu Beginn hoffnungslos unterlegen, klopfte sich schon nach dem zweiten Spiel auf die Brust. Nicht um Selbstbewusstsein zu suggerieren, die Message war eher: Das könnte mühsam werden.
Kohlschreiber-Bezwinger
Ist es dann nicht, Goffin und eine Abdeckplane auf dem Suzanne Lenglen haben Dominic Thiem nun einen Achtelfinalgegner beschert, mit dem nicht zu rechnen war. Sehr gefährlich sei Zeballos, mahnt Günter Bresnik, der Coach von Thiem. Beeindruckende einhändige Rückhand, gute Stopps, spielt den Ball auch gut longline - gewarnt wird die österreichische Nummer eins auf jeden Fall sein. Schließlich hat Zeballos in München auch Philipp Kohlschreiber besiegt, keine leichte Übung, der gebürtige Augsburger ist an der Isar schließlich Rekordgewinner.
Thiem hält ein Viertelfinale von Zeballos gegen Albert Ramos-Vinolas nicht für ausgeschlossen, mit größerer Wahrscheinlichkeit werden sich dort aber er selbst und Novak Djokovic gegenüberstehen. Der Titelverteidiger hat sich von Diego Schwartzman ärgern und also einen fünften Satz aufzwingen lassen, das Weiterkommen stand nie in Frage. Dominic Thiem hat das Rom-Debakel gegen Djokovic abgehakt, die besondere Gereiztheit des Serben in nämlichem Match eher als Kompliment genommen: "Wahrscheinlich hat er das Match gegen Nadal gesehen."
Chelsea-Erklärer
Thiem hat am Samstag wieder im "Jean Bouin" trainiert, er ist dort gern gesehener Mittagsgast. Taktisch nicht ungeschickt hat sich Thiem diesmal an einen Linkshänder gehalten, auch wenn der junge Mann die einhändige Rückhand von Horacio Zeballos nicht im Programm hatte. Das T-Shirt ist am Mann geblieben, der prognostizierte Wetterumschwung eingetreten, ein Hoch auf die Meteorologen. Boris Becker hat sich nicht gezeigt, das Österreichische Fernsehen sehr wohl, Dominic Thiem bringt die tägliche Regierungserklärung routiniert über die Bühne. Etwas ins Grübeln geriet der 23-Jährige lediglich bei der Frage eines internationalen Journalisten nach seinem Sieg gegen Steve Johnson: Wie er denn jemandem, der keine Ahnung vom Fußball hat, erklären könne, warum er Anhänger des FC Chelsea geworden ist. Dominic Thiem ist es da gegangen, wie so vielen Fußball-Fans: "You don´t choose a team. The team chooses you."
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