Problem Nummer zwei: Das Playcalling
Bereits während der Offseason war klar gewesen, dass die Offense der Ravens über den Sommer weiter entwickelt werden müsste. Defenses würden Antworten auf Baltimores offensive Ideen finden und Offensive Coordinator Greg Roman dann einen Plan B präsentieren müssen.
Ersteres ist wie erwartet eingetreten, der zweite Punkt bislang allerdings allenfalls in Teilen. Die Ravens spielen nach wie vor eine Offense, die sehr stark auf Motion, Play Action und heavy Sets mit mehreren Tight Ends und Fullbacks setzt. Was in dieser Saison neu ist, ist die Art und Weise, wie Defenses diesen Ansatz verteidigen.
Der gravierendste Unterschied dabei: Defenses spielen in dieser Saison mit deutlich mehr Nickel- und sogar Dime-Packages gegen die Ravens, sie bringen also mehr Passverteidiger aufs Feld. Jackson hat gegen diese Sets merkliche Probleme, das ist allerdings nicht grundsätzlich überraschend. Sub-Packages sollen schließlich besonders effektiv in der Pass-Coverage sein, bereits im Vorjahr war der MVP gegen Base-Defenses mit drei oder mehr Linebackern auf dem Feld mit Abstand am effektivsten.
Überraschend ist eher, dass die Ravens diesen Trend mit ihrem Run-Game nicht bestrafen können - trotz Heavy Sets und trotz einem nach wie vor hohen Anteil von Run-Plays bei First und Second Down. Das ist auch durch das Personal zu erklären - Guard Marshal Yanda hat seine Karriere beendet, Center Matt Skura ist nach seiner Verletzung noch nicht wieder der alte, nun sind auch noch Offensive Tackle Ronnie Stanley und Tight End Nick Boyle verletzt -, aber es liegt auch an einer fehlenden Entwicklung von Romans Offense.
Baltimore Ravens: Gegner stellen sich besser auf die Offense ein
Diese basiert auch in dieser Spielzeit nach wie vor auf Power- und Inide-Zone-Runs aus Pistol-Formations (also mit einem Running Back direkt hinter dem Quarterback postiert), in denen die Ravens durch Motions und Misdirections Extra-Spieler auf eine Seite der Formation bringen und somit Blocking-Vorteile kreieren können. Dies ist stets der Grundsatz von Romans Offense gewesen, schon als er noch mit Colin Kaepernick in San Francisco zusammen arbeitete.
Allerdings haben Defenses mittlerweile ein gutes Gefühl dafür, aus welchen Formationen die Ravens laufen und aus welchen sie passen wollen. Die Pass- und Run-Designs sind nicht gut genug miteinander verknüpft, sodass Baltimores Gegner sich häufig auf Runs einstellen und diese so auch in Sub-Packages oft gut verteidigen können.
Darüber hinaus nutzen die Ravens Motion zwar mehr als fast jedes andere Team in der NFL, die dabei bewegten Spieler werden allerdings meist nur als Ablenkung oder als zusätzlicher Blocker eingesetzt. Baltimore spielt kaum Swing-Screens oder Jet Sweeps, sodass Defenses diesen Spielern mittlerweile immer weniger Beachtung schenken.
Gegen die Patriots resultierten in der ersten Halbzeit ein Swing-Pass auf Devin Duvernay in einem einfachen 19-Yard-Raumgewinn und ein Touch-Pass zu Willie Snead in einem 6-Yard-Touchdown. Roman wäre gut beraten, seine Motion-Spieler in den nächsten Spielen noch häufiger aktiv in seine Plays einzubinden.
Baltimore Ravens: Rückschritt im Laufspiel ist alarmierend
Der Rückschritt im Laufspiel, das im Ligavergleich immer noch gut ist, in der vergangenen Saison aber noch auf einem historisch starken Niveau agierte, hat gravierende Folgen für die gesamte Offense der Ravens. Dadurch, dass Baltimore in diesem Jahr deutlich häufiger ineffektive Runs hat, findet sich die Offense viel häufiger in klaren Pass-Situationen wieder - das Letzte, was eine rund um das Laufspiel aufgebaute Offense möchte. Eine ähnliche Entwicklung resultierte im vergangenen Jahr bereits in der schwachen Saison von Sean McVay und der Rams-Offense.
Für Baltimore ist dieser Trend allerdings besonders alarmierend, denn was bezüglich der zurückgehenden Überraschungsmomente für das Run-Game gilt, trifft noch stärker auf die Pass-Designs von Roman zu. Die Ravens arbeiten offensiv mit vergleichsweise wenig verschiedenen Pass-Konzepten, Roman versucht - auch um Jacksons Stärken entgegen zu kommen - in erster Linie die Mitte des Feldes zu attackieren, worauf sich Defenses mittlerweile aber deutlich besser eingestellt haben.
Dies ist besonders gut bei den Empty Sets der Ravens zu erkennen. Im Vorjahr stellten diese die vielleicht größte Stärke der herausragenden Offense dar, Defenses fanden auf die Herausforderung, die sich durch die Kombination von fünf Receivern und der durch Jackson nach wie vor vorhandenen Rushing-Gefahr ergab, keine Antwort. Konzepte wie "Five Verticals", bei dem alle Receiver vertikale Routen laufen und kein einziger Checkdown existiert, wurden erst durch Jacksons Ausnahmefähigkeiten ermöglicht und sorgten immer wieder für Big Plays.
In dieser Spielzeit haben Defenses allerdings auf diese außergewöhnlichen Plays reagiert, mit mehreren Hole-Defendern und Quarterback-Spies verteidigen sie gleichzeitig die Mitte des Felds als auch die Rushing-Gefahr durch Jackson. Die Ravens werden somit häufig gezwungen, Defenses outside zu attackieren - etwas, was dem Team bislang viel zu selten gelingt.
Die fehlende Evolution in Romans Offense ist nach mehr als der Hälfte der Saison zweifelsohne eine Enttäuschung, zumal einige der defensiven Antworten kaum überraschend sind. Die Schwächen im eigenen Personal - sei es durch Verletzungen oder durch ausbleibende Aktivitäten in der Offseason - haben diese Entwicklung allerdings obendrein merklich verstärkt.