Draft-Analyse: Jerry Jeudy, WR, Alabama
Während den Zuschauer bei Lamb die Physis und die Qualitäten nach dem Catch förmlich anspringen, ist es bei Jeudy das Route-Running. In dieser Hinsicht gab es über die letzten Jahre kein Draft-Prospect, das es hier mit Jeudy hätte aufnehmen können.
Plays wie dieses hier gegen LSU waren reihenweise auf Jeudys Tape zu beobachten:
Der gemeinsame Nenner bei Jeudys Routes: Es ist absolut beeindruckend, wie mühelos er Richtungswechsel, rein körperlich betrachtet, umsetzt. Cuts sind wahnsinnig scharf und explosiv, Richtungswechsel erfolgen mühelos und innerhalb kürzester Zeit.
Das alleine lässt gute Defensive Backs schon regelmäßig aussteigen. Jeudy bereitet seine Cuts aber auch glänzend vor.
Die Szene gegen LSU ist auch hierfür ein gutes Beispiel, Jeudys ganze Körperhaltung deutet die Route nach innen an, sein Kopf dreht sich erst, nachdem er den kompletten Cut gesetzt hat. Für den Verteidiger gibt es keinen Ansatz, den Cut so zu erwarten.
In Kombination mit seinem Speed und den konstant gefährlichen Richtungswechseln gibt er Cornerbacks so von vorneherein schon eine große Aufgabe, dieser Catch gegen Clemson unterstreicht das nochmals.
Jeudy arbeitet bereits auf den ersten Schritten mit mehreren angetäuschten Richtungswechseln, auf die der Corner reagieren muss. Letztlich reagiert der Cornerback auf die letzte Täuschung und antizipiert eine vertikalere Route, in dem Moment setzt Jeudy seinen Cut - und ist so weit offen, wie man bei einer Comeback-Route nur sein kann.
Es sind diese Richtungswechsel, die Jeudy extrem fließend in seine Routes einbaut und die Gegenspielern Angst einjagen. Das führt nicht selten zu Überreaktionen bei den Verteidigern und wenn man einmal auf dem falschen Fuß ist, zieht Jeudy blitzartig vorbei.
Die obere Szene unterstreicht das nochmals. Jeudy attackiert mit angetäuschten Cuts, sprintet letztlich aber an seinem Gegenspieler vorbei. Der scharfe Cut erfolgt erst später und Jeudy ist einmal mehr weit offen.
Jeudy: Elite-Route-Running und ein glänzender Release
Ein Elite-Prospect ist Jeudy, weil er sehr gutes Route-Running, Explosivität und Speed mit einem glänzenden Release kombiniert.
Dieses Play gegen South Carolina unterstreicht das:
Es gibt wenige Receiver, die im College Press-Coverage schon so regelmäßig und so eindrucksvoll bestrafen wie Jeudy.
Hier versucht ein Defensive Back sein Glück gegen Jeudy (oberer Bildrand, der vorne platzierte Receiver), doch sein Arm geht gegen Jeudys Ausweichbewegung zur Seite komplett ins Leere.
Damit ist der Cornerback so aus der Balance gebracht, dass Jeudy bereits an ihm vorbei ist. Und dann hat er zu viel Speed, als dass man ihn noch einholen würde.
Eine weitere Szene aus dem Spiel gegen South Carolina: Jeudy zwingt seinen Gegenspieler beim Release mit seinen schnellen Füßen auf den falschen Fuß. Abermals ist er anschließend viel zu schnell für die Coverage, ein besser platzierter Wurf sorgt hier für einen Touchdown.
Jerry Jeudy: Advanced Stats 2019
Drops | Yards nach dem Catch/Reception | Durchschnittliche Target-Tiefe | Slot-Yards/Deep-Yards |
7 (278) | 7,8 Yards (40) | 11,1 Yards (197) | 702 Yards (35)/320 Yards (83) |
Alle Statistiken in dieser Tabelle stammen aus dem Draft Guide von Pro Football Focus. In Klammern immer der Rang unter allen College-Receivern 2019 mit mindestens 50 Targets. Deep-Yards sind Receiving-Yards bei Pässen die mindestens 20 Yards Downfield fliegen.
Jeudy: Speed als Waffe
Jeudy ist in puncto Geschwindigkeit nicht auf dem Level von Henry Ruggs, kein Receiver in dieser Klasse ist das.
Doch Jeudy hat hier fraglos ebenfalls Qualitäten. Beispielsweise lief er gegen Michigan etwa seinem Gegenspieler davon und fing einen schwierigen Ball tief über dem Boden - und derartige Plays sieht man regelmäßig.
Jeudy hatte in der vergangenen Saison vier Touchdowns bei Pässen über mindestens 20 Yards, er gewinnt also auch durchaus tief und hat gerade auch in der Mid-Range viele Plays, bei denen er merkliche Separation kreiert. Er ist eine vertikale Bedrohung, er kann aber auch nach dem Catch mit seinem Speed gewinnen.
Jeudy wurde bei Screens, Jet Sweeps, im Slot, Outside eingesetzt, einzelne Routes lief er sogar aus dem Backfield. Er ist ein universal einsetzbarer Receiver.
Und zumeist hat er auch sehr gute Hände.
Jerry Jeudys Schwächen: Nur minimale Kritik
Es sind am ehesten offensichtliche Punkte, die man bei Jeudy hier nennen sollte. Er ist kein Contested-Catch-Receiver, in dieser Disziplin steht er ganz eindeutig hinter Lamb und auch etwa hinter einem Tee Higgins oder Denzel Mims, um andere Vergleiche in dieser Klasse anzubringen.
Auch ist er nur ein sehr mäßiger Blocker. Der Einsatz ist da, ja, doch immer wieder mal wurde er etwa bei Screens im wahrsten Sinne des Wortes über den Haufen gerannt.
Am ehesten wären die Drops allerdings herauszustellen. Sieben Drops in der vergangenen Saison sind noch nicht alarmierend, aber doch mehr als nur erwähnenswert.
Mein Eindruck ist, dass es vor allem Konzentration-Drops waren, Jeudy also schon mit dem Kopf woanders war und den Ball noch nicht gesichert hatte. Hier muss er sich aber fraglos noch stabilisieren.