Ganz besonders die Patriots sind nicht das Team, dem man zusätzliche Chancen geben oder in ein Spiel zurückhelfen sollte - und doch passierte den Ravens genau das in der ersten Halbzeit. Ein Muffed Punt ausgerechnet von Ex-Patriot Cyrus Jones öffnete die Tür für einen Touchdown-Pass von Brady (30/46, 285 YDS, TD, INT) zu Mohamed Sanu, ein Fumble von Mark Ingram wenig später tief in der eigenen Hälfte bescherte den Pats ein Field Goal.
Es waren diese beiden Turnover, die es New England erlaubten, die erste Halbzeit mit nur vier Punkten im Rückstand zu beenden, nachdem die Patriots ansonsten offensiv weitestgehend keinerlei Rhythmus gefunden und immer wieder mit Baltimores Blitzes Probleme offenbart hatten. Und auch die hochgelobte Patriots-Defense wackelte früh.
Nachdem die Gäste mit einer Neutral Zone Infraction bei Baltimores Field-Goal-Versuch kurz vor der eigenen Endzone den Ravens ein neues First Down ermöglicht hatten, lief Lamar Jackson (17/23, 163 YDS, TD; 14 ATT, 63 YDS, 2 TD) ungehindert zum Touchdown. Kurz danach diente ein 53-Yard-Run von Ingram als Wegbereiter für einen einfachen Touchdown-Run von Edwards. Baltimore führte 17:0 und schien das Spiel zu kontrollieren - dann fingen die Turnover an.
Ravens vs. Patriots: Lamar Jackson schwer zu stoppen
Doch wendete sich das Blatt in dieser Hinsicht nach der Halbzeitpause: Gleich beim ersten Drive marschierte New England auch mittels der No-Huddle-Offense - ehe die Ravens Edelman den Ball aus der Hand schlugen, Marlon Humphrey sich den Fumble schnappte und zum Touchdown zurücktrug!
Und es blieb ein äußerst unterhaltsames Spiel. New England antwortete nach dem Turnover prompt mit einem unheimlich präzisen, schnell gespielten Touchdown-Drive - während die Ravens anschließend ein 4th&4 erfolgreich ausspielten, statt ein 56-Yard-Field-Goal zu kicken, Jackson mit einem irren Play für ein 1st&Goal sorgte und kurz danach Nick Boyle zum weit offenen Touchdown fand.
Baltimore bekam das Spiel jetzt wieder besser in den Griff. Brady warf bei Third Down eine tiefe Interception zu Earl Thomas, als er seinen Receiver komplett überwarf und Baltimore antwortete mit einem weiteren langen Drive - einmal mehr begünstigt durch eine Patriots-Strafe, New England leistete sich untypische Strafen in kritischen Momenten. Wieder brachte Jackson die Ravens kurz vor die Endzone, dieses Mal erledigte er mit einem physischen Run mithilfe von Orlando Brown den Rest selbst.
Es war das Schlusswort unter einem eindrucksvollen Auftritt der Ravens-Offense.
Baltimore Ravens (6-2) - New England Patriots (8-1)
Ergebnis: 37:20 (10:0, 7:13, 7:7, 13:0) BOXSCORE
Ravens vs. Patriots - die wichtigsten Statistiken
- Als Baltimore im ersten Viertel mit 10:0 in Führung ging, war das für diese Saison eine historische Marke: Es war das erste Mal, dass die Patriots in der laufenden Spielzeit zweistellig in Rückstand geraten waren. Passend dazu: New England ging in das Spiel mit einer Defense, die im Schnitt 85 Rushing-Yards pro Spiel zuließ - die Ravens standen nach dem ersten Viertel bei 75.
- Nach Baltimores Touchdown im Schlussviertel hatten die Ravens abermals eine 10-Punkte-Führung, die sie dann auch nicht mehr hergaben. In diesem Zusammenhang gab es eine weitere Bestmarke: Der 14-Play-Drive über 81 Yards und 8:09 Minuten zum ersten offensiven Ravens-Touchdown in der zweiten Hälfte war der längste Drive in puncto Plays, Yards und Ballbesitz-Zeit gegen die Patriots in dieser Saison.
- Lamar Jackson beendete das Spiel mit 63 Rushing-Yards (ohne Kneeldowns) und zwei Rushing-Touchdowns. Er ist der erste Quarterback mit mehreren Rushing-Touchdowns in einem Spiel gegen die Patriots seit Tim Tebow 2011. Mark Ingram stand am Ende bei 116 Yards bei 15 Runs.
- Aufseiten der Patriots waren Julian Edelman und Mohamed Sanu die treibende Kraft der Offense. Beide fingen zehn Bälle, Edelman für 89, Sanu für 81 Yards und einen Touchdown. Am Ende hatte der jüngst erst verpflichtete Sanu sogar mehr Targets erhalten (14) als Edelman (11). Kein anderer Patriots-Spieler kam auf über fünf Targets.
- Ryan Tannehill und die Dolphins gewannen 2013 gegen New England - damit war er laut Pro Football Reference bis heute der letzte Quarterback, der in seiner ersten oder zweiten NFL-Saison zuhause (!) gegen die Patriots gewinnen konnte.
Der Star des Spiels: Lamar Jackson, QB, Ravens
Lamar Jackson ist ein einzigartiger Spieler. Er ist der beste Athlet auf dem Feld, und die Ravens haben es geschafft, darum eine effiziente Offense zu gestalten - ohne Jackson zum reinen Runner zu machen. Auch gegen die Patriots hatte er mehrere kritische Plays durch die Luft, während er gleichzeitig einmal mehr ein immenser Faktor im Run Game war und sorgte auch diese Woche für die Highlight-Plays. Jackson ist nicht nur eine wöchentliche Show, er ist die Identität der Ravens-Offense und konnte das auch gegen die starke Patriots-Defense unter Beweis stellen.
Der Flop des Spiels: New Englands Linebacker
Viel wird über die Secondary der Patriots geschrieben, und das zurecht - doch sind es zu einem ordentlichen Grad auch die Linebacker, die diese Patriots so gefährlich machen. Hightower, Collins, Van Noy und Co. machen die Front flexibel und schwer ausrechenbar. Gegen die Ravens wirkten sie zum ersten Mal in dieser Saison teilweise überfordert; überfordert mit Jacksons Speed, doch konnte New England hier auch nicht die Pässe zu den Tight Ends und Running Backs stoppen.
Analyse: Ravens vs. Patriots - die Taktiktafel
- Es war das erwartet spannende Schachspiel - auf beiden Seiten des Balls. Die Ravens hatten früh Erfolg mit diversen Blitz-Paketen; Baltimore brachte Linebacker, Cornerbacks und Safeties aus allen Richtungen und Eben - inklusive Earl Thomas, der kaum einmal in dieser Rolle eingesetzt wird. Mehrfach erwischten sie die Pats damit.
- New England brauchte eine Weile, hatte dann aber mehr und mehr Erfolg mit einem mörderischen Tempo in der No-Huddle-Offense, was Baltimores Defense immer wieder eindimensionaler machte. Die Ravens konnten weniger wechseln, sie wurden leichter zu lesen und im Laufe eines Drives auch merklich müder. Baltimores anfangs aggressiver, giftiger Pass-Rush wurde mehr und mehr abgemeldet.
- Defensiv derweil stellte New England in der Front nach einem mehr als löchrigen Start ebenfalls um, die Patriots gingen auf mehr 4-3-Looks und attackierten so in der Defensive Line mehr, statt zu reagieren und hatten dahinter drei Verteidiger, um mehr Raum abzudecken. Die Patriots-Front kontrollierte so die Edges auch phasenweise besser.
- Baltimore derweil gelang es mehrfach, aus der Pistol-Formation im Run Game für Gefahr zu sorgen. Belichick hatte im Vorfeld der Partie ausdrücklich vor der Pistol gewarnt, welche die Ravens häufiger nutzen als jedes andere Team in der NFL. Dennoch konnten die Ravens auch gegen die Patriots so effiziente Runs aufziehen.