Kyler Murray: Für MLB ein PR-Coup
Für die MLB wäre Murray indes vor allem aus PR-Sicht ein Coup. Nicht nur hätte man damit der NFL einen Top-Athleten und Heisman-Trophy-Gewinner abgejagt, man hätte auch einen namhaften Afroamerikaner in seinen Reihen. In Zeiten, in denen der Anteil an afroamerikanischen Spielern immer mehr abnimmt, wäre Murray ein Signal an den Nachwuchs. Und eventuell auch an junge Fans, die sich dieser Tage eher zur NBA hinbewegen.
Doch was macht Murray eigentlich aus? Welch eine Art Spieler ist er und was können NFL-Teams erwarten?
Was bei Murray heraussticht, ist seine Athletik. Im Baseball war er Shortstop und nun Center Fielder - die zwei anspruchsvollsten Positionen, die in der Regel von den Top-Athleten bekleidet werden. Entsprechend schnell und beweglich ist Murray auch auf dem Footballfeld. Und er hat einen starken Arm, der es ihm erlaubt, seine Pässe in engste Fenster zu werfen.
Jedenfalls theoretisch, denn Scouts werden anmerken, dass er diese Fähigkeit bisher noch nicht wirklich unter Beweis gestellt hat. Für gewöhnlich warf er bei den Sooners immer nur in Open Space. Doch er wirft grundsätzlich präzise, gerade auch in Short Zones, die das Quick Passing Scheme der Sooners ausmachen.
Auch zeigt er guten Touch mit seinen Deep Balls und weist hohe Football-Intelligenz auf. In chaotischen Spielsituationen trifft er meist die richtigen Entscheidungen und leistet sich wenige Turnovers.
Oklahoma Sooners: Spielsystem begünstigt Quarterback
Allerdings wird dies alles dadurch begünstigt, dass eben das System von Head Coach Lincoln Riley ihm das Spiel auch leicht macht. Durch Pre-Snap Motion, Run Pass Options, Play Action und Screens sind konstant Receiver offen, die Chancen auf Fehler werden somit minimiert - es ist in dieser Hinsicht die gleiche Debatte wie bei Mayfield im Vorjahr.
Seine Mobilität wiederum hilft ihm, Spielzüge zu verlängern und seinen Receivern noch mehr Zeit zu erkaufen, frei zu kommen. Und: Mit seinem Speed ist er selbst eine gefährliche Waffe und gepaart mit seinem Arm eigentlich immer in der Lage, Big Plays auf verschiedene Weisen zu produzieren.
Ein nicht zu verachtender Kritikpunkt ist jedoch, dass er noch zu sehr zum Lauf neigt, wenn sein erster Read nicht da ist oder Pressure kommt. Sein Instinkt ist es, dann die Pocket zu verlassen. Er geht nicht durch seine Progressions, wie das in der NFL eigentlich Usus ist. Zudem hat er die Kunst, Pässe dahin zu werfen, wo nur seine Receiver sie fangen können, noch nicht gemeistert. Er ist eher der Typ, der einen Receiver sieht und ihm dann den Ball zuwirft.
Und: er ist mit seinen 1,78 Meter Körpergröße, die wohl auch noch recht optimistisch gemessen sind, für Quarterback-Verhältnisse sehr klein. Selbst Drew Brees ist mit 1,83 Metern größer.
Kyler Murray zu klein für die NFL?
Das sorgt für mehrere Bedenken bezüglich der NFL: Rein praktisch gesehen könnte es ihm schwerfallen, über die eigene Offensive Line zu schauen, um das Feld zu scannen. Und dann suggeriert seine Statur gepaart mit seiner Tendenz, viel selbst zu laufen, eine erhöhte Verletzungsgefahr.
Stellt sich also die Frage, welches Team Interesse an ihm hätte, speziell in der ersten Runde.
Die allgemeine Meinung ist, dass - Trades mal außen vor - frühestens die Giants an Position 6 einen QB ziehen werden. Doch die dürften wenn dann eher Dwayne Haskins (Ohio State) wählen, der sicherlich am weitesten von allen in dieser Draftklasse ist.
Danach kommen gleich die Jaguars infrage. Hier allerdings sind Zweifel angebracht, denn ob Tom Coughlin unbedingt einen kleinen, mobilen QB in seinem Team haben will, muss doch hinterfragt werden. Es folgen die Broncos an 10, bei denen John Elway aber wohl den traditionellen Typ Quarterback bevorzugen dürfte.
Miami an Position 13 wäre eine Möglichkeit, denn die trennen sich bekanntlich von Ryan Tannehill. Hier allerdings gibt es auch schon Gerüchte, in diesem Jahr zu warten und dann nächstes Jahr für einen Tua Tagovailoa oder Justin Herbert in Position zu sein.
Washington Redskins als möglicher Fit für Kyler Murray
Blieben also die Washington Redskins - an Position 15! Diese brauchen wohl zwangsläufig einen neuen QB, schon deshalb, weil der Status von Alex Smith absolut offen ist. Murray würde vermutlich sogar in die aktuelle Offensiv-Philosophie des Teams passen. Smith ist auch eher der mobilere QB, ebenso ein Colt McCoy oder Josh Johnson, die als Plan B und C die Saison 2018 zu Ende gebracht haben. Murray könnte hier sicherlich der richtige Fit sein.
Am Ende des Tages jedoch befindet sich Murray in einer einzigartigen Situation. Er muss nicht Football spielen, könnte genauso gut ins Rookie-Ball-Team der A's gehen und den Schläger schwingen.
Ein Szenario, dass man potenziellen Interessenten in der NFL sicherlich nicht vorenthalten wird. Heißt: Wer Murray will, sollte ihn - und das ist reine Spekulation - nach Möglichkeit möglichst hoch draften. Und das entsprechende Team sollte sich ziemlich sicher sein, was Murrays Absichten angeht.
Auch möglich: Eine klare Ansage an Teams, wo er denn gedenkt zu spielen. Sprich: Im Prinzip könnte sich Murray aufgrund dieser Situation gewissermaßen sein Team aussuchen. Zieht ihn ein unerwünschtes Team, spielt er eben Baseball.
Murray hat sein Schicksal selbst in der Hand. Er wird das tun, was für ihn das Beste ist. Doch was das ist, weiß nur er selbst. Es sollte ein faszinierendes Frühjahr werden.