Die Philadelphia Eagles fahren ihre letzte Angriffsserie, doch nach einem Punt beginnen sie tief in der eigenen Red Zone. Und von dort kommen sie nicht weit - den Schlusspunkt setzt schließlich Patriots-Safety Rodney Harrison, der mit seiner Interception gegen Quarterback Donovan McNabb den Deckel draufmacht.
Während die Spieler des Siegers die Jubelarien beginnen, sieht man an der Seitenlinie drei Männer in inniger Umarmung. Sie wissen, es ist vorbei. Das Ende einer Ära ist erreicht. Dies war ihr letztes Spiel zusammen. Bill Belichick würde Head Coach der Patriots bleiben, doch Defensive Coordinator Romeo Crennel und Offensive Coordinator Charlie Weis gingen ihrer eigenen Wege - nach Cleveland beziehungsweise Notre Dame.
Schaut man sich die diesjährigen Patriots an, so bleiben einem Parallelen zu jenem Super Bowl im Jahr 2005 nicht verborgen. Damals wie heute stehen die Patriots zum dritten Mal in vier Jahren im Super Bowl und können gegen die Eagles ihren Titel verteidigen. Und genau wie damals steht bereits fest - wenn auch nicht offiziell -, dass sich Belichick nach dem Sonntag nach neuen Coordinators wird umsehen müssen: Offensive Coordinator Josh McDaniels übernimmt die Indianapolis Colts, Defensive Coordinator Matt Patricia wird neuer Head Coach der Detroit Lions.
Im Wissen dessen herrscht zwar keine Endzeitstimmung. Aber eine gewisse Nostalgie kommt schon auf, wenn man sich das nähere Umfeld New Englands anschaut. Das Bewusstsein, dass hier eine Ära zu Ende geht, lässt sich nicht von der Hand weisen.
Patriots: Bradys Frau wollte ihn zum Rücktritt bewegen
Wer ehrlich ist, wird aber auch eingestehen, dass dieses Gefühl vom nahenden Ende bereits seit dem letzten Super Bowl vorherrscht. Schon damals sprach zumindest Bradys Frau, Supermodel Giselle Bündchen, offen von einem Rücktritt ihres Gatten. Wie Brady-Kumpel und Ex-NFL-Kicker Jay Feely kürzlich der Sports Illustrated verriet, versuchte Bündchen sogar, Feely dazu zu bringen, Brady zum Rücktritt zu bewegen. "Sie meinte es total ernst", wird Feely zitiert.
Auch Brady selbst sprach den Wunsch seiner Frau nach dem Triumph in Houston an: "Wenn es nach meiner Frau ginge, würde ich noch heute zurücktreten. Sie sagte mir das gestern Abend drei Mal." Die Antwort des Rekord-Super-Bowl-Siegers aber war: "Zu schade, Babe! Ich habe zurzeit einfach zu viel Spaß."
Und dennoch scheint man sich bei den Patriots schon in der vergangenen Offseason darüber bewusst gewesen zu sein, dass selbst für den schier unendlichen Brady ein Ende zumindest mal in Sichtweite sei. Anders ist die für Patriots-Verhältnisse ungewohnte Transfer-Offensive nicht zu erklären.
Sie gingen aufs Ganze, holten mit Cooks einen neuen Deep-Threat-Receiver, verstärkten das Laufspiel mit Rex Burkhead und Mike Gillislee, holten Dwayne Allen als Gronkowski-Backup und schlugen defensiv mit Cornerback Stephon Gilmore auch im großen Stil zu. Die Idee war klar: Nochmal richtig in die Vollen gehen und Bradys verbleibende Zeit so effektiv wie möglich zu nutzen.
Patriots: Personeller Umbruch droht
Vergleicht man die aktuelle Situation mit der von 2005, dann fällt auf, dass der Übergang zur kommenden Spielzeit aber womöglich sogar härter wird als damals. Damals folgte auf eine 14-2-Saison eine mit nur noch zehn Siegen - die zweitwenigsten in der Belichick-Brady-Ära. Der Abgang der Coordinators hinterließ einen bleibenden Eindruck, zumal New England gar ohne OC in die Saison gegangen war - Quarterbacks-Coach McDaniels übernahm den Job erst 2006 in Vollzeit. Defensiv hingegen war der Leistungseinbruch dank Eric Mangini nicht ganz so gravierend.
Kein sonderlich großer Faktor waren dabei die Spieler selbst, der Kader hatte sich nicht merklich verschlechtert. Mit Logan Mankins kam per Draft sogar der Left Guard für die kommende Dekade. In diesem Jahr hingegen wird sich voraussichtlich nicht nur auf Coaching-Seite einiges ändern. Während Linebackers Coach Brian Flores als klarer Favorit auf den Defensiv-Posten gilt, ist offensiv noch keine Lösung in Sicht.
Auch eine Reihe von wichtigen Spielern werden Free Agents. Es drohen in erster Linie die Abgänge von Super-Bowl-XLIX-Held Malcolm Butler sowie Running Back Dion Lewis. Beide dürften auf dem freien Markt begehrt sein und anderswo finanziell deutlich bessergestellt werden als die Patriots es bieten können - und wollen. Zudem könnte auch Left Tackle Nate Solder ein möglicher Abgang sein.
Hinzu kommen mögliche Cuts von Spielern, die den Cap zu sehr belasten. Insgesamt könnten wir also im September ein Patriots-Team sehen, das ein gänzlich neues Gesicht haben wird. Also fast, denn wenn nicht unbedingt die Hölle zufriert, dann werden zumindest die zwei Hauptcharaktere, die diese einmalige Erfolgsgeschichte begonnen und durchweg geprägt haben, zurückkehren.
Tom Brady will noch mindestens bis Mitte 40 spielen - er wird 41 zum Saisonstart sein. Und nach dem Garoppolo-Trade besteht auch kein Restzweifel mehr an der Fortführung der Karriere. Und Bill Belichick, dann 66, ließ lediglich einst verlauten, dass er in seinen 70ern nicht mehr gedenkt zu coachen. Diese sind noch ein paar Jährchen entfernt, doch Fragen über seinen möglichen Abschied im Fall des Super Bowl Siegs werden aufkommen - nicht zuletzt nach den, von Team-Seite aus dementierten, Berichten über vermeintliche interne Streitigkeiten.
Patriots: Tom Brady darf man nie abschreiben
Und so ist anzunehmen, dass für die beiden ein holpriger Weg ansteht. Neue Leute müssen auf allen Ebenen gefunden und integriert werden. Doch mit den zwei erfahrenen wie erfolgreichen Stützpfeilern muss das Ende der Fahnenstange auch nach dem anstehenden Aderlass nicht erreicht sein.
Die größten Herausforderungen für beide stehen indes schon fest. Für Brady gilt es, den Kampf gegen die Zeit weiter zu dominieren. Und wenn wir eines gelernt haben, dann, dass man Tom Brady nie abschreiben darf.
Für Belichick ist es der nächste Neuaufbau. Und die Suche nach dem nächsten Quarterback der Zukunft. Nicht wenige behaupten, dass es Belichicks ultimatives Ziel ist, die Franchise auf solide Beine für die Zukunft ohne ihn zu stellen - wie es mit Garoppolo der Fall gewesen wäre. Ein neuer Franchise-Quarterback nach Brady ist dazu der Schlüssel. Spielt Brady tatsächlich noch bis 45, hätte er noch vier Jahre Zeit, diesen zu finden.
Bevor diese im Moment noch fernen Ziele angegangen werden, gilt es für die Köpfe der aktuellen Patriots-Ära aber noch einmal, alles zu mobilisieren, um Geschichte zu wiederholen. Vielleicht sogar mit einer innigen Dreier-Umarmung im Konfetti-Regen des Super Bowls.