NFL

"Verrückt und ziemlich cool"

Im zweiten London-Spiel der Saison treffen die Miami Dolphins auf die New Orleans Saints
© getty

Die Miami Dolphins treffen am Sonntag in London auf die New Orleans Saints - und für einen Spieler ist es eine ganz besondere Partie: Jay Ajayi ist gebürtiger Londoner und blickt voller Vorfreude auf sein erstes Spiel vor den Landsleuten. Dabei wird seine Rolle auch rein sportlich mehr als wichtig, das Spiel gibt es am Sonntag (15.30 Uhr) live auf DAZN zu sehen.

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Man sah förmlich, wie seine Augen leuchteten, als Jay Ajayi nach der ersten richtigen Trainingseinheit auf englischem Boden - stilecht mit Nieselregen - auf seine London-Premiere angesprochen wurde. "Meine drei kleinsten Geschwister waren noch nie in London, sie wurden alle in den USA geboren. Meine Eltern werden da sein, meine Familie wird zuschauen. Und es ist in London!", sprudelte es aus Miamis Running Back, der sich das Grinsen schon bald nicht mehr verkneifen konnte.

Er wisse die Chance, in seiner Geburtsstadt und seinem Heimatland zu spielen, "definitiv zu schätzen. Gleichzeitig werde ich nicht zulassen, dass mich das von meinem Ziel abbringt - ich will gewinnen und gut spielen. Aber ich werde die Erfahrung definitiv genießen, ich werde genießen, was hier passiert. Denn wenn ich ehrlich bin, ist das auch für mich etwas Seltenes. Jetzt hier zu sein ist verrückt und ziemlich cool, und ich werde es genießen."

Erst wenige Stunden vorher waren die Dolphins in London gelandet, nach kurzem Aufenthalt im Hotel ging es direkt auf den Trainingsplatz. Und Ajayi stand dabei stets im Fokus: Ob er sich an der Seitenlinie fernab vom Geschehen dehnte oder bei den lockeren Walkthrough-Übungen einige Runs abspulte - die Kameras waren auf ihn gerichtet, er war der Mittelpunkt des Geschehens.

Ajayi, den nach wie vor eine leichte Knie-Blessur plagt, posierte anschließend mit ausgewählten Fans, das Interesse an ihm war nach der Trainingseinheit mit Abstand am größten.

Für einige kurze Momente schwappte die Euphorie auch auf andere Spieler über, Receiver Jarvis Landry etwa sagte nach der Trainingseinheit: "Diese internationalen Spiele werden immer größer und die Unterstützung der Fans vor allem hier in England ist überragend. Da freuen wir uns sehr drauf, hoffentlich können unsere Fans im Stadion den Ton angeben."

Landry und Gase fordern Konzentration

Gleichzeitig aber war auch ein anderes Thema omnipräsent: Die allgegenwärtige Ablenkung, die das London-Spiel mit sich bringt, muss ausgeblendet werden. "Den Saints ist es egal, wie weit wir schon herumgereist sind und ob wir noch eine Bye Week im weiteren Saisonverlauf haben. Wir dürfen uns nicht selbst leid tun, wir müssen ein Spiel gewinnen. Dafür sind wir hergekommen", brachte es Landry auf den Punkt.

Head Coach Adam Gase erklärte gegenüber SPOXnüchtern: "Die Situation ist eben so, da kann man ja nichts dran ändern. Für uns geht es darum, auf dieses Spiel richtig vorbereitet zu sein. Darauf konzentrieren sich unsere Jungs, und sie lassen uns den Rest erledigen."

Den Rest erledigen - das bedeutet im Fall der Dolphins auch, den bitteren Geschmack der Pleite gegen die New York Jets möglichst schnell aus dem Mund zu bekommen. "Defensiv wollen wir einige Fehler bereinigen. Offensiv müssen wir einfach besser ins Spiel rein finden, als das letzte Woche der Fall war. Wir hatten so einen langsamen Start und kamen dann ins Schleudern, das war für uns einfach nicht ideal. Wir haben nicht gut gespielt, da gibt es keine Entschuldigung für", mahnte Gase im Gespräch mit SPOX weiter.

Ganz konkret hieß das unter anderem, dass das Run Game gegen die Jets überhaupt nicht ins Rollen kam. Das deckte die Abhängigkeit der Offense von Ajayi gnadenlos auf: Miami braucht ein starkes Run Game, andernfalls können Defenses die Defizite von Jay Cutler zu einfach aufdecken. Und auch die Saints haben etwa gegen Carolina gezeigt, dass sie ihren Pass-Rush aufdrehen können.

Ajayi und Marshawn Lynch Kopf an Kopf

Die gute Nachricht für alle Dolphins-Fans: Ajayi, der mit seiner Familie im Alter von sieben Jahren von England nach Maryland zog und schließlich in Texas seine Begeisterung für Football entdeckte, kann auch Line-Probleme überspielen. Ein durchbrochenes Tackle alle 4,3 Touches - nach Week 3 gemeinsam mit Marshawn Lynch der viertbeste Wert.

Und doch geht der Blick bei den Dolphins unweigerlich auf das Gesamtbild. Durch den Hurrikan und die damit verbundene Spielverschiebung weg aus Week 1 hat Miami in dieser Saison keine Bye Week mehr. Derweil warten nach dem London-Spiel die Titans und Atlanta auf die Dolphins, gefolgt vom zweiten Duell mit den Jets. Anders gesagt: In drei Wochen wird man um ein Vielfaches schlauer sein, was Miamis Team wirklich zu bieten hat.

Das beginnt mit dem Duell gegen New Orleans das für Miami schon eine mögliche erste Weichenstellung bedeutet. Wie schlägt sich die Secondary gegen die einmal mehr starke Passing-Offense? Kann Miami über Ajayi Spiel und Uhr kontrollieren?

Eventuell, dieser Eindruck wird indes immer stärker, werden Fans in England schon bald noch mehr Spiele zu sehen bekommen. Nachdem NFL-Vizepräsident Mark Waller bereits in der Vorwoche ungewohnt aggressiv angekündigt hatte, dass ein fixes Team in London "in vier bis fünf Jahren machbar" sei, war sich am Freitag auch Ajayi sicher: "Die Fans sind da, die Spiele sind ausverkauft. Das ist ein wichtiger Part. Ich denke London würde, sollte eine neue Stadt für ein NFL-Team gesucht werden, alles geben und ein Football-Team hier akzeptieren."

Dolphins vs. Saints - Preview im Kurzformat:

Miami Dolphins (1-1) - New Orleans Saints (1-2) (So., 15.30 Uhr live auf DAZN)

  • Die Dolphins sollten ihre Blitz-Pakete mit Bedacht nutzen: Carolina blitzte Brees bei elf seiner 30 Dropbacks - und konnten ihn dennoch nur bei 16,7 Prozent seiner Würfe unter Druck setzen, der ligaweit zweitniedrigste Wert. Gegen den Blitz lieferte Brees zudem diese Stat-Line ab: 9/10, 117 YDS, TD.
  • Offensiv steht New Orleans schon wieder bei 7,8 Yards pro Pass und hat die viertmeisten Passing-Touchdowns auf dem Konto, während Brees noch keine Interception geworfen hat. Dabei half es, Michael Thomas verstärkt underneath einzusetzen.
  • Auf der anderen Seite des Balls kehrten die Saints gegen die Panthers wieder zu ihrer bekannten Formel zurück: Bei 16 von 38 Pass Plays gab es einen Blitz, macht eine Blitz-Quote von 42,1 Prozent - und damit zwölf Prozent mehr als der Liga-Durchschnitt.
  • Diese Vorgehensweise könnte sich gegen die Dolphins lohnen. Jay Cutler hat über seine beiden Spiele ein Passer Rating von 62,5 gegen Pressure (Rang 22) sowie eines von 72,3 (Rang 27) gegen den Blitz. Die Dolphins haben in zwei Saisonspielen schon 20 QB-Hurries zugelassen - New Orleans über drei Spiele nur derer zwölf.
  • Derweil klingen die Defensiv-Statistiken der ersten Wochen ebenfalls schon wieder vertraut - und das nicht im guten Sinne. Die Saints lassen nach drei Spielen schon wieder die meisten Yards pro gegnerischem Pass zu - gemeinsam mit ausgerechnet den Dolphins.
  • Großer Schwachpunkt in der Saints-Defense war der zuletzt bereits auf die Bank verbannte Kenny Vaccaro. Vaccaro hat mehr Receptions (12) und Yards (166) zugelassen als irgendein anderer Safety in der laufenden Saison. Dazu kommen laut Pro Football Focus vier Missed Tackles.
  • Dabei hat New Orleans auch Probleme in der Run-Defense: 4,6 Yards pro gegnerischer Run, siebthöchster Wert. Hier sah Miami über seine beiden Spiele (3,1 Y/R) deutlich besser aus
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