Die New England Patriots haben ein Problem
Die deutliche Auftaktpleite der Patriots gegen Kansas City war vielleicht die größte Überraschung in Week 1. Dabei war New Englands Offense zwar nicht gut, aber auch nicht das Problem. Das Problem war die eigene Defense und dabei vor allem die Front Seven, schon vor der Saison als die eine große Schwachstelle des Titelverteidigers ausgemacht. 539 Yards und 42 Punkte für den Gegner, beides Höchstwerte für die Pats in der Belichick-Ära.
Einerseits gab es quasi keinen Pass-Rush auf Alex Smith, der für seine Verhältnisse absurde 10,4 Yards pro Passversuch verzeichnete und New England mit langen Pässen auseinander nahm. Fast noch eklatanter aber waren die Lücken in der Run-Defense. New England spielt grundsätzlich viel Nickel- und Dime-Defense, stellte also mehr Safeties und Cornerbacks statt Linebacker auf. Angesichts des dünnen Linebacker-Corps in dieser Saison wohl noch wichtiger. Das sorgt für leichtere Fronts, macht die Defense aber Run-anfällig, wenn die Defensive Line die Edges nicht sichern kann.
Das erklärt, weshalb Dont'a Hightower als Edge-Defender eingesetzt wurde - er kann das leisten. Fällt er aber aus oder laufen Offenses absichtlich nicht in seine Richtung, könnte das zum Problem werden. Gelingt der Edge-Contain nämlich nicht, werden Runs ins zweite Level der Defense getragen, wo sie auf Defensive Backs anstatt auf Linebacker treffen. Kein Matchup, das Defenses normalerweise anstreben.
Die Patriots haben einen großen Aderlass in der Front erfahren, sei es durch Ninkovichs Rücktritt, Rivers' Verletzung oder die Tatsache, dass das Experiment mit Kony Ealy doch schnell gescheitert ist. Lawrence Guy, Cassius Marsh, Rookie Deatrich Wise - die individuelle Qualität ist einfach nicht so groß wie in vergangenen Jahren, eigentlich sticht nur Trey Flowers wirklich heraus.
New Englands Run-Defense war auch in den letzten Jahren nicht perfekt. 2014 ließen die Pats ligaweit die meisten gegnerischen First Downs über Runs bei Third oder Fourth Down und maximal zwei Yards zu, 2013 stoppte kein Team weniger gegnerische Runs an oder hinter der Line of Scrimmage als New England.
Trotzdem war es dabei nie leicht, gegen eine Belichick-Defense zu laufen: Nur Baltimore hat seit 2001 weniger Runs von mindestens 20 Yards zugelassen als die Patriots (107), zwischen 2012 und 2016 gehörte New England nur ein Mal zu den schlechtesten zehn Teams in puncto meiste zugelassene Yards pro Run (2013: 4,5 Yards pro Run). In den übrigen vier Jahren waren sie nie schlechter als Rang 18 (2015).
Das Spiel gegen die Chiefs sollte New England gezeigt haben, dass - zugegebenermaßen gegen eines der besseren Run Games in der NFL - das individuelle Talent in der Front Seven nicht ausreicht. Was New England aber hat, ist eine äußerst talentierte Secondary mit zwei sehr guten Cover-Cornerbacks und einem Top-Free-Safety dazwischen.
Meine Schlussfolgerung? Die Patriots sollten eine aggressivere Defense aufziehen, insbesondere was Blitzing angeht.
In der vergangenen Saison hatten die Pats die sechstniedrigste Blitz-Quote (21 Prozent) und spielten gegen den Pass häufiger einen 3-Men-Rush als irgendein anderes Team (24 Prozent). Wenn es dann einen Blitz gab, dann war der meistens nicht gut: Die Pressure-Rate von 28,2 Prozent bei Blitzing war die zweitschlechteste in der NFL. Ich denke, Belichick täte gut daran, die aus den leichteren Fronts umgekehrt resultierende Athletik und Vielseitigkeit in dieser Saison zu mehr kreativen Blitz-Paketen zu nutzen. In jedem Fall bin ich sehr auf seine Reaktion gespannt.
Overreaction Monday: Bears, Texans, Vikings und Co.
Gleichzeitig führt die Patriots-Analyse unweigerlich auch zum Overreaction Monday, zu dem es natürlich auch Fragen gab. Eine kleine Übersicht, wie ich Week 1 sehe - und man muss Week 1 immer sehr vorsichtig betrachten:
- Ja, die Offensive Line der Texans ist wirklich so schlecht und ich glaube nicht, dass Houston damit eine ernsthafte Playoff-Chance hat. Trotz der AFC South. Die D-Line wird sich fangen, vor der O-Line hatte ich schon die letzten Wochen über gewarnt. Und selbst jetzt scheint eine Einigung mit Left Tackle Duane Brown nicht in Sicht. Watson, Miller und Co. werden hier wenig Spaß haben.
- Die Chicago Bears könnten das beste Running-Back-Duo in der NFL aufbieten. Tarik Cohen war vor dem Draft für viele Experten ein absoluter Lieblingsspieler, gegen Atlanta zeigte er, warum. Seine enorme Explosivität in Kombination mit Jordan Howard gibt den Bears einen beachtlichen 1-2-Punch, der die wacklige Quarterback-Situation entlasten wird.
- Gute Nachrichten, Vikings-Fans: Ich glaube, dieser erste sehr gute Auftritt der Offensive Line war kein One-Hit-Wonder. Pat Elflein wird die Mitte stabilisieren, beide Tackles hatten absolut beeindruckende Vorstellungen gegen die Saints. Unter diesen Voraussetzungen und mit Dalvin Cook als neuem Workhorse im Backfield muss man Minnesota angesichts der Defense mindestens zum engen Playoff-Kreis zählen.
- Noch keine Sorgen mache ich mir bei der Browns-Line, die gegen Pittsburgh überhaupt keinen guten Tag hatte. Diese Unit ist sehr gut besetzt und ich bin zuversichtlich, dass sie sich noch finden wird.
- Drei Fronts, die einen sehr guten Tag hatten und das denke ich auch über die ganze Saison bestätigen werden: die Eagles, die Seahawks und die Ravens. Alle drei durfte man vor der Saison hoch einschätzen, alle drei hatten eine großartige Week 1.
- Einige Aspekte, denen ich noch nicht traue: Detroits Pass-Rush (Arizonas O-Line war ein Desaster, auf mehreren Positionen), der Rams-Defense, zumindest auf dem Level, auf dem sie am Sonntag war (ja, Scott Tolzien war so schlecht), Green Bays Pass-Rush (Mike Daniels ist ein toller Spieler, die Seahawks-Line aber kein Maßstab) und Cam Newton. Trotz des 23:3-Sieges über San Francisco hatte Newton überhaupt kein gutes Spiel, von riesigen Ungenauigkeiten bis hin zu seiner Interception in Double Coverage.