Viele Teams vertrauen auf gute Drafts, Free Agency und vereinzelte Trades, wenn es darum geht, einen Kader für jetzt und für die Zukunft aufzubauen. Die New England Patriots, gewissermaßen die am längsten andauernde Dynasty in der Geschichte der NFL, gehen jedoch schon fast traditionell auch einen Schritt weiter.
Sei es ein Sechstrundenpick, der mittlerweile zum größten Quarterback aller Zeiten aufgestiegen ist. Oder ein Siebtrundenpick, der seit Jahren der Top-Receiver des Teams ist. Oder wie wäre es mit einem Super-Bowl-Helden, der nicht mal gedraftet wurde? Die Patriots unter Bill Belichick finden gerne mal Spieler an Orten - oder in Situationen - auf die sonst keiner schaut.
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In diesen Tagen versuchen sie mal wieder etwas ganz Neues und testeten einen Kicker, der weder auf dem College, noch irgendwo professionell (Outdoor-)Football gespielt hat. Josh Gable heißt der Mann, der in den Fokus des fünfmaligen Super-Bowl-Champions gerutscht ist. Der 26-Jährige ist gerade in der Indoor Football League - ja, so etwas gibt es wirklich - für die Nebraska Danger aktiv.
Doch seine dortigen Leistungen waren wohl nicht der Grund, warum ihn die Patriots ins kürzlich abgehaltene Rookie-Camp eingeladen haben. 29 von 80 Field Goals versenkte er, dazu 104 von 131 Extrapunkten - auf den ersten Blick eher überschaubar.
Special Teamer of the Week
Allerdings sind die Uprights in der Halle deutlich schmaler als in der NFL, was die Sache etwas relativiert. Zudem gelangen Gable Ende März mal zwei Field Goals und sieben von sieben Extrapunkten in einem Spiel, was ihn zum IFL Special Teams Player of the Week machte.
Aber diese Leistungen sind nicht der Punkt. Vielmehr geht es wohl darum, was für Power er in seinem Bein - oder seinen Beinen vielmehr - hat. In diversen Videos, die er über Social Media verbreitete, demonstriert der 26-Jährige, dass er selbst Field Goals aus 80 Yards versenken kann - mehrfach sogar.
In der Spring League, dieser unabhängigen Schaufenster-Liga, an der von der NFL und CFL übersehene oder ignorierte Spieler teilnehmen und in der auch große Namen wie Greg Hardy oder Ahmad Bradshaw anzutreffen waren, wusste Gable zu überzeugen. Wie sein Agent Brad Berkowitz erklärte, traf sein Klient dabei konstant aus 60 Yards und mehr.
Und dann wären da noch seine Trick-Shots - in diversen Videos trifft er konstant die Uprights oder hämmert Drop-Kicks durch die Stangen. Besonders beeindruckend erscheint zudem, dass er mit beiden Füßen lange Field Goals kicken kann.
Patriots-Interesse "ziemlich beeindruckend"
Was ihm das letztlich auf dem Football-Feld, und mit Gegnern auf dem Platz, bringt, bleibt abzuwarten. Doch einen Blick auf ihn werfen wollten die Patriots schon. Andere Teams sollen auch Interesse angemeldet haben, sagt Berkowitz. Aber: "Dass die Patriots ein Auge auf den Burschen werfen wollen, das ist ziemlich beeindruckend", so der Agent, der nach eigener Aussage immer wieder Rohdiamanten auftut.
Gable selbst hält sich mit verbalen Statements erstmal zurück und will sich erst nach dem Patriots-Camp der Presse stellen. Berkowitz aber ließ wissen: "Er ist geschockt. Er dachte sich: 'Oh mein Gott. Ich hätte nie gedacht, dass dies passieren würde.'"
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Zum jetzigen Zeitpunkt ist es freilich nur eine Randnotiz, schließlich sagt ein Tryout noch rein gar nichts aus. Und rein sportlich betrachtet ist es nahezu unmöglich, dass ein Nobody wie Gable den in New England mittlerweile zum Inventar gehörenden Stephen Gostkowski im Camp ausstechen könnte. Aber wenn New England einen Spieler beobachtet und sogar in ein Minicamp einlädt, dann werden normalerweise auch andere Teams hellhörig.
Wer weiß, wenn es nicht bei den Patriots klappt, dann ja vielleicht bei einem anderen Team der NFL. Nicht jeder verfügt schließlich über einen etablierten und zuverlässigen Kicker. Und sollte der Sprung in die beste Liga der Welt tatsächlich gelingen, dann wäre Gable jemand mit einer äußerst ungewöhnlichen Vita.
Abstecher zum Fußball
In der High School in Nebraska schaffte er es schon in seiner Freshman-Saison ins All-State Second Team, als Sophomore sowie Senior gar ins All-State First Team. Und als Junior? Da setzte er mit Football aus, um mit dem US-Fußball-Nationalteam zu trainieren. Seinerzeit gehörte der dann 19-Jährige gar zur erweiterten Prospect-Liste des damaligen Nationaltrainers Bruce Arena.
Aufs College ging er nicht, stattdessen zog es ihn nach Europa. Hier wird seine Geschichte etwas vage, überliefert ist nur, dass er mehrere Jahre in Italien und Belgien gespielt hatte. Die Rede ist auch von einem Probetraining bei Lazio Rom - je nach Quelle soll dieses zu einem Vertrag geführt haben.
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2015 kam er jedenfalls zurück in die Staaten und zum Indoor Football. Er begann bei den Iowa Barnstormers und schloss sich danach den Nebraska Danger an, die näher an seiner Heimat spielen.
Wohin auch immer Gables Reise nun gehen mag, unterstreicht seine Geschichte doch zwei Dinge: Zum einen ist sie ein Beweis dafür, dass NFL-Teams und gerade New England immer wieder bereit dazu sind, über den Tellerrand hinauszuschauen und damit einen Vorteil zu erzielen - und sei es nur, um dem etablierten Stammkicker ein wenig Druck zu machen.
Zum anderen unterstreicht es, dass die NFL trotz all der Spezialisierung und Professionalität immer noch Raum lässt für interessante Feel-Good-Storys. Wie etwa von diesem potenziellen Quereinsteiger, der sicherlich auch anderen verkannten Talenten da draußen Hoffnung auf den ganz großen NFL-Traum machen kann.