Es ist der 13. Februar 2016, als Pat Narduzzi, Coach des Football-Teams der Pittsburgh Panthers, ein Video auf Twitter hochlädt. Es zeigt einen bulligen jungen Mann beim Training auf dem Football-Feld. Vor, zurück, links, rechts. Alles in höchsten Tempo. Über sein Gesicht spannt sich ein weißer Mundschutz. Der Mann ist James Conner. Er leidet unter dem Hodgkin-Syndrom. Krebs.
Die Ablenkung im Training stellt lediglich eine Ausnahme für ihn dar. Den Großteil seiner Zeit verbringt Conner im Krankenhaus, wo er die Chemotherapie über sich ergehen lassen muss. Täglich bekommt der damals 20-Jährige Infusionen gesetzt. Fast jedes Mal muss er sich übergeben. Den Mundschutz trägt er, weil sein Immunsystem der Luft nichts entgegensetzen kann. Die Frage, ob Conner jemals richtig aufs Football-Feld zurückkehren können wird, ist zu diesem Zeitpunkt nicht zu beantworten.
Erlebe den Draft Live auf DAZN. Hol Dir jetzt Deinen Gratismonat
Narduzzis Video verbreitet sich in Windeseile: Zahlreiche Fernsehsender zeigen die Bilder vom jungen Mann mit der Nummer 24, denn Conner ist nicht nur irgendein Football-Spieler. Er ist ein Superstar. Als Sophomore wurde er zum ACC Player of the Year und ACC Offensive Player of the Year gekürt. In einer Saison verzeichnete der Running Back 1.765 Rushing Yards und 26 Touchdowns. Nur drei Spieler im ganzen Land kamen auf mehr Scores - alle drei spielen heute in der NFL.
Die kommende Saison sollte das Jahr von James Conner werden. Als zweiter Spieler in der Geschichte Pittsburghs die Heisman Trophy zu gewinnen schien zumindest nicht unmöglich. Doch es kam alles ganz anders.Eine Verletzung als Lebensretter
Im zweiten Viertel des Eröffnungsspiels der Panthers gab Conners rechtes Bein nach. Der Star des Teams verließ das Feld und kehrte nicht mehr zurück. Am darauffolgenden Tag bewahrheiteten sich die schlimmsten Befürchtungen: Innenbandriss. Saisonaus. Für Conner war die Diagnose nicht weniger als ein Schock. Sein Traum vom Gewinn der Heisman Trophy löste sich in Luft auf, bevor er überhaupt begonnen hatte, real zu werden. Doch es war eben diese Verletzung, die ihm womöglich das Leben rettete.
Als Pittsburgh am 4. Dezember 2015 zu einer Pressekonferenz mit dem verletzten Conner einlud, rechneten Medien damit, dass der Running Back seine Teilnahme am NFL-Draft bekannt geben würde. Doch Conner verkündete etwas anderes. "Ich wurde mit dem Hodgin-Lymphon diagnostiziert. Das ist Krebs", erklärte er vor versammelter Medienlandschaft gefasst. Hätte er die vergangenen Wochen nicht verletzungsbedingt aussetzen müssen, hätte sein kranker Körper ernsthaften Schaden nehmen können.
"Ich habe gewählt, keine Angst zu haben"
Von diesem Moment an begann Conners Kampf gegen die Krankheit. "Ich hatte Angst", gab er auf der Pressekonferenz zu. "Doch Angst ist eine Wahl, die man hat. Ich habe gewählt, keine Angst zu haben. Wir werden den Krebs bekämpfen. Und wir werden ihn besiegen!"
Der Running Back ging seine Krankheit von Beginn an offensiv an. "Mein Doktor sagte mir, meine Heilungschancen lägen bei etwa 85 Prozent", erzählt er heute. "Das war mehr als genug für mich. 'Und wenn es zwei Prozent wären', sagte ich zu ihm, 'ich werde es schaffen!'"
Eric Berry, Safety der Kansas City Chiefs, der ein Jahr zuvor selbst mit dem Hodgkin-Syndrom diagnostiziert wurde, suchte den Kontakt zu Conner. "Deine äußerliche Erscheinung wird sich verändern", schrieb ihm Berry laut NFL.com, "doch lass das niemals das verändern, das dich und deine Person innerlich ausmacht!"
Eine Inspiration für andere
Conners Umgang mit dem Krebs ließ den Youngster für andere zum Vorbild werden. Als ihm im Krankenhaus ein Einzelzimmer angeboten wurde, lehnte er ab: "Ich wollte von niemandem isoliert werden. Ich bin nicht anders als sie", sagte er gegenüber der Sports Illustrated. "Er war für viele Patienten eine Inspiration. Er hat ihnen wirklich durch dunkle Zeiten geholfen", zeigte sich sein Arzt Dr. Stanley Marks imponiert. "Das hat mich wirklich an ihm beeindruckt. Ich hätte nicht gedacht, dass er sich so verhalten würde."
Fans berichten, dass Conner für sie tatsächlich zu einer Inspiration wurde. "Ich war schockiert, als ich die Bilder von ihm gesehen habe. Ich habe mir das Video immer und immer wieder angesehen und habe mich gefragt: "Wie macht dieses Kind das?", beschrieb eine Patientin bei Disney ihren eigenen Umgang mit dem Krebs. "Ihn diese Dinge tun zu sehen, das hat alles für mich verändert. Es hat mir gezeigt, wie Stärke aussieht."
Das SPOX-Panel zum Draft: "Vier Quarterbacks in der ersten Runde!"
Conner will heute mehr sein, als der Junge, der den Krebs besiegt hat. Doch die Unterstützung, die er erfahren hat, wird er nicht vergessen. "Das alles bedeutet mir mehr als das", sagt Conner gegenüber der Sports Illustrated, während er auf seine Sammlung von Football-Auszeichnungen deutet.
Als er im Dezember 2016 mit dem Disney Spirit Award ausgezeichnet wurde, konnte er bei seiner Dankesrede die Tränen kaum zurückhalten. "Da draußen kämpfen Menschen, die so etwas niemals bekommen werden. Sie gewinnen keine Preise, daher ist dieser Preis hier für uns alle!", rief er mit erstickter Stimme. "Wir sind beste Freunde. Jeder, der das durchmachen muss, was ich durchgemacht habe, hat einen Freund in mir."
Conner Strong
Am 23. Mai 2016 erhielt Conner endlich die Nachricht, für die er so lange gekämpft und auf die er so lange sehnsüchtig gewartet hatte: Sein Körper ist vollständig geheilt. Der Kampf gegen den Krebs ist gewonnen. Doch das reichte ihm noch nicht. Er wollte wieder die Nummer 24 tragen. Er wollte wieder Football spielen.
Doch selbst für ihn, der noch während seiner Behandlung auf dem Football-Feld trainierte so viel es ihm möglich war, war es ein harter Weg zurück. Die Chemotherapie hatte dem Modellathleten stark zugesetzt. Innerhalb von nur eines halben Jahres verdreifachte sich sein Körperfettanteil. Über Monate hinweg kämpfte sich Conner zu der Form zurück, die Amerika von ihm gewohnt war. Heute erinnern nur noch die Worte auf seinem Bizeps an den Kampf, den der Körper der Youngsters durchmachen musste: "Conner Strong".
Als er zu Beginn der Saison 2016 tatsächlich wieder als Teil des Panthers-Teams aufs Feld laufen durfte, sorgte das landesweit für Begeisterung. Selbst Sam Rogers, an diesem Tag ein Gegenspieler Conners, erklärte vor dem Eröffnungsspiel: "Auf dem selben Feld wie er zu stehen, wird großartig sein. Er ist eine Inspiration." Fans und Medien feierten das Comeback - nur einer zeigte sich trotz allem unzufrieden mit der Entwicklung: James Conner. "Ich war nicht richtig fit. Vielleicht bei 60 Prozent", blickt der 21-Jährige heute auf seine Verfassung zurück.
Doch selbst das konnte den Running Back nicht stoppen. Durch einen 28:7-Erfolg über Villanova verkam Conners Comeback endgültig zu einer märchenhaften Erfolgsgeschichte. Der 21-Jährige verbuchte 53 Rushing-Yards und erzielte selbst zwei Touchdowns. "Ich will keine Sympathien von irgendwem", erklärte er anschließend. "Ich will wieder ACC Player of the Year werden, aber ich will es nicht werden, weil ich den Krebs besiegt habe. Ich will es mir verdienen!"
Auf zum nächsten Kampf
Conner ist es gewohnt, sich seine Ziele verdienen zu müssen. Er hat nie etwas geschenkt bekommen. Aus der Highschool kam er als Two-Star-Recruit ohne Interesse von College-Scouts. Seine einzige Chance auf ein Stipendium sah er darin, seine Mutter anzuflehen, ihm 50 Dollar zu leihen, um an einem Football-Camp an der Universität von Pittsburgh teilzunehmen.
Conner setzte damals 50 Dollar auf sich selbst und gewann den Jackpot. Noch am ersten Tag des Camps bekam er ein Stipendium angeboten. Der Wert: Rund 200.000 Dollar. Heute hofft Conner, dass ein NFL-GM im Draft auf ihn setzen wird, so wie er es damals selbst getan hat. Er ist überzeugt: Auch heute würde der Hauptgewinn warten!
"Ich will eines Tages in die Hall of Fame einziehen", zeigt sich Conner eine Woche vor dem Draft selbstbewusst. "Ich gebe mich nicht mit kleinen Zielen zufrieden." Es ist in der Tat ein gigantisches Ziel, das er sich gesetzt hat. Der 21-Jährige gilt nicht mehr als eines der größten Talente auf seiner Position. Schon um seinen Platz in einem NFL-Team wird Conner kämpfen müssen. Doch das wird ihn nicht abschrecken. Denn seinen größeren Kampf hat er schon gewonnen.