"Heute wird Chi-Town zu Draft-Town", erklärte NFL-Commissioner Roger Goodell vor tausenden Fans, die sich im Auditorium Theatre von Chicago sowie auf den Fan-Festen außerhalb eingefunden hatten. Zum ersten Mal hatte der NFL-Draft, der normalerweise in New York abgehalten wird, seine angestammte Heimstätte verlassen. Und die Liga hatte sich nicht lumpen lassen: Schon vor dem Draft, der insgesamt gute dreieinhalb Stunden dauerte, wurde die NFL-Prominenz auf einem "Goldenen Teppich" präsentiert, danach zeigten sich die anwesenden College-Stars auf einem Balkon über der Bühne und wurden einzeln vorgestellt.
Jameis Winston im Porträt: Dr. Jekyll and Mr. Hyde
Danach blieb es ein verhältnismäßig ruhiger Abend: Wie erwartet schnappten sich die Tampa Bay Buccaneers, die mit einer Bilanz von 2-14 das Recht auf den ersten Pick hatten, Quarterback Jameis Winston von Florida State. Der QB, der sich abseits des Feldes schon den einen oder anderen Skandal geleistet hatte, war von fast allen Experten als bester Spieler des Drafts betitelt worden und zeigte sich danach begeistert: "Das war ein besonderer Moment. Ich bin sehr gesegnet." Selbst vor Ort war der 21-Jährige jedoch nicht.
Ebenso wie Marcus Mariota. Der QB aus Oregon hielt sich in Honolulu bei seiner Familie auf, während um ihn vor dem Draft ein erbitterter Kampf tobte: Gleich mehrere Teams wollten Mariota von den Tennessee Titans holen, darunter auch die Philadelphia Eagles, die offenbar ein Paket aus mehreren Erstrundenpicks und weiteren Spielern schnüren wollten. Coach Chip Kelly ging jedoch leer aus: Die Titans drafteten Mariota, ein Trade blieb aus.
Nur zwei Trades
Überhaupt gaben sich die 32 Teams an diesem Abend sehr scheu, was Trades anging - und wenn man sich die Kosten der beiden durchgeführten Trades anschaut, ist das nicht weiter überraschend: Um von der 17 auf die 15 zu springen, mussten die San Diego Chargers gleich zwei Picks (Fourth-Rounder 2015, Fifth-Rounder 2016) an die San Francisco 49ers abtreten.
Denver auf Platz 28 tauschte sich mit den Detroit Lions wenig später auf die 23, um sich mit Shane Ray einen weiteren Pass Rusher unter den Nagel zu reißen. Dafür legte das Team von Quarterback Peyton Manning zwei zusätzliche Fünftrundenpicks (2015 und 2016) auf den Tisch - und Guard Manny Ramirez, jahrelanger Stammspieler bei den Broncos.
Die komplette erste Runde zum Nachlesen im LIVE-TICKER
Mit Ray bekam man dafür einen talentierten Defensive End - der sich vor wenigen Tagen jedoch erst Ärger mit der Polizei eingehandelt hatte, weil er mit Marihuana in seinem Auto erwischt worden war. Damit wird er automatisch in das Drug Program der NFL aufgenommen und steht unter besonderer Beobachtung.
Ihr Comeback in der ersten Runde des Drafts feierten die Running Backs, nachdem sie gleich mehrere Jahre außen vor gewesen waren: Die St. Louis Rams sicherten sich an zehnter Position Todd Gurley aus Georgia,, obwohl der noch an einem Kreuzbandriss laboriert. Das Ziel ist klar: Mit starker Defense und potentem Running Game gleichen die Rams und Coach Jeff Fisher ihre Spielweise den Divisions-Rivalen aus Seattle und San Francisco an. San Diego, im Vorjahr mit dem zweitschlechtesten Running Game (3,4 Yards pro Run), sicherte sich an 15 Melvin Gordon aus Wisconsin.
Colts verstärken Offense
Dass nur zwei Trades zu Stande kamen, zeigt die gestiegene Wertschätzung der eigenen Draft Picks und die Erkenntnis, dass sich ein großes Paket von Picks und Spielern im Tausch für einen marginal besseren Pick selten lohnt - zumal das Talent nach den ersten rund zehn Picks in diesem Draft recht gleichmäßig verteilt war.
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So stopften die Teams recht konservativ vor allem Löcher in ihren eigenen Rostern - jedoch mit einigen prominenten Ausnahmen: Die Indianapolis Colts holten sich trotz bereits herausragender Offense mit Philipp Dorsett einen weiteren pfeilschnellen Wide Receiver, statt ihre Defense zu verstärken. Die New York Jets durften sich freuen, dass auf der sechsten Position Pass Rusher Leonard Williams noch zu haben war - so wurde eine bereits sehr gute Defense noch einmal besser. Die New England Patriots sicherten sich zum Abschluss der Runde schließlich mit Malcolm Brown einen potenziellen Nachfolger für Lineman Vince Wilfork.
Für ein Highlight des Drafts sorgte Defensive Tackle Danny Shelton. Der 21-Jährige kam mit Rock und Blumenkette um den Hals auf die Bühne, nachdem er von den Cleveland Browns an Position zwölf ausgewählt worden war, und verpasste Goodell eine derart heftige Umarmung, dass der Commissioner per "Bear Hug" in die Luft gehoben wurde.
Am Freitag geht der Draft weiter, dann werden die Picks der zweiten und dritten Runde ermittelt, am Samstag sind die Runden vier bis sieben an der Reihe.
Die erste Runde im Überblick
1 Jameis Winston (QB) nach Tampa Bay
2 Marcus Mariota (QB) - Tennessee Titans
3 Dante Fowler Jr. (DE) - Jacksonville Jaguars
4 Amari Cooper (WR) - Oakland Raiders
5 Brandon Scherff (T) - Washington Redskins
6 Leonard Williams (DE) - New York Jets
7 Kevin White (WR) - Chicago Bears
8 Vic Beasley (LB) - Atlanta Falcons
9 Ereck Flowers (OT) - New York Giants
10 Todd Gurley (RB) - St. Louis Rams
11 Trae Waynes (CB) - Minnesota Vikings
12 Danny Shelton (DT) - Cleveland Browns
13 Andrus Peat (OT) - New Orleans Saints
14 DeVante Parker (WR) - Miami Dolphins
15 Melvin Gordon (RB) - San Diego Chargers (von 49ers)
16 Kevin Johnson (CB) - Houston Texans
17 Arik Armstead (DE) - San Francisco 49ers (von Chargers)
18 Marcus Peters (CB) - Kansas City Chiefs
19 Cameron Erving (C) - Cleveland Browns (von Bills)
20 Nelson Agholor (WR) - Philadelphia Eagles
21 Cedrick Ogbuehi (OT) - Cincinnati Bengals
22 Bud Dupree (LB) - Pittsburgh Steelers
23 Shane Ray (LB) - Denver Broncos (von Lions)
24 D.J. Humphries (OT) - Arizona Cardinals
25 Shaq Thompson (LB) - Carolina Panthers
26 Breshad Perriman (WR) - Baltimore Ravens
27 Byron Jones (CB) - Dallas Cowboys
28 Laken Tomlinson (OG) - Detroit Lions (von Broncos)
29 Phillip Dorsett (WR) - Indianapolis Colts
30 Damarious Randall (S) - Green Bay Packers
31 Stephone Anthony (ILB) - New Orleans Saints (von Seahawks)
32 Malcolm Brown (DT) - New England Patriots
Die NFL im Überblick