Als der Sieger von Super Bowl XLVIII längst feststand, als die Seahawks im vierten Viertel mit über 30 Punkten Vorsprung führten, saß Peyton Manning immer noch am Spielfeldrand und sah sich mit grimmiger Miene Aufnahmen der Coverage an. Es mutete seltsam an. War es Gewohnheit? Professionalität? Ablenkung vor der bitteren Schmach, die er beim größten Einzelsportereignis der Welt hatte einstecken müssen?
Kurze Zeit später, die Zuschauer strömten bereits aus dem MetLife Stadium, nur noch das blau-grüne Konfetti zeugte vom Sieger, saß der 37-Jährige in den Katakomben vor dem Mikrofon und musste sich den Fragen stellen. Im tadellosen Anzug, die 1,96 Meter leicht gekrümmt, den Kopf etwas nach vorn gebeugt. "Ich muss Seattle mein Kompliment aussprechen", sagte er schmallippig, aber gefasst. "Sie haben viele unserer Fehler erzwungen, aber wir haben heute Abend auch einfach nicht gut gespielt." Ganz der Profi eben.
Aber dann wurde es ihm doch zu viel. Ob es eine "peinliche" Vorstellung gewesen sei, wurde er gefragt. "Das Wort werde ich ganz sicher nicht benutzen", wehrte er ab. "'Peinlich' empfinde ich als beleidigenden Ausdruck, wenn ich ehrlich sein soll." So verärgert sieht man den älteren der beiden Manning-Brüder selten - zumindest abseits des Kunstrasens.
Versagen auf ganzer Linie
Man muss aber kein Prophet sein, um sich vorzustellen, dass solche Ausdrücke in der Kabine der Broncos gefallen sein werden. Vielleicht von den Spielern, vielleicht von Head Coach John Fox. Vielleicht auch von GM John Elway, der sich sein Team schon nach der 10:40-Niederlage gegen die Seahawks in der Preseason zur Brust genommen hatte.
10:40 damals, 8:43 jetzt. "Wir haben nicht so gespielt, wie wir das eigentlich können, das ist enttäuschend", war Elways Kommentar gegenüber der Presse. Man werde hoffentlich daraus lernen.
Lernen kann man aus diesem Spiel jede Menge, wenn man zur Bronco-Franchise gehört. Getreu dem Motto: Kein Spiel ist unnütz, es kann immer noch als schlechtes Beispiel dienen. In diesem Fall als ganz besonders schlechtes Beispiel. "Das habe ich nicht erwartet", seufzte Bailey. "Das ist so weit entfernt von dem, was wir in dieser Saison gezeigt haben."
Clown College in der Defense
Offense, Defense, Special Teams, Coaching. Ein regelrechtes Versager-Quadruple. Während man einen gewissen Nachteil bei den Special Teams erwarten konnte, verwunderte Fox durch eine geradezu dämliche Challenge und hisste bereits im dritten Viertel die weiße Fahne, als er von Seattles 38 einen Punt anordnete. Seine gesamte Coaching Staff hatte zu keiner Zeit Antworten parat.
Die Defense, die in den zwei vorherigen Playoff-Partien richtig starke Leistungen gezeigt hatte, konnte diesen guten Eindruck nur in den ersten 20 Minuten gegen das Running Game von Marshawn Lynch bestätigen - bei Percy Harvin sah die Sache schon anders aus.
An Russell Wilson kamen sie über die gesamten 60 Minuten nicht heran (keine Sacks, keine Quarterback Hits), die Secondary um Bailey und Dominique Rodgers-Cromartie ließ sich regelmäßig in Einzelteile zerpflücken. Die Tackling-Versuche erinnerten teilweise an ein Clown College.
Peyton Manning LVP?
Aber all diese Dinge werden nur Randnotizen sein, wenn es an die öffentliche Nachbetrachtung von Super Bowl XLVIII geht. Denn Peyton Manning hat wieder einmal versagt. Wasser auf die Mühlen seiner Kritiker: Im wichtigsten Spiel hat Peyton wieder einmal die Flatter gekriegt! Drei Turnover. Pick-Six.
Choker. Und so einer soll zu den Besten aller Zeiten gehören? "Omahahahaha!" ist noch einer der netteren Kommentare unter den vielen Experten-Kolumnen. Die reichen von "Er ist immer noch der beste QB - aber eben nur in der Regular Season!" bis zu "Es war eines der schlechtesten Spiele seiner Karriere."
Was, mit Verlaub, Blödsinn ist. "Wir waren von der ersten Sekunde an nicht wirklich da", gab er zu, und das galt auch für ihn. Es war sicherlich kein gutes Spiel vom fünffachen MVP - aber andererseits: Man wird lange suchen müssen, um überhaupt einen Bronco zu finden, der ein besseres Spiel machte als Manning. Und das sagt auch schon alles.
Vom Team im Stich gelassen
Ohne Running Game, das die Broncos schon früh einmotten mussten - zuvor hatte Knowshon Moreno natürlich schon gefumbelt -, mit einer löchrigen Offensive Line, die von einem Pass Rush im Blutrausch förmlich auseinandergenommen wurde, gegen die beste Secondary der letzten zehn Jahre. Mannings Schuld?
Die erste Interception schon, oder? Pressure von rechts, ein Pass über den hochspringenden Bobby Wagner fliegt über Julius Thomas hinweg. Bad throw, aber nicht unerreichbar, wenn Thomas früher den Kopf dreht - die Tatsache, dass er sich direkt danach eine Standpauke von den Coaches abholen musste, spricht zumindest nicht für ihn.
Bei der zweiten Interception bricht die Pocket wieder total ein, er wird getroffen, der Ball flattert in die Arme von MVP Malcolm Smith - auch weil Moreno die Landschaft bewundert, statt dem Spielgerät entgegenzugehen. Der Fumble am Ende durch einen Blind-Side-Hit, geschenkt.
Wenn dieses Duell zehnmal stattfindet, gewinnen die Seahawks wohl sechsmal. Vielleicht siebenmal, oder sogar achtmal. Aber wohl nie wieder derart eindeutig. Diese demütigende Pleite nun allein Peyton Manning anzulasten, ist nicht nur unredlich, sondern auch respektlos gegenüber einer fantastischen Leistung der Seahawks, die in allen Belangen einen Sahnetag erwischten. Manning konnte das Spiel nicht gewinnen - aber er hat es auch nicht allein verloren.
"Haste Scheiße am Fuß..."
Das soll beileibe nicht heißen, dass Manning ein gutes Spiel abgeliefert hat. Er wirkte zunehmend nervös, der Deep Ball kam nicht an, er konnte das Team nicht mitreißen. Aber auch er wird sich irgendwann frustriert eingestanden haben, dass es einfach nicht der Tag der Broncos war.
Denn immer wenn Denver es schaffte - auch durch gute Pässe von Manning, den die kurzen Zuspiele kamen fast alle an - einen Drive aufzubauen, wurde die Nummer 18 beim Wurf getroffen, wurde die Offense durch eine Penalty zurückgeworfen, fumblete Demaryius Thomas den Ball. Rien ne va plus. Oder, um es mit Andi Brehme zu sagen: "Haste Scheiße am Fuß, haste Scheiße am Fuß." Ein komplett gebrauchter Tag eben.
Quo vadis, Manning?
Wie geht es weiter mit Colorados Franchise, die mit der fünften Super-Bowl-Niederlage einen neuen Rekord aufgestellt hat? Alles steht und fällt mit Manning, und der denkt noch nicht ans Karriereende, wie er nach dem Spiel noch einmal gegenüber der Presse betonte. Im März soll der ramponierte Nacken noch einmal gründlich untersucht werden. Wenn er die Prüfung besteht, wird die Nummer 18 auch in der kommenden Saison eine Menge Touchdown-Pässe werfen, so viel scheint gesichert.
Und die Hoffnung auf den zweiten Ring? Nach einem solchen Waterloo fällt Optimismus schwer, aber andererseits: Welches Team in der AFC kann sich derzeit größere Hoffnungen auf einen Auftritt in Phoenix im kommenden Februar machen? Verträge von Leistungsträgern wie Eric Decker oder Knowshon Moreno laufen aus, aber unersetzbar sind sie nicht.
Und, was man auch nicht vergessen darf: Im Gegensatz zu den Seahawks waren die Broncos in der Offense, und vor allem der Defense, arg dezimiert. Es erinnerte ein wenig an das AFC Championship Game, als sich die Patriots einem besseren, aber auch gesünderen Team beugen mussten. Mit einem gesunden Ryan Clady, mit einem Von Miller, einem Chris Harris, einem Derek Wolfe, einem Kevin Vickerson: Wer weiß? Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt - auch nach einem solchen Spiel, das von Wes Welker treffend als "grausam" bezeichnet wurde.
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