Wir schreiben das Jahr 2005. Shawne Merriman ist ein Erstrunden-Draftpick. In seiner ersten Saison bei den San Diego Chargers gelingen Merriman zehn Sacks und er wird ins All-Pro-Team berufen.
In den beiden darauffolgenden Spielzeiten kann Merriman zusammen insgesamt 39,5 Sacks für sich verbuchen - er macht seinem Spitznamen "Lights Out" alle Ehre. Zu dem Namen kam er durch ein Spiel in der High School, als er in einer Halbzeit vier Gegner ausknockte. Es folgen außerdem zwei All-Pro- und Pro-Bowl-Berufungen, dazu die Auszeichnung "Defensive Rookie of the Year" 2005 sowie die meisten Sacks 2006.
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Der harte Fall ins Hier und Jetzt: Die Chargers setzen den einst so gefürchteten Outside Linebacker vor die Tür. Merriman wird mit einer Wadenverletzung auf die "Injury Reserve"-Liste verbannt. Sobald er wieder fit ist, muss ihn San Diego laut NFL-Regularien entlassen. Jedes Team kann ihn dann haben.
Manning macht es möglich
Wie konnte ein so talentierter Spieler derart abstürzen? Die Hauptproblematik: Geschehnisse außerhalb des Platzes ließen zu häufig die teilweise überragenden Leistungen des Showmans auf dem Platz vergessen. Doch der Reihe nach.
Shawne DeAndre Merriman wurde am 25. Mai 1984 in Washington geboren. Der 1,93 Meter große Linebacker spielte für die University of Maryland und wurde 2005 von den Chargers gedraftet.
Der Deal kam zustande, weil die New York Giants auf den eigentlich ihnen zustehenden Pick verzichteten, um Eli Manning zu verpflichten. Der hatte sich zuvor geweigert, für die Chargers spielen.
Merriman ständig im Fokus
Merriman, ein typisches Alphatier, war immer ein Leader innerhalb der Mannschaft und in Topform stets eine der auffälligsten Persönlichkeiten. Nach drei überragenden Spielzeiten 2005-2007 mit diversen Auszeichnungen und dem berechtigten Ruf, einer der dominantesten Defensiv-Spieler der NFL zu sein, ging es aber immer weiter bergab.
Das lag zu einem guten Teil daran, dass der Linebacker auch im Privatleben gerne im Rampenlicht stand.
Die negative Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit hatte schon vor 2008 begonnen. In der Saison 2006 wurde Merriman positiv auf Steroide getestet. Vier Spiele Sperre waren die Konsequenz, Merriman steckte das damals aber noch gut weg - 17 Sacks in der restlichen Saison waren seine Antwort.
Negativer Höhepunkt dann im Jahr 2009: In San Diego klingelte am frühen Morgen das Telefon der Polizei. Eine Frau berichtete, dass sie, als sie das Haus verlassen wollte, von einem Mann gewürgt worden war.
Der Tequila-Würger
Bei dem Mann handelte es sich um Shawne Merriman. Der damals 25-Jährige wurde verhaftet und kam gegen eine Kaution von 58.000 Dollar wieder auf freien Fuß. Die Frau, die gewürgt worden sein soll, war MTV-Star Tila Tequila, die in ihrer Show eigentlich nur durch viel nackte Haut und Hemmungslosigkeit vor der Kamera aufgefallen war.
Es folgten Gerichtsstreits, Merriman und sein Anwalt stritten natürlich alles ab, es verlief sich nach und nach im Sand. Die Chargers stellten sich allerdings nicht vor ihren Spieler, so sagte General-Manager A.J. Smith in einer offiziellen Stellungnahme: "Es ist enttäuschend zu hören, dass Shawne Merriman in diese Sache verwickelt ist."
Einige Monate später klagte Merriman dann Tequila an, sein Lights-Out-Logo für T-Shirts, die sie bei Wal-Mart verkaufte, verwendet zu haben. Das Gericht entschied zu Gunsten des NFL-Profis, der 2 Millionen Dollar zugesprochen bekam.
Insgesamt zeigte dieser Vorfall deutlich, wo Merrimans Probleme lagen. Auftritte in Shows wie "MTV Exposed", in der die Kandidaten während eines Dates an einen Lügendetektor angeschlossen werden, oder die Tequila-Story, waren höchst unprofessionell.
Aprilscherze und Verletzungen
Das negative Bild Merrimans entwickelte sich in der Folgezeit immer weiter. Am 1. April 2010 war Merriman, während seine Mannschaftskollegen trainierten, zur NFL-TV-Show "Total Access" eingeladen. Dabei hatte der dreimalige All-Pro scheinbar vergessen, dass am 1. April gerne mal Scherze gemacht werden - auch im Fernsehen.
Merriman ist, das muss man zu dieser Anekdote wissen, auch für seinen Siegestanz bekannt. Der ist so populär, dass ihn einige Spieler der New England Patriots einmal bei einem Sieg in San Diego auf dem Platz parodierten, was fast zu einer Schlägerei geführt hätte.
Diesen Tanz nutzte Total-Access-Moderator Rich Eisen eiskalt aus und führte den knallharten Profi aufs Glatteis. Er erzählte Merriman, dass die NFL künftig harte Strafen gegen Siegestänze einführen werde.
Während eines Interviews kam Eisen ins Studio und las Merriman eine gefakte News vor, der Linebacker war am Boden zerstört. Er versuchte, seinen "Lights-Out-Tanz" zu rechtfertigen. Er erklärte, dass so etwas doch viele machen würden und war nach kurzer Zeit völlig frustriert. "Das ist lächerlich", wiederholte ein konsternierter Merriman mehrfach mit Kopfschütteln - bis Eisen den Scherz schließlich auflöste.
Auch sportlich hatte ihn das Glück zu der Zeit schon verlassen. Knieverletzungen und besonders seine Knie-Operation 2008 sowie Knöchelverletzungen zwangen Merriman zu langen Pausen, seine alte Form fand er nie wieder. Besonders seine Power, die sein Spiel ausmacht, scheint er verloren zu haben. Die Folge: Nur vier Sacks in den letzten zwei Jahren.
"Zeit, in eine andere Richtung zu gehen"
"Es gibt viele Gründe", erklärte Smith die Entscheidung, sich von Merriman zu trennen. "Ich werde sie nicht diskutieren, das bringt nichts. Wir werden weitermachen und wünschen Shawne das Beste. Unsere Hoffnung ist, dass er bald gesund wird und wieder das machen kann, was er liebt: Football spielen."
Es gilt als offenes Geheimnis, dass die Klubführung unzufrieden mit Merrimans unprofessionellem Verhalten außerhalb des Platzes war. Nach dem Tequila-Skandal 2009 stand er im letzten Jahr verletzungsbedingt kaum auf dem Platz.
"Wir haben entschieden, dass es für uns an der Zeit war, in eine andere Richtung zu gehen. Wir danken Shawne für seinen Beitrag während seiner Zeit als Charger."Der entscheidende Seitenhieb, der das Problem von Showman Merriman beschreibt, folgte danach: "Shawne ist ein junger Mann mit vielen Interessen und Talenten. Wir wünschen ihm das Beste für seine Zukunft - auf und neben dem Platz."
Für diese Zukunft kommen viele Klubs in Frage. Kritiker behaupten, Merriman hätte nicht mehr die Power aus seiner Anfangszeit in der NFL. Die New England Patriots und die San Francisco 49ers sollen dennoch Interesse haben, Merriman selbst brachte jüngst die Dallas Cowboys, die Miami Dolphins und die Baltimore Ravens ins Gespräch. Welches Team es am Ende auch wird, die Hauptaufgabe wird sein, Lights Out wieder dazu zu bringen, auf dem Platz die Lichter auszuknipsen.