NBA

Zurück in der Realität

D'Angelo Russell (l.) soll nach einer Saison in der "Lehre" bei Kobe zum neuen Star heranreifen
© getty

Zum ersten Mal nach 20 Jahren werden die Los Angeles Lakers wieder eine Saison ohne Kobe Bryant bestreiten. Dafür wurden ordentliche Voraussetzungen geschaffen - auch wenn die nackten Zahlen der Verträge von Luol Deng und Timofey Mozgov sehr verzweifelt anmuteten. Nach drei Katastrophen-Saisons am Stück könnte es nach und nach wieder bergauf gehen.

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Die Transaktionen: "Willkommen auf dem Boden der Realität", hieß es für die Lakers direkt am Anfang der Free Agency. Kevin Durant gewährte ihnen nicht einmal ein Meeting, auch DeMar DeRozan entschied sich trotz aller Gerüchte umgehend für einen Verbleib in Toronto und traf sich nicht mit dem Team aus seiner Heimatstadt. Glamour? Nicht in diesem Jahr.

Die Realität hieß Timofey Mozgov. Der russische Center wurde für den irren Preis von 64 Millionen Dollar über vier Jahre geholt, dabei wird er womöglich nicht einmal lange starten - diesen Spot soll sich langfristig No.32-Pick Ivica Zubac verdienen, Tarik Black ist auch noch da.

Wenn man auf den Preis für Festus Ezeli blickt (zwei Jahre, 15 Millionen in Portland), haben die Lakers den Markt für Center offenbar völlig falsch eingeschätzt. Auch für Luol Deng (vier Jahre, 72 Millionen) wurde mächtig Geld investiert, seine Verpflichtung ist allerdings deutlich leichter zu rechtfertigen.

Deng gilt als absoluter Vollprofi und soll ein Vorbild für die jungen Talente im Kader sein - allen voran für No.2-Pick Brandon Ingram, der nominell die gleiche Position spielt. Als Mentor soll wohl auch Jose Calderon fungieren, der per Trade aus Chicago gekommen ist und den jungen Backcourt um D'Angelo Russell und Jordan Clarkson ergänzt. A propos Clarkson: Mit seinem Vierjahresvertrag über 50 Millionen gelang der LakeShow einer der besseren Deals dieser Offseason.

Neu in Hollywood ist zudem Luke Walton, der die fürchterliche Byron-Scott-Ära mit besserem und vor allem modernerem Basketball ablösen soll. Nicht mehr am Start sind Brandon Bass, Roy Hibbert und ein gewisser Kobe Bryant. Dass auch Nick Young nicht mehr für die Lakers spielen wird, ist ebenfalls so sicher wie das Amen in der Kirche, auch wenn Swaggy P aktuell offiziell noch Teil des Kaders ist.

Die Strategie: Drei Jahre in Folge haben die Lakers die schlechteste Saison ihrer Los-Angeles-Ära unterboten, letzte Saison sprangen noch ganze 17 Siege heraus. Das lag teilweise natürlich auch am letzten Vertrag von Kobe, der L.A. auf dem Free-Agent-Markt arg einschränkte. Gerade die vergangene Saison verkam aufgrund seiner Abschiedstour nahezu komplett zum Zirkus.

Diese "Altlast" ist man nun los und kann wieder nach vorne blicken. Die Lakers haben freilich trotzdem bei allen großen Free Agents angeklopft, da aber niemand kommen wollte, setzt man nun vorerst auf die Jugend und ein paar professionelle Veteranen. Walton soll den Freiraum bekommen, ein Team nach seinen Vorstellungen zu entwickeln.

Womöglich haben die Lakers endlich verstanden, dass kein Free Agent mehr nur aufgrund ihres Namens kommen will - man muss dafür auch einen gewissen sportlichen Reiz bieten können. Hollywood hin oder her. Durant sagte es ganz deutlich: "Sie sind noch einige Jahre davon entfernt, wo ich sein möchte."

Die Schwachstellen: Drücken wir es mal so aus: Es gibt einige. Vergangene Saison stellten die Lakers die zweitschlechteste Offense und die schlechteste Defense, um mal zwei nicht ganz unwichtige Beispiele zu nennen. Es gab weder ein ordentliches Zusammenspiel noch einen echten Plan, den man auf dem Court umsetzen wollte. Kein Team spielte weniger Assists. Das soll Walton jetzt ändern.

Auch wenn der Neue nichts versprechen kann, sollte er in jedem Fall besser mit jungen Spielern umgehen können als sein Vorgänger. Und das ist auch vorerst das Wichtigste: Die Qualität im Kader reicht nicht aus, um kurzfristig Bäume auszureißen, aber Potenzial ist reichlich vorhanden. Wenn Walton die Jungen wie Ingram und Russell in die richtigen Bahnen lenkt, sieht die Situation schon bald um einiges besser aus.

Kurzfristig sollten Mozgov und Deng dabei helfen, die Defense zumindest etwas zu stabilisieren, ein Bollwerk sollte hier jedoch niemand erwarten. Und auch offensiv wird es noch eine ganze Weile dauern, bis in L.A. wieder ein ansehnlicher Basketball gespielt wird. Walton weiß, dass er hier jede Menge Arbeit vor sich hat.

Der Hoffnungsträger: Obwohl die Lakers mit Ingram den No.2-Pick geholt haben, ist für die nächste Saison ein anderer der Hoffnungsträger. Der Small Forward ist noch relativ roh und wird wohl noch einige Zeit brauchen, bis er seinen Körper auf NBA-Level gebracht hat - GM Mitch Kupchak sprach in der Hinsicht sogar von "einigen Jahren". Da ist Russell schon ein Stück weiter.

Der Point Guard erlebte eine gelinde gesagt chaotische Rookie-Saison, mit der "Snapchat-Affäre" als negativem Highlight. Dennoch konnte er bereits andeuten, wie viel Potenzial in ihm steckt, und gerade in der Summer League präsentierte er sich dann noch einmal deutlich verbessert.

Mit seinem Wurf, seinem Playmaking und seiner Länge ist er nach wie vor prädestiniert, ein Star in der Liga zu werden. Fraglich ist bei ihm eigentlich nur die Professionalität - aber auch deshalb wurde mit Walton jemand verpflichtet, der die aktive NBA-Karriere gerade erst hinter sich hat und sich mehr mit ihm auseinandersetzen wird als Mr. "Ich werde Geduld haben, aber nicht lange" Scott.

Das Fazit: Die ganz großen Sprünge waren in diesem Sommer nicht möglich, dafür haben sich die Lakers in den letzten Jahren einfach zu viel kaputt gemacht. Mit Walton wurde aber ein vielversprechender neuer Coach verpflichtet, der das Team nach und nach wieder in die richtige Richtung lenken sollte.

Wenn nicht irgendjemand aus der Buss-Familie in Kürze fordert, dass ein Paket aus Russell und Ingram (oder ähnlichen Kombinationen) für einen All-Star abgegeben wird - bei den Lakers-Besitzern kann man dies wohl nie richtig ausschließen. Daher erfolgt die Bewertung des Sommers unter einem gewissen Vorbehalt.

Stand jetzt haben die Lakers einen ordentlichen, wenn auch nicht idealen Job gemacht. Der Clarkson-Deal war super und fraglos unter Marktwert. Die Deals für Deng und Mozgov waren nicht so schlimm, wie sie teilweise gemacht wurden, auch wenn es in beiden Fällen nicht gleich vier Jahre hätten sein müssen. Beide helfen aber kurzfristig dabei, eine professionellere Kultur zu schaffen. Dengs Vorgänger war Nick Young - mehr muss man dazu eigentlich nicht sagen.

Gemessen an den Umständen hat Kupchak seine Arbeit vernünftig erledigt. Jetzt liegt es an den Youngstern, vor allem an Russell und Ingram, den Free Agents von 2017 zu demonstrieren, dass die Lakers wieder einen gewissen Reiz ausstrahlen.

Note: 3+

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