SPOX: Wäre der Hook Shot das nächste Nowitzki-Upgrade?
Geschwindner: Es hat sich bewährt, dass wir uns das Ziel gesetzt haben, sich von Jahr zu Jahr zu verbessern. Glücklicherweise bis zur Meisterschaft. Dennoch darf es nicht sein, jetzt abzuwarten. Man muss sich ständig weiterentwickeln. Wenn man im Schuhgeschäft nicht Pleite gehen will, muss man neue Modelle ins Schaufenster stellen. Der Hook Shot könnte ein neues Modell sein. Schauen wir mal, ob das Vertrauen in die neuen Werkzeuge groß genug ist, dass er sie auspackt. Wir sind guter Hoffnung.
SPOX: In Ihrer Biografie über Nowitzki, die Ende Oktober auf den Markt kommt, zeichnen Sie aus Ihrer Sicht die Entwicklung Ihres Schützlings nach. Hatten Sie eigentlich selbst als Jugendlicher, der später die deutsche Nationalmannschaft als Kapitän anführen sollte, einen Mentor?
Geschwindner: Wir hatten einige gute Trainer, aber die wichtigsten Personen waren die bei mir um die Ecke stationierten amerikanischen Soldaten. Wir Schulbuben fanden immer einen, der für uns bei der Einlasskontrolle zur Kaserne unterschrieben und uns mit in die Halle genommen hat, um uns zu zeigen, wie Basketball geht.
SPOX: Was hätte ein 16-, 17-jähriger Geschwindner gesagt, wenn ein Privattrainer zu ihm gekommen wäre und etwas davon erzählt hätte, das er Sie in die NBA bringt und zum weltbesten Basketballer ausbildet?
Geschwindner: Keine Ahnung. Uns ging es damals nur darum, in die Kaserne zu dürfen und die Sportart aufzusaugen. Weitergehende Überlegungen lagen für uns nicht innerhalb des Horizonts, daher konnte die NBA nie das Ziel für einen sein. Zumal die Liga damals noch am Anfang stand und nicht so ein Zirkus war wie heute. Damals konnte man mit Glück auf 16-mm-Filmen Ausschnitte von der NBA die damaligen Größen sehen. Damit hatte es sich.
SPOX: Es wird immer darüber gesprochen, wie sich Nowitzki im Laufe der Zeit vom fränkischen Nachwuchsspieler zum Weltstar entwickelt hat. Aber wie hat sich Nowitzkis Mentor seit Ende der 90er Jahre entwickelt? Haben Sie sich entwickelt?
Geschwindner: Natürlich. Die Zeit, als es in die Weltspitze ging, war spannend und eine große Herausforderung, weil man so viel abdecken musste. Es gibt ja keine Bücher darüber, wie jemand in die Weltspitze kommt, daher mussten wir uns ohne Unterstützung alles selbst stricken. Ich musste wieder lernen zu lernen.
SPOX: Lernen zu lernen?
Geschwindner: Wenn man einen Beruf beherrscht, führt man das Zeug aus und lernt vielleicht ein bisschen dazu. Bei uns kamen plötzlich tausend neue Sachen.
SPOX: Was war besonders schwierig? Das Durcharbeiten des NBA-Mantelvertrags, um bei Vertragsverhandlungen nicht übertölpelt zu werden?
Geschwindner: Wir besuchten beide die Volksschule, der Mantelvertrag war noch der leichtere Teil. Schwieriger war es, sich bei allen Details einzufinden. Also nicht nur die faktisch bestehenden Regelungen, sondern auch die Denke zu verstehen, wie man sich in der NBA zu verhalten hat. Uns blieb ja nichts anderes übrig. Wir haben alles gegeben, was wir nie gekonnt haben. (lacht)
SPOX: Sie sind nicht nur Nowitzkis Mentor. Sie arbeiten für Wirtschaftsunternehmen als Troubleshooter. Als einer, der Probleme erkennt, sie analysiert und sie löst. Sind Sie bei Nowitzki genauso vorgegangen wie bei einem Wirtschaftsunternehmen?
Geschwindner: Wenn man es so sehen will, hat es sich mit Dirk so ergeben, dass er eben das nächste Projekt für mich war. Es ist ja mein Beruf: Ich habe Systemanalytiker gelernt und Mathe und Physik studiert. Später kam noch Philosophie dazu.
SPOX: Bekam Ihr Institut für angewandten Unfug mit Nowitzkis Erfolgen zunehmend mehr Aufträge?
Geschwindner: Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. In Deutschland gibt es die Marotte, dass alle glauben, nur eine Sache richtig gut können zu können. Ich trenne deswegen beide Bereiche so sauber wie möglich. Ein Balldribbler zu sein und gleichzeitig einen Beruf auszuüben, ist für viele unvorstellbar. Deswegen passte es nicht zu den Konventionen, als ich mit Dirk etwas Neues angefangen hatte. Es wurde gesagt, es wäre Unfug. Daher lautete meine Antwort: "Okay, ich will nicht widersprechen, gründen wir doch gleich das Institut für angewandten Unfug."
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SPOX: Erzählen Sie etwas von Ihrer Tätigkeit in der Wirtschaft. Sie kümmerten sich um eine Bettfederfabrik und planten den Bau einer Seilbahn mit. Die spannendste Geschichte handelt von einer maroden Farm in Columbo, Mississippi. Sie sollen einen Businessplan entwickelt und 80 Arbeiter unter sich gehabt haben, mit denen Sie Straßen bauten und Wälder rodeten. Wenige Monate später warf die Farm Profite ab.
Geschwindner: Das sind alte Storys, die erfunden sind. Fakt war: Ich stand als Spieler zwei Jahre bei Saturn Köln unter Vertrag. Daher kannte ich Herrn Waffenschmidt, den Klub-Besitzer, und seine Frau. Sie besaßen in Mississippi eine Farm, und weil ich im Prinzip Projektabwickler war, wurde ich von ihnen gefragt, ob ich dort aufräumen könnte. Ich fuhr also runter, organsierte ein bisschen herum und half Frau Waffenschmidt dabei, die Kontrolle wieder zu gewinnen. Das war die ganze Story.
SPOX: Gibt es ein Prinzip, wie Sie an Probleme herangehen?
Geschwindner: Nein, es gibt kein Prinzip. Außer: Das Prinzip, das ein Problem hervorgerufen hat, kann das Problem nicht lösen. Daher sollte man immer eine andere Perspektive einnehmen und genau anschauen, wie die alten Funktionsweisen sind. Mit der Zeit bekommt man darin Übung.
SPOX: Wie sieht Ihr Tagesablauf aus? Wie viel Prozent der Arbeitszeit sind für Nowitzki, wie viel Prozent für andere Projekte eingeplant?
Geschwindner: So denke ich nicht. Bei mir gehört alles zusammen, ich trenne nicht zwischen Leben, Arbeiten und Urlaub. Bei Dirk ist es so: Er legt seit ein paar Jahren so eine Selbstdisziplin an den Tag, dass es für mich nicht viel zu tun gibt. Wenn entsprechend woanders ein Problem auftaucht, trete ich mit allem an, was ich zur Verfügung habe. Ganz oder gar nicht.
SPOX: Können Sie sich vorstellen, nach Nowitzkis nahendem Rücktritt ein neues Talent ausfindig zu machen und diesen zu fördern?
Geschwindner: Ich bin nie Spielern hinterhergerannt, das ist nicht mein Ding, das will ich nicht. Dirk und ich rannten ineinander und machten zusammen alle Hochs und Tiefs mit bis zur Meisterschaft. Wir werden den Weg weitergehen. Dirk hat noch 40 Jahre vor sich, daher müssen wir mal gucken, ob ich helfen kann, ob Hilfe überhaupt erwünscht ist.
SPOX: Sie werden im Dezember 67 Jahre alt. Wie sieht Ihre weitere Lebensplanung aus?
Geschwindner: Eigentlich bin ich Rentner. Allerdings besitze ich nicht das Talent, rumzusitzen und irgendwelche Dinge zu tun, um nichts zu tun. Wie es weitergeht, hängt von den physischen Möglichkeiten ab. Toi, toi, toi, noch kann ich mit den Kindern Basketball spielen und Spaß haben. Es kann trotzdem sein, dass sich das irgendwann ändert. Die physische Uhr tickt. Der Franz würde sagen: Schau'n mer mal.
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