NBA

"Das wird es nie wieder geben": Ist die Zeit der Dynastien in der NBA wirklich vorbei?

Von Ruben Martin
NBA, Dynastien, Stephen Curry, Golden State Warriors, Boston Celtics, Oklahoma City Thunder
© getty

Die Golden State Warriors um Stephen Curry bildeten die Dynastie der jungen Vergangenheit, laut dem Superstar vermutlich sogar die letzte überhaupt. Die neuen Regelungen des CBA spielen dabei eine Rolle, andere Faktoren tragen weiter dazu bei.

Cookie-Einstellungen

Die Warriors dominierten die NBA von 2014 bis 2019, fünfmal in Folge zogen sie in die NBA Finals ein und gewannen dreimal. Nach zwei Jahren ohne den schwer verletzten Klay Thompson kehrten sie umgehend zurück auf den Olymp des Basketballs mit einer weiteren Meisterschaft. Der Kern um Curry, Thompson und Draymond Green jubelte gemeinsam viermal in acht Jahren - Dynastie!

Die Spurs gewannen viermal in neun Jahren von 1999 bis 2007, der Kern wechselte jedoch von David Robinson zu Tony Parker und Manu Ginobili - nur Tim Duncan war bei allen vier Titeln dabei. Die Lakers um Shaquille O'Neal und Kobe Bryant gewannen dreimal in Folge von 2000 bis 2002, dann ist man beim Rückblick schon bei den Chicago Bulls mit sechs Titeln von 1991 bis 1998. Es hätten auch gut acht in Folge werden können, hätte Michael Jordan nicht zwei Jahre lang pausiert, um Baseball zu spielen.

Die größte Dynastie der NBA startete 1959 mit den Boston Celtics unter dem legendären Head Coach Red Auerbach, die zehn Titel in elf Jahren gewannen. Heutzutage schon lange unvorstellbar. Die Dynastie der Warriors scheint sich nun mit dem Abschied von Thompson dem Ende zu neigen, auch wenn man Curry als 36-Jährigen noch nicht abschreiben sollte.

NBA: Alle Meister und Vizemeister seit 2000

JahrMeisterVizemeister
2000Los Angeles LakersIndiana Pacers
2001Los Angeles LakersPhiladelphia 76ers
2002Los Angeles LakersNew Jersey Nets
2003San Antonio SpursNew Jersey Nets
2004Detroit PistonsLos Angeles Lakers
2005San Antonio SpursDetroit Pistons
2006Miami HeatDallas Mavericks
2007San Antonio SpursCleveland Cavaliers
2008Boston CelticsLos Angeles Lakers
2009Los Angeles LakersOrlando Magic
2010Los Angeles LakersBoston Celtics
2011Dallas MavericksMiami Heat
2012Miami HeatOklahoma City Thunder
2013Miami HeatSan Antonio Spurs
2014San Antonio SpursMiami Heat
2015Golden State WarriorsCleveland Cavaliers
2016Cleveland CavaliersGolden State Warriors
2017Golden State WarriorsCleveland Cavaliers
2018Golden State WarriorsCleveland Cavaliers
2019Toronto RaptorsGolden State Warriors
2020Los Angeles LakersMiami Heat
2021Milwaukee BucksPhoenix Suns
2022Golden State WarriorsBoston Celtics
2023Denver NuggetsMiami Heat
2024Boston CelticsDallas Mavericks
curry-lebron-1600
© getty

NBA: Stephen Curry sieht keine Dynastie mehr kommen

Damit stellt sich die Frage: Wann kommt die nächste Dynastie? Oder, wenn man auf Curry hört: Kommt sie überhaupt? "Natürlich können Dynastien in verschiedenen Formen auftreten", sagte er Anfang Juli im Gespräch mit Malika Andrews (ESPN) und führte aus: "Die Leute dachten, wir wären 2019 schon fertig. Aber 2022 war ein großartiger Titel, weil wir die Underdogs waren. Wir waren elf Jahre lang Contender mit dem gleichen Kern."

Ob die Warriors in den vergangenen zwei Saisons wirklich Contender waren, darf diskutiert werden. Currys Punkt im weiteren Sinne steht jedoch. "Ich glaube, das wird es nie wieder geben", wagte er als Prognose: "Es ist sehr schwierig, Mannschaften in dieser Liga zusammenzuhalten. Es gibt viel mehr Spielerwechsel als früher. Ich, Klay und Draymond haben uns so gut ergänzt für eine sehr lange Zeit. Wir haben alle verschiedene Sachen beigesteuert, das muss erstmal geschafft werden."

"Wir werden sehen", schloss Curry seine Gedanken ab: "Rekorde sind gemacht, um gebrochen zu werden. Dynastien kommen in allen möglichen verschiedenen Formen, wir werden sehen." Generell lässt sich vorneweg sagen, dass im Profisport auf höchstem Niveau quasi nichts unmöglich ist. Selbst die besten Spieler und Mannschaften sind meist nur ein paar Fehlwürfe pro Spiel davon entfernt, von der Konkurrenz geschlagen zu werden.

Die Regelungen des neuen CBA machen es jedoch eindeutig schwieriger für die Topteams, ihren Kader selbst im geringen Maße zu verändern. Wer über die Grenze des Second Apron im Salary Cap geht, wird es zudem schwierig haben, wieder darunter zu kommen. Der Second Apron sei für die Verantwortlichen der Franchises schnell so furchteinflößend geworden wie der Winter bei Game of Thrones, berichtete Ramona Shelburne (ESPN) inmitten der diesjährigen Free Agency.

nikola-jokic-1600
© getty

NBA: Das neue CBA schränkt Topteams nachhaltig ein

Die Auswirkungen des neuen Tarifvertrags waren schon bei einigen Topteams zu sehen. Die Clippers ließen Paul George ohne Gegenwert ziehen, obwohl sie Angebote für einen Sign-and-Trade hatten. Auslaufende Verträge aufzunehmen erschien ihnen jedoch fast unmöglich. Den Nuggets schienen in der Free Agency komplett die Hände gebunden, die Lakers versuchten ebenfalls vergeblich, sich zu verstärken.

"Ich habe die Kritik gehört, dass die Free Agency dieses Jahr langweilig war aus Sicht der Fans", sagte NBA-Commissioner Adam Silver im Rahmen der Summer League: "Ich sehe das anders. Mit dem neuen System will ich allen 30 Mannschaften die Chance geben, um den Titel zu spielen."

Silver wurde auch gefragt, ob Dynastien oder ein wechselndes Feld von Meisterteams besser für die Liga sei. "Solange wir ansatzweise an die gleichen Möglichkeiten für alle Mannschaften auf dem Weg zu einer Meisterschaft kommen, sind mir sowohl Dynastien als auch neue Titelkandidaten Jahr um Jahr recht." In den vergangenen sechs Jahren gab es sechs verschiedene Champions, das gab es zuletzt von 1975 bis 1980. Von 1981 bis 2005 machten nur 6 Mannschaften 24 der 25 Titel unter sich aus.

Die Celtics haben ihren Kern der Meisterschaft noch für mehrere Jahre beisammen und verteilten frische Vertragsverlängerungen im riesigen Wert, ihr Besitzer Wycliffe Grousbeck wird sich jedoch offenbar vor der Rechnung drücken und die Franchise verkaufen. Bei den Warriors sah dies ganz anders aus, sie verstärkten sich nach ihren ersten zwei Titeln noch mit einem der besten Spieler des Planeten in Kevin Durant. Schon vor seiner Ankunft hatten sie einen der zehn besten Spieler und einen der zehn besten Coaches aller Zeiten in Golden State.

Den Warriors muss jedoch auch angerechnet werden, dass ihnen finanziell einige Coups gelangen. Green verdiente von 2015 bis 2019 nur 16,4 Millionen jährlich und wurde von Head Coach Steve Kerr so gut eingesetzt, dass er in seinen besten Phasen einer der wertvollsten Spieler der Liga war. Curry ist erst seit 2017 richtig teuer, Thompson seit 2019. Es könnte gut sein, dass Mannschaften mit jungen Stars in ihren Rookieverträgen noch größere Vorteile haben als in der Vergangenheit.

Die verbesserten Möglichkeiten für Superstars, zu einer neuen Mannschaft zu finden, spielen natürlich auch eine große Rolle, wie Curry ansprach. Die Miami Heat um LeBron James, Dwyane Wade und Chris Bosh hätten nach ihren zwei Titeln und vier Finalsteilnahmen von 2011 bis 2014 vielleicht noch weitere Meisterschaften jagen können, den King zog es jedoch zurück nach Cleveland.

Am Beispiel von Durant wird zudem noch einmal klar, wie schwierig es ist, überhaupt eine Meisterschaft zu gewinnen. Der Slim Reaper ist über die letzten 15 Jahre der zweitbeste Spieler hinter James und kommt immer wieder mit anderen Superstars zusammen, konnte jedoch nur mit den bereits erfolgreichen Warriors den ultimativen Triumph feiern. Anhand dessen werden Dynastien noch beeindruckender.

tatum-jubel-1600
© getty

NBA: Können die Boston Celtics zur Dynastie werden?

Damit kommen wir zum Blick in die nahe Zukunft. Nach den Aussagen von Curry wird sich die ein oder andere Mannschaft in der Liga gedacht haben: "Warum sollten wir keine Dynastie starten können?" Doch die Einschätzungen der Mannschaften stimmen nicht immer mit der harten Realität überein. Gibt es aktuell überhaupt eine Mannschaft, die das Zeug für eine Dynastie hat?

Der Blick sollte bei den Boston Celtics starten, das hat sich der Meister mit seiner Dominanz in der jüngsten Postseason verdient. Die Celtics haben Jaylen Brown, Jayson Tatum, Jrue Holiday, Kristaps Porzingis und Derrick White noch für mindestens zwei Saisons unter Vertrag. Dass der Kern vom nächsten Besitzer solange bezahlt wird, ist jedoch noch nicht gesagt.

Boston geht verdient als Favorit in die nächste Saison, sogar mit riesigem Abstand zu seinen direkten Verfolgern. Den Celtics werden so hohe Chancen auf die Titelverteidigung zugeschrieben wie schon lange nicht mehr, doch selbst da reden wir nicht einmal von 30 Prozent. Einen Titel in der NBA zu gewinnen ist selbst für die besten Mannschaften schwierig, zwei hintereinander ist noch eine ganz andere Herausforderung.

Nach der kommenden Saison läuft dann der Vertrag von Al Horford aus, im Alter von 38 Jahren könnte seine Leistung auch schon im kommenden Jahr komplett wegfallen. Sein Wert beim Titel sollte nicht unterschätzt werden, zudem ist bei Porzingis die Chance auf eine Verletzung immer hoch. Hier soll natürlich nichts beschworen werden, vielmehr geht es darum: Es kann immer viel falsch laufen.

Beim Gedankenexperiment der Celtics könnte eine Dynastie nach Porzingis, Holiday, Horford und vielleicht auch ohne White natürlich auch mit anderen Spielern um den Kern von Tatum und Brown fortgesetzt werden. Bei 28 (Brown) und 26 Jahren (Tatum) sind die beiden Superstars vermutlich mitten in ihrer Blütezeit, sie werden jedoch ab 2025 gemeinsam lange 60 bis 70 Prozent des Caps kosten. Zudem haben beide noch nicht bewiesen, ihr bestes Spiel auf der größten Bühne abrufen zu können.

So ein überragendes Team wie das jetzige wird Boston kaum noch einmal zusammenstellen können. Ein weiterer Titel oder auch zwei für die Celtics in den nächsten fünf Jahren sind absolut vorstellbar, genauso gut könnte es jedoch bei dem einen Triumph bleiben.

sga-jubel-1600
© getty

NBA: OKC hat die besten Chancen auf langjährige Dominanz

Bei einem Blick durch die gesamte Liga wird jedoch auch klar, dass die Celtics nicht die beste Chance auf eine Dynastie haben. Am besten aufgestellt für die neuen Regelungen der CBA sind die Oklahoma City Thunder. Die junge Mannschaft sammelte schon in der Vorsaison wichtige Erfahrung in den Playoffs und wird viel Zeit haben, zusammenzuwachsen. Shai Gilgeous-Alexander hat noch ein paar Jahre als relativ günstiger Superstar vor sich, Jalen Williams, Chet Holmgren, Cason Wallace und Jaylin Williams sind noch extrem preiswert bei ihren Rookieverträgen.

Die Thunder galten in der Free Agency als ein Kandidat für einen großen Splash, mit dem beispielsweise Paul George nach Oklahoma City gewechselt wäre. Thunder-GM Sam Presti hielt jedoch an seinem langfristigen Rebuild fest, mit Isaiah Hartenstein wurde die Mannschaft dennoch sehr sinnvoll und zu keinem riesigen Preis verbessert. Die Thunder bekommen von den Wettmärkten die zweitbesten Chancen für den Titel nächste Saison zugesprochen.

Die jungen Thunder sind schon sehr gut und haben weiter einen riesigen Schatz an Picks vor sich. Allein in der kommenden Saison könnten sie bis zu fünfmal in der ersten Runde zuschlagen dürfen, bis 2029 haben sie insgesamt 13 potenzielle Picks in der ersten Runde. Falls neben SGA auch Holmgren und Williams irgendwann sehr teuer werden, könnte das Trio dennoch immer wieder mit jungen Talenten ergänzt werden. Bei so vielen Picks wird sicher noch der ein oder andere Rotationsspieler rausspringen.

Die Thunder sind sehr gut aufgestellt, über die nächsten zehn Jahre immer wieder sehr gute Mannschaften zu stellen. Doch selbst dann muss noch viel passieren, um überhaupt zwei Titel zu gewinnen, geschweige denn drei oder vier.

Falls es die NBA noch 30 Jahre gibt, wird es höchstwahrscheinlich auch wieder eine Dynastie mit dem Erfolg der Warriors geben. Doch bis dahin könnte durchaus so viel Zeit verstreichen, dass Curry oft genug sagen kann: "Seht Ihr, Ich habe es euch gesagt!"