Einen Schlüssel für Spiel 2 will Head Coach Jason Kidd beim klaren 89:107 bereits identifiziert haben. Die Antwort könnte aber auch noch viel simpler sein.
NBA Finals: Mit Kristaps Porzingis ist Boston ein anderes Kaliber
38 Tage hatte Porzingis nach seiner Wadenverletzung gefehlt. Genug Zeit, um sich an ein Celtics-Team ohne ihn zu "gewöhnen". Ein Team, das zwar im Osten durch die Playoffs pflügte, aber dennoch vielen Beobachtern schlagbar erschien, angreifbar und hier und da etwas zu wackelig. Nicht umsonst hätten die ersatzgeschwächten Indiana Pacers um ein Haar gleich mehrere Spiele der Eastern Conference Finals gewonnen.
Genug Zeit auch, um zu vergessen, welche Dimension der 2,18 Meter große und dennoch tiefe Dreier nehmende Center seinem Team gibt: Boston ist auch ohne ihn richtig gut - aber eben nicht "64-18 mit einem der besten Net Ratings der Geschichte"-gut. Und genug Zeit, um die Frage zu stellen, wie fit er nach einer so langen Pause überhaupt sein könnte.
Diese Frage hat der 28-Jährige in der Nacht auf Freitag eindrucksvoll beantwortet. 12:11 führten die Celtics, als Porzingis von der Bank erstmals aufs Parkett kam. 7:17 Minuten später war aus einem Punkt Vorsprung eine 17-Punkte-Führung geworden: Erst zwei Freiwürfe gegen Luka Doncic, dann ein Jumper aus der Mitteldistanz. Ein Drive zum Korb inklusive krachendem Dunk. Noch ein Jumper. Ein Transition-Dreier von ganz weit draußen, und dann noch Blocks gegen einen Jumper von Kyrie Irving und einen Dunk-Versuch von Josh Green. 20 Punkte und 3 Blocks von der Bank in den Finals, das hatte zuletzt Celtics-Legende Kevin McHale vor 40 Jahren gegen die Los Angeles Lakers geschafft. Dominanter kann man kaum auftreten.
"Als Matchup ist er ein Albtraum", staunte Derrick White. "Selbst wenn du gute Defense spielst, nimmt er dich kaum wahr. Und defensiv setzt er seine Länge gut ein und beeinflusst das Spiele in vielfacher Hinsicht. Er macht aus uns ein anderes, ein besseres Team." Was die Mavericks in dieser Phase auch versuchten, auf die heiße Hand des Letten hatte das keinen Einfluss. "Er konnte die Switches und folgenden Missmatches attackieren und hat sie ein ums andere Mal dafür büßen lassen", lobte Jaylen Brown, und sprach von einem "Monsterspiel": "Das brauchen wir von ihm auch weiterhin in der Serie."
Ob KP konstant so abliefern kann, gerade offensiv, das wird sich noch herausstellen müssen. "Die Unterstützung war echt krass", lobte er das Publikum im TD Garden, das ihn frenetisch angefeuert hatte. "Das Adrenalin ist durch meine Adern geströmt, das hat definitiv geholfen." Dieses Hoch muss der Körper erst einmal verarbeiten, die ungewohnte Belastung verdauen. Und spätestens in Spiel 3 in Dallas erwartet Porzingis eine ganz andere Atmosphäre.
Wenn er jedoch im Verlauf der Serie konstant 20 bis 25 Minuten spielen kann, könnte das schon reichen, um die Serie zu kippen - und vielleicht überraschend früh enden zu lassen. Nicht nur offensiv, wo er aufgrund der starken Mitspieler fast zwangsweise offene Würfe bekommen wird - und angesichts seiner Statur gibt es für ihn ja fast nur offene Würfe. Auch defensiv stellt er die Mavs vor ganz andere Herausforderungen, als es ein Al Horford mit seinen 38 Jahren zu tun vermag.
"Er war großartig für sie", musste auch Doncic anerkennen: "Er hat auf der einen Seite Würfe getroffen und auf der anderen Würfe geblockt." Dallas muss sich etwas einfallen lassen, um dem offenbar wieder topfitten Big Man beizukommen. Der zudem von den drei Tagen Pause vor Spiel 2 und dann noch einmal vor Spiel 3 profitieren wird.
Celtics vs. Mavericks: Die Stats-Leader in Spiel 1
Kategorie | Celtics | Mavericks |
Punkte | Brown (22) | Doncic (30) |
Rebounds | Tatum (11) | Doncic (10) |
Assists | Tatum, Holiday, White (je 5) | Irving (2) |
Steals | Brown (3) | Irving, Doncic (je 2) |
Blocks | Brown, Porzingis (je 3) | Kleber (1) |
NBA Finals: Die Mavericks brauchen mehr Dreier - nur wie?
Es passt zur Entwicklung der NBA in der vergangenen Dekade, dass in den Finals die Teams aufeinandertreffen, die in der Regular Season die meisten Dreier genommen haben: Mit 47 Prozent aller Würfe hinter der Dreipunktlinie lagen die Celtics hier auf Rang eins, die Mavericks (44 Prozent) direkt dahinter.
Boston blieb dieser Linie treu und drückte sogar zu über 50 Prozent von Downtown ab (42/82). Für das Team von Head Coach Joe Mazzulla ein äußerst vielversprechendes Rezept: Ist mehr als jeder zweite Wurf ein Dreier, hat man von 39 Spielen dieses Jahr 35 gewonnen. Dallas dagegen kam lediglich auf 27 Triples - und wer in den laufenden Playoffs weniger Dreier nimmt als der Gegner, gewinnt kaum mehr als jedes dritte Spiel (.360 Winning Percentage).
Zugegeben: Irgendwo ist das natürlich auch nur eine Milchmädchenrechnung. Sonst würde man ja mit jedem noch so sinnfreien Dreier die eigenen Chancen auf den Sieg steigern können. Nein, diese vielen Dreier nehmen gute Teams auch deswegen, weil sie von einer überforderten gegnerischen Defense zugelassen werden. Bei den Mavs vor allem aufgrund der enormen Anziehungskraft von Doncic - und bei den Celtics aufgrund einer historisch guten Starting Five, wo sich eigentlich immer ein Vorteil finden lässt. Heißt: Die Gegner schicken Hilfe - und irgendwo steht dann ein Dreierschütze offen.
Diese Rechnung ging bei den Celtics in Spiel 1 auf. Ob es nun Jayson Tatum war, der sich in Richtung Korb durchtankte, Brown, oder sogar einer der beiden Guards: Viel zu oft kam der Ballhandler am direkten Gegenspieler vorbei, ließ die Defense so rund um den Korb kollabieren - und sorgte so für offene Schützen am Perimeter. Sieben verwandelte Dreier waren es bereits nach Viertel 1, am Ende immerhin 16 Triples bei einer Trefferquote von 38 Prozent.
Dallas schaffte es dagegen nicht, derartige offene Würfe zu kreieren, gerade für die Rollenspieler, die im Playoff-Verlauf immer wieder geglänzt hatten. 17 der 29 Dreier gingen auf das Konto von Doncic und Irving, und die kamen hauptsächlich aus dem Eins-gegen-eins zustande. PJ Washington, Derrick Jones Jr., Maxi Kleber und Josh Green drückten zusammengenommen in über 100 Minuten ganze sechsmal von draußen ab - und trafen zweimal.
Warum? Weil sie schlicht und ergreifend fast nie offen waren. Die Pässe in die Ecken, die Doncic nach dem Pick-and-Roll fast mit verbundenen Augen zu seinen offen gelassenen Schützen feuern kann, die gab es nicht, denn die Celtics doppelten den vielleicht besten Spieler der Welt einfach nicht. Stattdessen wurden im Spielverlauf insgesamt sechs verschiedene Gegenspieler auf Doncic angesetzt, angeführt von Brown, der dem Slowenen das Leben so richtig schwer machte. So schaffte es der Mavs-Superstar zwar mit viel Mühe doch immer mal wieder in die Zone, doch dann waren weder die Alley-Oop-Anspiele auf die Center offen, noch die Pässe an die Dreierlinie. Ganze drei "Corner Threes" nahmen die Mavs in Spiel 1, weniger waren es laut Second Spectrum im Saisonverlauf nie.
"Sie spielen hauptsächlich Eins-gegen-eins", sagte Doncic nach der Niederlage. "Nur selten schicken sie Hilfe." Seine Fähigkeiten als Passgeber konnte er so nur selten ausspielen: Nur sechs potenzielle Assists verteilte er, zuvor waren es in der Postseason im Schnitt 15,4 gewesen. Von diesen sechs Würfen nach Doncic-Pass ging nur einer durch die Reuse, also knapp 17 Prozent Trefferquote (bisher 57 Prozent in den Playoffs). All das führte dazu, dass der 25-Jährige seinen Arbeitstag mit einem einzigen Assist beendete. So wenige wie noch nie in seiner Karriere, wenn er mindestens 35 Minuten auf dem Parkett stand.
NBA Finals: Ist mehr Ball Movement der Schlüssel für Dallas?
Mavs-Coach Jason Kidd setzte im Anschluss an die Partie vor allem auf mehr Ball Movement. "Wir müssen ihn mehr bewegen", forderte der 51-Jährige. "Der Ball ist zu oft kleben geblieben. Das werden wir in Spiel 2 besser machen." Ähnlich sah es Irving: "Der Ball muss ein bisschen mehr rotieren. Das fängt bei mir an, ich muss mehr aufs Tempo drücken und uns so einfache Würfe verschaffen."
Einfache Würfe wären beim West-Champion nach der schlechtesten Punkteausbeute der bisherigen Playoffs tatsächlich gern gesehen. Wie von Irving angesprochen zum Beispiel im Fastbreak, da waren es in der Nacht auf Freitag nur 6 Zähler. Auf den ersten Blick erschließt sich aber nicht, wie mehr Ball Movement der Schlüssel zum Erfolg werden kann. Sicherlich kann es auch nicht schaden, etwa wenn es dazu führen würde, dass die Mavs offensiv schneller in ihre Sets kommen.
Prinzipiell ist ihr Spiel eben heliozentrisch angelegt: Luka und Kyrie haben den Ball und treffen die Entscheidungen. Wenn die Celtics weiter konsequent switchen und nicht doppeln, führt ein stures Ball Movement um seiner selbst willen ja auch nicht zum offenen Wurf. Sonst steht plötzlich ein Derrick Jones Jr. mit dem Ball in der Hand am Flügel und muss die Entscheidungen treffen. Dann doch lieber ein Doncic, möchte man meinen.
Das Ganze muss dann schon etwas ausgeklügelter ausfallen, mit komplexeren Spielzügen und Bewegung abseits des Balles. Aber eine Read-and-React-Offense im Warriors-Stil wird Kidd bis Sonntag nicht installieren können - und so viele Shooter, die sich nach einem Sprint per Pick vom Gegenspieler befreien können, hat Dallas auch nicht.
NBA Finals: Ein Doncic allein reicht den Mavericks nicht
Was natürlich noch lange nicht heißt, dass die Mavs die Flinte ins Korn werfen sollten. Selbst wenn Kidd am Sonntag mit seinem Coaching Staff keinen genialen Winkelzug präsentieren kann, gibt es einige Dinge, die Dallas besser machen kann. Im Ballvortrag, beim Rebounding, oder auch im konsequenteren Ausnutzen von Missmatches. Washington etwa ist durchaus in der Liga, White im Post-Up ein paar Körbe einzuschenken.
Zusätzlich muss man bedenken, dass die Celtics vor Spiel 1 deutlich länger Pause hatten, und zudem das erfahrenere Team stellen. Für die meisten Mavericks war es das erste Finals-Spiel ihrer Karriere, da sind ein paar Schmetterlinge im Bauch völlig normal. Eine Klatsche in Spiel 1 auf fremdem Court ist für Dallas bekanntlich nichts Neues.
Was die stotternde Offense angeht: Manchmal muss man auch einfach das nehmen, was die Defense zulässt. Boston gibt Doncic bewusst das Eins-gegen-eins, auch nach einem Switch - so wie Dallas im Playoff-Verlauf bewusst die Zone besetzte und die Gegner dazu zwang, sie von außen zu schlagen. Die Taktik der Celtics nutzte Luka für 30 Punkte aus, und lag dabei bis kurz vor Schluss bei einer 50-Prozent-Quote aus dem Feld. Wenn er noch konsequenter den Abschluss sucht, könnten auch 40 oder noch mehr Punkte drin sein.
Aber auch das wird wohl nur reichen, wenn Irving seinen Teil beiträgt. Schließlich war das im Vorfeld der Serie als Dallas' großer Trumpf angesehen worden: Zwei Superstars im Backcourt, die für jeweils 30 Punkte gut sind. Bei Doncic waren es genau diese 30, Kyrie kam gegen sein ehemaliges Team nur auf 12. Fehlen 18 Punkte - der Rückstand betrug am Ende 19.
"Es ist nicht meine erste Niederlage in Boston", zeigte sich der 32-Jährige nach dem Spiel gelassen. "Es soll aber nicht zur Gewohnheit werden." Dafür sollte er schleunigst anfangen zu punkten.
NBA Finals - Celtics vs. Mavericks: Die Serie in der Übersicht
Spiel | Datum | Uhrzeit | Heim | Auswärts | Ergebnis |
1 | 7. Juni (Fr) | 2.30 Uhr | Boston Celtics | Dallas Mavericks | 107:89 |
2 | 10. Juni (Mo) | 2 Uhr | Boston Celtics | Dallas Mavericks | |
3 | 13. Juni (Do) | 2.30 Uhr | Dallas Mavericks | Boston Celtics | |
4 | 15. Juni (Sa) | 2.30 Uhr | Dallas Mavericks | Boston Celtics | |
5* | 18. Juni (Di) | 2.30 Uhr | Boston Celtics | Dallas Mavericks | |
6* | 21. Juni (Fr) | 2.30 Uhr | Dallas Mavericks | Boston Celtics | |
7* | 24. Juni (Mo) | 2 Uhr | Boston Celtics | Dallas Mavericks |