Seit Jaylen Brown in der Saison 2020/21 den Sprung zum All-Star machte haben die Celtics mit ihm und Jayson Tatum eins der besten Flügel-Duos der Liga, nur Kawhi Leonard und Paul George von den Clippers könnten ihnen bei voller Gesundheit den Titel streitig machen. Auch der Backcourt in Boston war in den vergangenen Jahren gut besetzt, eine Waffe vermissen die Celtics nun jedoch schon länger: Einen Center, der in Offense wie Defense zugleich glänzen kann.
Das Spiel von Al Holford ist sehr gut gealtert und er ist auch mit 37 noch ein wertvoller Spieler, mit seinem überragenden Stellungsspiel in der Defense kann er seine schwindende Athletik gut auffangen. In der zweiten Hälfte seiner Karriere hat er sich zudem einen sehr verlässlichen Dreier erarbeitet, Horford lässt auch den Ball gut laufen. Eine echte Gefahr im Postup ist er jedoch nicht mehr.
Ein brauchbares Spiel mit dem Rücken zum Korb entwickelte Robert Williams bisher gar nicht, der Timelord hatte zudem mit Verletzungen zu kämpfen und machte den nächsten Schritt nicht, womit seine Stärken bei Defense und Athletik bleiben. Williams wurde im Trade für Jrue Holiday abgegeben, hinter Porzingis und Horford wäre seine Rolle ohnehin nicht klar gewesen.
Mit Porzingis ist nun eine neue Ära angebrochen, er ist der beste und vollkommenste Big der Celtics seit Kevin Garnett. Bisher funktioniert das Einhorn in Boston so gut, wie es sich wohl auch die Celtics nur hätten träumen können. Bei allen Veranlagungen konnte er sein Potenzial schließlich zuvor kaum konstant abrufen, die Mavs und Wizards trennten sich ohne riesigen Gegenwert von ihm.
Kristaps Porzingis ist eine Waffe geworden im Post
Gerade die Post-Ups von Porzingis führten immer wieder zu Frust bei seinen Mannschaftskollegen und seinen Coaches, bei seiner Körpergröße von 2,21 Meter wünschten sie sich mehr Gefahr und Physis mit dem Rücken zum Korb. Bis zur Ankunft von Victor Wembanyama war er immerhin Jahre lang der größte Spieler der Liga, der konstant zum Einsatz kam (Sorry Boban!).
Gefährlichere Post-Ups muss man sich in Boston nicht mehr wünschen, Porzingis führt die Liga dort laut Synergy mit 1,39 Punkten pro Ballbesitz an (mindestens 0,5 pro Spiel). Er kommt von dort in 31,7 Prozent seiner Ballbesitze an die Freiwurflinie, niemand macht dies erfolgreicher. Im Hinblick auf die Playoffs könnte es sogar sinnvoll sein, Porzingis öfter als 3,1 Mal pro Spiel in den Post zu schicken. Damit ist er jedoch schon auf dem achten Platz der Liga, deutlich öfter schließen dort nur Joel Embiid (6,1) und Nikola Jokic (5,9) ab.
Nachdem die Celtics in der vergangenen Saison unterdurchschnittlich häufig mit dem Rücken zum Korb angriffen, sind sie dort aktuell auf dem zweiten Platz in der Frequenz und das beste Team in der Effizienz (13. letztes Jahr). Das liegt zu großen Teilen an Porzingis (aber auch Tatum, der sich hier enorm verbessert hat), der ein sehr gutes Team zur klar besten Mannschaft der bisherigen Regular Season machte. Die Celtics sind mit Porzingis auf dem Parkett 5,1 Punkte besser im Net-Rating als ohne ihn - und das, obwohl Boston derzeit eines der besten Net-Ratings aller Zeiten aufweist (+10,6).
So kam es doch überraschend, dass der Lette nicht mit der zweiten All-Star-Nominierung seiner Karriere belohnt wurde. Ein dritter All-Star der Celtics wäre nicht unverdient gewesen, sonst könnte man auch leicht für Porzingis anstatt Brown argumentieren. Mit dem Flügelspieler sind die Celtics tatsächlich 7,6 Punkte pro 100 Possession schlechter als ohne ihn.
Kristaps Porzingis: Die 2. All-Star-Nominierung fehlt
Porzingis wird es seinem Teamkollegen jedoch sicher gönnen, er zeigte sich nicht sehr enttäuscht vor dem All-Star-Wochenende. "Natürlich bringt solch eine Nominierung etwas Prestige mit sich, und vor fünf Jahren war das vielleicht etwas, was mir dauernd im Kopf war. Aber ehrlich gesagt ändert es nichts", sagte Porzingis damals und führte aus: "Ein großer Teil von mir ist sogar glücklich. Ich kann nach Miami oder anderswo mit Sonne hingehen, mich etwas bräunen, ein paar Gewichte heben. Ich kann meinen Körper für die Postseason vorbereiten."
Man kauft dies Porzingis leicht ab, der Hüne wirkt in Boston insgesamt sehr glücklich. "Ich habe nicht aufgehört zu lächeln, seit ich hier bin", wiederholte er vor knapp zwei Wochen nach dem Blowout der Celtics gegen die Netsimmer wieder: "Ich genieße es so sehr, hier zu sein. Für diese Organisation zu spielen, für diese Fans, ist unglaublich."
"Wir haben das Kaliber eines Meisterschaftsteams. Die Erwartungen und das Ziel sind, zu gewinnen", führte Porzingis aus: "Manche Dinge werden hier anders gehandhabt und mit einem deutlich höheren Standard als bei anderen Mannschaften, in denen ich gespielt habe. Es ist einfach eine großartige Organisation. Wir Spieler haben das Gefühl, uns jeden Tag Mühe geben zu müssen."
Mit den anderen Teams meinte er vermutlich nicht nur die Wizards und Knicks, auch bei den Mavs zeigte sich Porzingis nicht immer zufrieden. Im Podcast "Old Man and the 3" bestätigte er, dass es zwischen ihm und Doncic teilweise einen "Pisswettbewerb" gab, wie es der Host J.J. Redick nannte: "Am Anfang auf jeden Fall". Die Spannung zwischen ihm und Doncic habe auch dazu beigetragen, dass es in Dallas sportlich nicht immer so lief wie erhofft.
Kristaps Porzingis: Seine Karrierestatistiken
Team | Spiele | Minuten | FG% | 3P% | Rebounds | Assists | Blocks | Turnover | Punkte |
Knicks (2015-19) | 185 | 31,0 | 43,7 | 36,1 | 5,4 | 1,3 | 2,0 | 1,8 | 17,8 |
Mavericks (2019-22) | 134 | 30,9 | 44,8 | 34,5 | 7,0 | 1,8 | 1,7 | 1,5 | 20,0 |
Wizards (2022-23) | 82 | 31,7 | 49,3 | 38,2 | 6,6 | 2,7 | 1,5 | 2,0 | 22,9 |
Celtics (Seit 2023) | 43 | 29,6 | 52,5 | 37,0 | 5,3 | 1,9 | 1,8 | 1,6 | 20,2 |
Dallas Mavericks: Porzingis gesteht Fehler im Umgang mit Doncic ein
"Wir haben beide versucht, eine Lösung zu finden", verriet Porzingis: "Ich glaube, wir hätten beide erwachsener sein müssen und besser kommunizieren müssen." Rückblickend sagte er auch: "Es war eine Mischung aus vielen Sachen. Ich war damals nicht so überzeugt von Analytics und Zahlen. Hätte mir damals jemand dies auf die richtige Art und Weise präsentiert und es mir besser erklärt, hätte es glaube ich auch einen kleinen Unterschied gemacht."
Porzingis scheut sich nicht davor, eigene Fehler einzugestehen. "Ich hätte damals einfach annehmen sollen, was von mir gefordert wird, und es so gut wie möglich machen sollen", sagte er im Gespräch mit Redick: "Ich war jung und habe einige Sachen aus Trotz gemacht, manchmal bin ich absichtlich in einer Ecke stehen geblieben. Diese Einstellung hatte ich teilweise, und das war nicht richtig.
Schon im Mai vergangenen Jahres verriet er bei "The Ariel Helwani Basketball Show", dass er zum Ende seiner Zeit in Dallas den Spaß am Basketball verloren habe. "Ich wollte einfach wieder Spaß haben und das Spiel genießen", sagte er über seinen Trade von den Mavericks zu den Wizards im Februar 2022. "Es war einfach nicht die perfekte Situation dort."
Er bestätigte damals, dass es mit Doncic nicht sehr gut passte. "Wir haben nie auf dem Level gespielt, wie wir es vielleicht gekonnt hätten. Ein Großteil der Schuld liegt bei mir. Ich habe nicht auf dem Level gespielt, wie jetzt. Früher oder später wäre es wohl in jedem Fall zu einem Trade gekommen."
Boston Celtics: Porzingis könnte den Unterschied machen
Der Zwischenstopp bei den tankenden Wizards tat Porzingis offenbar gut, um seinen Spaß am Spiel wiederzufinden. Auch sonst hätte die Zeit für Porzingis nach dem Abschied von Dallas kaum besser laufen können, bei den Celtics ist er beim Favoriten der Eastern Conference angekommen. Seit der vergangenen Saison ist er auch für seine Verhältnisse recht gesund, dies ist ihm gerade zu diesem Zeitpunkt auch weiter zu wünschen. Bei den Celtics könnte er sich in den kommenden Playoffs zum Volkshelden machen.
Die Fans in Boston werden die Playoff-Enttäuschungen der vergangenen Jahre nicht so schnell vergessen, der ein oder andere wacht wahrscheinlich noch schweißgebadet auf nach Albträumen von den passiven Schlussphasen voller Jumpshots und kaum Zug zum Korb. Tatum und Brown werden die Chance bekommen, zu zeigen, dass sie aus ihren Fehlern gelernt haben.
Nun steht aber auch eine weitere starke Option am Zonenrand zur Verfügung, in schwierigen Phasen könnte ein trockener Jumper von Porzingis über die ausgestreckten Arme seines hilflosen Gegners den Celtics die nötige Ruhe und Zuversicht geben. Diesen Wurf trifft Porzingis diese Saison extrem gut aus dem Post mit über 77 Prozent.
Gegnerische Teams versuchen wie in den Vorjahren weiter, viel gegen die Celtics zu switchen. Damit hatten die Warriors großen Erfolg in den Finals, auch Miami warf Boston unter anderem deswegen aus den Playoffs. Das kann Porzingis nun jedoch bestrafen. Den Spitznamen wird er wegen Sixers-Fans niemals bekommen, Porzingis könnte jedoch die Antwort für die Celtics sein.