Außerdem: Welche Spieler könnte Denver im Sommer verlieren - und ist Nikola Jokic nun der beste Spieler der NBA?
Nuggets: Warum konnte sie niemand auf dem Weg zum Titel gefährden?
Nicht wenige rechneten mit wilden Playoffs und zu einem gewissen Grad bestätigte sich das. Es gab jede Menge Upsets, einen 8-Seed in den Finals und eben die Denver Nuggets, die aus ihrer Konkurrenz Kleinholz machten. Nur vier Niederlagen mussten Nikola Jokic und Co. hinnehmen, in den vergangenen 20 Jahren wurden nur die Curry-KD-Warriors im Jahr 2017 überzeugender Champion (damals 16-1, Rekord mit Lakers 2001).
Die Nuggets hatten laut Cleaning the Glass ein Net-Rating von +9,2, es folgte Boston mit +3 auf Rang zwei - das sind Welten. Nicht wenige monierten vor den Playoffs, dass es kein dominantes Team gäbe, doch genau das waren die Nuggets. Die Anzeichen dafür waren da, nur ließ man sich von der schwachen Phase nach dem All-Star Game blenden, als die Nuggets schon über Wochen als Top-Seed im Westen quasi feststanden.
Dazu half, dass Coach Michael Malone seine Rotation radikal einkürzte und die komplette Postseason auf lediglich acht Spieler vertraute. Aaron Gordon gab den Backup-Fünfer und behob so das größte Problem - die Minuten ohne Jokic. In der Regular Season hatten die Nuggets ein Net-Rating von -11,6 ohne ihren Superstar, in den Playoffs betrug es dagegen +4, was so nicht zu erwarten war.
Die Teile passten einfach zusammen. Fast jeder kann mit dem Ball etwas anfangen und kreieren, dazu hatten die Nuggets mit ihrer Länge in fast jeder Serie Vorteile. Hinzu kam, dass sich quasi jeder Gegner Denver anpassen und dafür etwas opfern musste. Als Beispiel kann die Lakers-Serie dienen. Denver machte einen der besten Schützen in D'Angelo Russell beinahe unspielbar, sodass diese mehr Dennis Schröder spielen mussten und damit sich ihrer eigenen Offense beschnitten.
Man kann in so ziemlich jeder Serie solche Fälle finden, während Denver mit der kleinen Ausnahme von Rookie Christian Braun immer auf die gleichen Spieler vertrauen konnte. Es half auch, dass Jamal Murray wieder sein Bubble-Niveau erreichte, mit einem weiteren scorenden Guard, der jederzeit für sich selbst kreieren konnte, machte dies die Offense noch einmal explosiver.
So gab es Spiele, in denen Jokic nicht das Alpha und Omega der Offense sein musste und hier und da das Scoring zurückschrauben konnte. Dass dieser dennoch 30 Zähler und 8 Assists im Schnitt auflegte (das gelang bei einem Champ zuletzt Michael Jordan 1991), zeigt, wie groß die Spanne für Fehler bei Denver war.
Denver Nuggets: Wie ist der Titel-Run einzuschätzen?
Es gibt bereits die ersten Stimmen, dass Denver in diesen Playoffs keine echten Gegner hatte, unter anderem weil man nur einen 8-Seed, 4-Seed, 7-Seed und einen weiteren 8-Seed schlug. Statistisch gesehen war es noch nie so "einfach", 16 Siege zu erlangen. Das erzählt jedoch nur die halbe Wahrheit und blendet den Kontext aus.
Auf ihrem Weg zum Titel mussten die Nuggets Karl-Anthony Towns, Rudy Gobert, Anthony Edwards, Chris Paul, Devin Booker, Kevin Durant, Anthony Davis, LeBron James, Jimmy Butler und Bam Adebayo aus dem Weg räumen. Das sind geschmeidige zwölf (Ex-)All-Stars. Die Nuggets ließen das leicht aussehen, dennoch bespielten sie in diesen knapp zwei Monaten die Creme de la Creme in der NBA. Dass Milwaukee und Boston nicht fähig waren, diese Miami Heat zu schlagen, kann man Denver nicht anlasten.
Denver Nuggets: Der Weg zum Titel
Runde | Gegner | Ergebnis |
Erste Runde | (8) Minnesota Timberwolves | 4-1 |
Conference Semifinals | (4) Phoenix Suns | 4-2 |
Conference Finals | (7) Los Angeles Lakers | 4-0 |
NBA Finals | (8) Miami Heat | 4-1 |
Stattdessen sollte anerkannt werden, dass die Nuggets einen Warriors-esquen Run hinlegten und das mit Abstand beste Team der Liga waren. Dabei half der eigene Stil, welcher herausstach. In einer Umwelt voller Pace, Space und Dreier spielten die Nuggets eher langsam, fast immer mit großen Aufstellungen und waren nicht vom Dreier abhängig.
Alleine in den Finals gewannen die Nuggets drei Spiele, in denen sie unter 30 Prozent schossen. Von allen Playoff-Teams warfen nur die Lakers, Knicks und Suns prozentual von draußen weniger. Stattdessen war Denver dank Jokic das dominierende Team in der Zone, entsprechend wenigen Schwankungen unterlag diese Mannschaft.
Vielmehr war der Dreier für die Nuggets eher ein Bonus, weil sie sich ansonsten so viele leichte Punkte durch Cuts oder die Brillanz von Jokic in der Zone erspielten.
Nuggets: Ist Nikola Jokic der beste Spieler der Welt?
Apropos Jokic: Der hat mit seinem Postseason-Run endgültig die letzten Zweifler verstummen lassen. Zahlreiche Rekorde brach der Joker in diesen Playoffs, hier nur eine kurze Auswahl:
- Erster Spieler mit mindestens 500 Punkten, 250 Rebounds und 150 Assists in einem Playoff-Run.
- Meiste Triple-Doubles in einem Playoff-Run (10)
- Erster Spieler, der die Playoffs in Punkten, Rebounds und Assists anführt
- Erster Spieler mit einem 30-20-10-Spiel in den NBA Finals
Die Liste lässt sich beliebig fortführen, demonstriert aber auch, wie gut Jokic in diesen Playoffs war. Sein Box Plus-Minus für einen Spieler, der mit seinem Team Champion wurde, wird nur von Michael Jordan (1991) getoppt, bei "Value over Replacement" liegen nur Tim Duncan (2003), LeBron James (2012, 2013) sowie Larry Bird (1984) vor ihm.
Im Eins-gegen-Eins war Jokic von elitären Defensiv-Bigs wie Gobert, Davis oder Adebayo nicht zu stoppen, auch die Variante mit einem kleineren Big und dem Shotblocker als Help Defender, wie es vor allem die Lakers mit Rui Hachimura versuchten, fruchtete nicht. Jokic ist ein zu guter Scorer und vor allem ein zu guter Passgeber, als dass ihn das nachhaltig beeinflusst.
Dieses komplette Skillset gepaart mit einer beeindruckenden Konstanz ist im Moment nicht zu toppen. Und dabei beginnt erst jetzt die Prime des Serben, dessen Spiel kaum auf Athletik fußt und entsprechend gut altern sollte. Nach LeBron und Stephen Curry ist nun Jokic als das Gesicht der Liga an der Reihe.
Nuggets: Wird Jamal Murray in der kommenden Saison erstmals All-Star?
Gesichert ist es natürlich nicht, aber mit seinen Leistungen in diesen Playoffs hätte es für den Kanadier auch zu einer All-NBA-Nominierung gereicht. Was Murray allerdings in den meisten Jahren zum Verhängnis wurde, war (neben der schweren Verletzung im April 2021) seine Angewohnheit, langsam in eine Saison zu starten.
Meist dauerte es bis Dezember oder gar Januar, bis Murray seinen Rhythmus fand, da war der All-Star-Zug meist bereits abgefahren. Durch die gewonnene Aufmerksamkeit sollten Murrays Karten unabhängig von seinen Leistungen nun aber besser sein.
Letztlich hängt es von ihm selbst ab. Bestätigt er seinen Postseason-Run, wird Denver im kommenden Jahr zwei All-Stars stellen und Murray das Label als "Bester aktiver Spieler ohne All-Star-Teilnahme" ablegen.
Nuggets: Kann Bruce Brown gehalten werden?
Seine Verpflichtung war der Steal des Sommers. Für nicht einmal 6,5 Millionen Dollar im Jahr sicherten sich die Nuggets die Dienste von Brown, der laut eigener Aussage von den Brooklyn Nets und auch von anderen Teams kein Angebot erhalten hatte. Es habe aufgrund seiner eigentümlichen Rolle als Mini-Fünfer Zweifel gegeben, doch in Denver passte Brown (wie viele schon im Sommer prophezeiten) perfekt ins Team.
Brown überzeugte als Cutter, mit seiner Perimeter-Defense und übernahm sogar Playmaking-Aufgaben. Dies hatte er bereits vor seiner Zeit in Brooklyn bei den Pistons angedeutet, für die er zeitweise als Point Guard auflief. Auch hier: Wer genau hingeschaut hat, der konnte ahnen, wie gut Brown zu den Nuggets passen würde.
Nun sollten es alle wissen und Brown, der in seiner Karriere bislang nur 15 Millionen Dollar verdient hat, sollte Angebote bekommen, die dieser Zahl bedenklich nahe kommen. Damit könnten die Nuggets nicht mithalten, sie können maximal ein Salär von 7,8 Millionen für die kommende Saison anbieten.
Brown beteuerte während der Feierlichkeiten zumindest, dass ein Verbleib in der Mile High City seine präferierte Option wäre. "Schaut euch das an. Wir feiern hier gerade die Meisterschaft. Dafür bist du in der NBA. Du willst auf dem höchsten Niveau gewinnen. Der Fit ist perfekt und Geld ist nicht alles. Das Geld wird schon irgendwie kommen, deswegen mache ich mir jetzt keine Sorgen."
Das Geld wird also kommen. Ist das ein Wink, dass es einen Unter-dem-Tisch-Deal gibt? Denn: Wenn Brown einen neuen 1+1-Deal in Denver unterschreibt, könnten die Nuggets schon ab 2024 rund 55 Millionen Dollar für weitere vier Jahre anbieten, was für einen Spieler wie Brown sehr ordentlich ist. Verloren ist der Fall Brown zumindest noch nicht, es sei denn, ein anderes Team macht wirklich ein unverschämt gutes Angebot.
Nuggets: Welche Entscheidungen stehen sonst im Sommer an?
Neben Browns Deal läuft auch der Vertrag von Jeff Green aus, der auch mit 36 Jahren grundsolide ist. Möglich, dass er für einen Minimum-Deal unterschreibt. Die anderen Free Agents wie Reggie Jackson, Ish Smith, Thomas Bryant oder DeAndre Jordan spielten keine Rolle und würden ebenfalls maximal für das Minimum bleiben.
Anders werden die Nuggets ihren Kader auch nicht füllen können, da Denver Gefahr läuft, den "Second Apron" zu erreichen. Die Aufgabe für Denver wird sein, für das Minimum nützliche Rotationsspieler für die Regular Season zu finden.
Prioritäten sollten dabei ein Backup-Point-Guard sowie ein Ersatz für Jokic sein, was in der vergangenen Saison über die komplette Spielzeit ein Problem war. Die Playoff-Rotation war zwar herausragend, aber die Nuggets werden nicht über 82 Spiele immer nur acht Spieler von der Leine lassen, das ist schlichtweg nicht zu stemmen und war auch einer der Gründe, warum Denver "nur" 53 Spiele gewann und ein Net-Rating von knapp über 3 hatte.
Nuggets: Diese Spieler werden Free Agents
Spieler (Alter) | Position | Gehalt 22/23 | Anmerkung |
Bruce Brown (26) | Guard | 6,5 | Spieler-Option (6,8 Mio.) |
Thomas Bryant (25) | Center | 2,1 | Unrestricted |
Jeff Green (36) | Forward | 4,5 | Unrestricted |
Reggie Jackson (33) | Guard | 0,9 | Unrestricted |
DeAndre Jordan (34) | Center | 2,9 | Unrestricted |
Ish Smith (34) | Guard | 4,5 | Unrestricted |
Nuggets: Auch in der kommenden Saison Favorit?
Geht es nach Las Vegas, sind die Nuggets vor der Free Agency erneut der heißeste Anwärter auf den Titel. Warum auch nicht? Die Mannschaft ist eingespielt, mindestens sieben der acht Säulen kehren zurück und stehen langfristig unter Vertrag, was Denver über Jahre zu einem Contender erster Klasse machen sollte.
2024 kann KCP aussteigen, 2025 wird Murray Free Agent und Gordon kann ebenfalls seine Option verstreichen lassen. Bis dahin ist es aber noch eine Weile und mit Jokic haben die Nuggets ohnehin langfristig Sicherheit, da dieser sogar noch bis 2028 unter Vertrag steht und keine Anstalten macht, Denver jemals zu verlassen.
Spieler (Alter) | Position | 23/24 | 24/25 | 25/26 | 26/27 | 27/28 |
Nikola Jokic (28) | Center | 46,9 | 50,7 | 54,4 | 58,2 | 61,9* |
Jamal Murray (26) | Guard | 33,8 | 36,0 | UFA | - | - |
Michael Porter Jr. (24) | Forward | 33,4 | 35,9 | 38,3 | 40,8*** | UFA |
Aaron Gordon (27) | Forward | 21,3 | 22,8 | 22,8* | UFA | - |
Kentavious Caldwell-Pope (30) | Guard | 14,7 | 15,4* | UFA | - | - |
Zeke Nnaji (22) | Center | 4,3 | RFA | - | - | - |
Christian Braun (22) | Forward | 2,9 | 3,1** | 4,9** | RFA | - |
Peyton Watson (20) | Forward | 2,3 | 2,4** | 4,4** | RFA | - |
Vlatko Cancar (26) | Forward | 2,2 | 2,3** | UFA | - | - |
* Spieler-Option, ** Team-Option, *** nicht oder nur zu Teilen garantiert, UFA = Unrestricted Free Agent, RFA = Restricted Free Agent
Die Voraussetzung für eine kleine Dynastie sind durchaus gegeben, auch weil der Kern der Mannschaft so jung ist. Keiner der Starter ist über 30 Jahre alt, problematisch könnte es erst werden, wenn Murray einen neuen (fetten) Vertrag erhält und Denvers Flirt mit dem "Second Apron" nicht mehr nur ein Flirt ist.
Solange werden andere Teams versuchen, Denver zu entschlüsseln. Braucht es wirklich einen echten Center, um Jokic zu stoppen oder wie ist es möglich, die Nuggets zu schlagen? Ansätze waren zumindest zu sehen. Explosive Guards wie Edwards oder Booker brachten die Nuggets-Defense ins Wanken, im Zusammenspiel mit fünf wurfstarken Spielern kann dies Denver Probleme bereiten. So ein Team zu konstruieren, ist aber leichter gesagt als getan, erst recht auf die Schnelle. So spricht vieles dafür, dass Denver im kommenden Jahr gute Chancen besitzt, als erstes Team seit den Golden State Warriors 2018 ihren Titel zu verteidigen.