In den vergangenen Wochen keimte im Lager der Nets doch noch mal so etwas wie Hoffnung auf. Ließe sich Kevin Durant vielleicht doch noch zu einem Verbleib bewegen? Die Antwort hätte nach einem Treffen zwischen Teambesitzer Joe Tsai und dem wechselwilligen KD nicht eindeutiger ausfallen können: Nur über die "Leichen" von General Manager Sean Marks und Head Coach Steve Nash.
Der 33-Jährige hat seinem (Noch-)Arbeitgeber mit einem Ultimatum die Pistole auf die Brust gesetzt, das nur Verlierer hervorbringt. Die Nets, weil sie ihren Superstar wohl endgültig gehen lassen müssen - Tsai hat sich in einem Tweet klar auf der Seite seines GM und Coaches positioniert - und damit einen der besten Basketballer der Welt verloren. Und Durant selbst, der sich einen schwarzen Fleck auf seinem Vermächtnis schafft.
Niemand sollte den Fehler machen, in Anbetracht des Sommer-Dramas die sportliche Legacy Durants in Frage zu stellen: zweifacher Champions, zweifacher Finals-MVP, zwölffacher All-Star, vierfachen Scoring-Champion, und und und. Durant gehört schon jetzt in die Riege der Top 15 All-Time.
Doch abseits des Parketts verliert er immer mehr Freunde.
Kevin Durant: Die Nets tanzten jahrelang nach seiner Pfeife
Das ging freilich schon 2016 mit dem Wechsel zu den Warriors los, auch wenn dieser sportlich die richtige Wahl war. Wirklich Erfüllung brachten ihm die zwei Titel an der Seite der Dubs-Urgesteine Stephen Curry, Klay Thompson und Draymond Green offenbar nicht. Durant wollte etwas Eigenes aufbauen, gemeinsam mit Buddy Kyrie Irving wählte er dafür 2019 die Brooklyn Nets. Er schuf sich weitestgehend eine Umgebung nach den eigenen Vorstellungen - und reißt diese nun selbst wieder ein.
Die Trade-Forderung und nun die nächste Eskalationsstufe mit dem Ultimatum ist kaum verständlich. Seit der Ankunft von Durant und Irving im Sommer 2019 haben GM Marks und die gesamte Organisation so gut wie alles getan, um das Star-Duo glücklich zu machen.
Das ging mit einem üppigen Vertrag für deren Kumpel DeAndre Jordan los und setzte sich mit der "einvernehmlichen Trennung" von Coach Kenny Atkinson fort, der zuvor maßgeblich am Aufbau einer neuen Kultur in Brooklyn und dem Ablegen des Verliererimages beteiligt war. The Athletic vermeldete damals, dass Durant und Irving wohl kein großes Interesse gehabt hätten, unter Atkinson zu spielen. Angeblich auch deshalb, weil der Center Jarrett Allen ihrem Spezi Jordan vorzog.
Kaum war Atkinson weg, wurde der erfahrenere, aber qualitativ schlechtere Jordan in die Starting Five befördert. Als neuer Head Coach wurde schließlich ein guter Bekannter Durants geholt: Steve Nash arbeitete bereits als Warriors-Berater mit KD zusammen, und der stärkte seinem Coach - der nicht immer einen guten Eindruck auf seinem Posten hinterlassen hat - selbst nach dem Playoff-Aus gegen Boston im April noch den Rücken: "Steve hatte in den vergangenen zwei Jahren verrückte Karten auf der Hand, mit denen er spielen musste. Ich bin stolz auf ihn, wie fokussiert er ist und mit welcher Leidenschaft er arbeitet."
Durant-Drama: Player Empowerment der schlechten Sorte
Für diese "verrückten Karten" sind auch KD und Kyrie verantwortlich. Durant war bekanntermaßen ein Befürworter des Trades für James Harden, zudem soll er sich für die Verpflichtung von beispielsweise LaMarcus Aldridge stark gemacht haben. Soll heißen: Durant hatte enorm viel Macht innerhalb der Organisation und jede Menge Mitspracherecht.
Doch jetzt, ziemlich genau ein Jahr nach einer vorzeitigen Vertragsverlängerung bis 2026, hat er offenbar das Vertrauen in den eingeschlagenen Weg verloren. Also in den Weg, den er selbst mitgestaltet hat.
Was genau in den letzten zwölf Monaten zu diesem Sinneswandel geführt hat, darüber lässt sich nur spekulieren. Sportlich erfüllten die Nets-Teams nicht die Erwartungen, waren aber auch von Verletzungen und Kyries Impfverweigerung gebeutelt.
Womöglich war der Knackpunkt das eine Mal, in der Marks eben nicht nach den Pfeifen seiner Stars tanzte und Irving einen langfristigen Vertrag verwehrte. Verständlicherweise übrigens in Anbetracht der Unzuverlässigkeit des Point Guards.
KD und die Brooklyn Nets: Zahlen die übrigen Spieler den Preis?
Natürlich kann man auch Marks und das Front Office der Nets dafür kritisieren, den Stars viel zu lange fast jeden Wunsch von den Lippen abgelesen zu haben. Oder dafür, die eigene Kultur nach dem erfolgreichen Wiederaufbau für zwei Superstars geopfert zu haben. Allerdings hätten wohl alle 29 anderen Franchises genauso gehandelt, wenn sie eine Chance auf das Durant/Irving-Tandem gehabt hätten.
Den Nets ist dieses Konstrukt nun gewaltig auf die Füße gefallen. Doch auch für die Spieler könnte dieser Sommer noch Konsequenzen haben: Das Thema "Player Empowerment" wird sicherlich auch in den anstehenden CBA-Verhandlungen eine Rolle spielen (im Dezember können theoretisch beide Seiten aus dem aktuellen Tarifvertrag aussteigen). Kaum einem Teambesitzer wird es gefallen, dass ein NBA-Star dem eigenen Team die Waffe auf die Brust setzen kann, wie es Durant in diesem Sommer oder Ben Simmons mit seinem Streik getan hat. Ohne, dass das deutliche Konsequenzen nach sich gezogen hätte.
Wirkliche Klarheit über die Zukunft von KD gibt es übrigens auch nach dem Treffen zwischen Owner und Superstar nicht. Marks und Nash halten offenbar weiterhin die Zügel in der Hand, das Ultimatum hilft ihnen bei ihrer Verhandlungsposition jedoch natürlich nicht. Dennoch halten sie den Preis hoch.
Das Durant-Drama könnte sich noch eine ganze Weile ziehen - und womöglich noch hässlicher werden.
NBA: Kevin Durants Statistiken bei den Brooklyn Nets
Saison | Spiele / Minuten | Punkte | Rebounds | Assists | FG | 3FG |
2019/20 | Verletzungsbedingt kein Spiel absolviert | - | - | - | - | - |
2020/21 | 35 / 33,1 | 26,9 | 7,1 | 5,6 | 53,7 | 45,0 |
2021/22 | 55 / 37,2 | 29,9 | 7,4 | 6,4 | 51,8 | 38,3 |
Gesamt | 90 / 35,6 | 28,7 | 7,3 | 6,1 | 52,5 | 40,9 |