Attic Orlando, ein Nachtklub in der viertgrößten Stadt Floridas, Juli 2014: Es war kein gewöhnlicher Ort, um einen 46 Millionen Dollar schweren Vertrag zu unterschreiben, umgeben von dröhnenden Bassboxen und Unmengen an alkoholischen Kaltgetränken. Doch für die Zeit von Chandler Parsons (der aus Orlando stammt) bei den Dallas Mavericks und sein Verhältnis zum schillernden Owner Mark Cuban hätte er nicht passender sein können.
"Pay the Guy!!", ließ Parsons' College-Freund Dan Morgan die Basketball-Welt via Twitter unter einem Foto wissen, das ihn gemeinsam mit Parsons und Cuban im Attic zeigt, kurz nachdem die Tinte unter dem Dreijahreskontrakt des Flügelspielers getrocknet war. Parsons war ein Restricted Free Agent der Houston Rockets, trotz starker Vorsaison (16,6 Punkte, 37 Prozent 3FG, 5,5 Rebounds, 4,4 Assists) entschied sich der texanische Rivale in der Folge nach langem Grübeln dagegen, das Angebot zu matchen.
"Ich war definitiv ein bisschen überrascht", erklärte Parsons im Nachgang und bescheinigte seinem Agenten Dan Fegan, einen "großartigen Job" damit gemacht zu haben, Houston unter Druck zu setzen und die aus finanzieller Sicht beste Offerte für seinen Klienten herauszuholen.
Von Tag eins in Dallas an zeigte sich, dass Cuban für das vermeintlich neue Aushängeschild der Mavericks - seit der Championship 2011 waren sie nicht mehr über die erste Playoffrunde hinaus gekommen - mehr als ein normaler Geldgeber war. "Wir sind Freunde. Er war zwar der Owner des Teams, aber ich blickte auf ihn nicht anders als auf meine anderen Freunde. Wir haben Dinge unternommen, haben abgehangen und die gleichen Aktivitäten abseits des Feldes genossen", sagte Parsons 2016 zu ESPN.
Zwar war Cuban seit jeher dafür bekannt, engere Beziehungen zu seinen Spielern zu pflegen, als dies für Teambesitzer üblich war, doch mit Parsons war es anders. Undenkbar wäre es trotz der engen Verbindung gewesen, mit Dirk Nowitzki regelmäßig nächtliche Ausflüge zu unternehmen oder die Offseason in Klubs in Las Vegas oder Los Angeles zu verbringen. Anders verhielt es sich mit Parsons, der bald sogar in zukunftsträchtige Entscheidungen der Franchise involviert wurde.
Parsons Kaderplaner der Mavericks: Jordan statt Ellis
Besonders deutlich wird dies ein Jahr nach dem Signing: Parsons hatte eine ordentliche Debütsaison mit vereinzelten Highlights gespielt (15,7 Punkte, 4,9 Rebounds, 38 Prozent 3FG), immerhin 66-mal zur Verfügung gestanden und zumindest in Ansätzen gezeigt, was sich die Mavs von ihm erhofften: Entlastung als Ballhandler, gute Defense und ein verlässlicher Dreier.
In der Endphase der Spielzeit erlitt er einen Knorpelschaden im Knie, sodass er größtenteils aussetzen musste und auch das Erstrundenaus gegen sein altes Team in fünf Spielen nicht abwenden konnte (nur 36 Minuten in Game 1). Nach der durchgeführten Arthroskopie herrschte Optimismus, dass Parsons in der neuen Saison von Beginn an mitwirken kann - und diese musste vernünftig geplant werden!
Mit DeAndre Jordan war das primäre Ziel schnell ausgemacht. Der Elite-Verteidiger sollte Nowitzki in der Defensive entlasten, wie es zuvor Tyson Chandler gemacht hatte und mit seinen Fähigkeiten als Roll Man das Spiel von Parsons komplementieren. Topscorer und Free Agent Monta Ellis, auf und abseits des Feldes kein guter Fit für den Chef-Recruiter, durfte gehen. Jordan war Parsons bereits seit seiner Jugend vertraut, zudem einte sie der Agent. Und Cuban segnete das Vorhaben ab.
Parsons wich den gesamten Sommer über kaum von Jordans Seite, lud zum Wein-Dinner und Sushi-All-You-Can-Eat. Auch Cuban war selten weit entfernt, Parsons reiste häufig mit dem Privatjet des Milliardärs. Ob in Malibu, Hollywood oder in Jordans Heimat Houston wurde kräftig geworben, stets angeführt von Parsons. Und Jordan sagte tatsächlich mündlich zu, in einem von Cubans Häusern wurde die Einigung gebührend gefeiert. Der Ausgang ist bekannt: Jordan änderte seine Meinung, war tagelang nicht mehr zu erreichen und blieb bei den Clippers.
Dallas Mavericks: Knorpelschaden leitet Parsons-Abgang ein
In der Folge mussten die Mavs ohne Jordan auskommen, hatten Meister-Center Chandler abgegeben und den noch an den Folgen eines Achillessehnenrisses leidenden Wesley Matthews mit einem viel zu teuren 70-Millionen-Dollar Vertrag über vier Jahre ausgestattet. Die Saison verlief für Dallas enttäuschend, nach 50 Siegen reichte es nur noch für 42, es setzte das nächste Aus in Runde eins der Postseason (1-4 gegen OKC) - und auch für Parsons selbst ging es ab diesem Punkt nur noch bergab.
Der Saisonstart verlief nach dem Knie-Eingriff holprig, als er zu alter Leistung gefunden hatte (18/6 bei 51,9/47,7 Prozent in den letzten zwei Monaten), folgte im März 2016 der Schock: Meniskusriss im gleichen Knie, nächste OP! "So sehr es mich auch schmerzte, dass meine Saison vorzeitig vorbei war, wusste ich, dass sie nicht das Karriereende bedeutet und sich Mark finanziell um mich kümmern würde", blickte Parsons zurück und deutete an, dass er sich in gewisser Weise in Cuban getäuscht hat.
Denn: Sein drittes Vertragsjahr beinhaltete eine Spieleroption (16 Millionen). Während der Owner ihn davon überzeugen wollte, diese zu ziehen und bei weiter ansteigendem Salary Cap ein Jahr später einen größeren Vertrag zu unterschreiben, war Parsons an frühzeitiger Planungssicherheit interessiert - idealerweise in Form eines Maximal-Vertrags bei den Mavs. Parsons stieg aus seinem Vertrag aus.