Der beste Saisonstart seit sechs Jahren. Dieses Fazit konnten die Mavericks zumindest beim Blick auf die Bilanz nach den ersten 13 Spielen ziehen, ein 9-4-Start gelang Dallas zuvor letztmals in der Saison 2015/16. Doch anschließend befanden sich die Texaner im freien Fall: Neun der nächsten 13 Partien gingen verloren, die anfangs gute Bilanz ist zunichte, der erfolgreiche Auftakt scheint bei Spielern und Fans zugleich vergessen. Daran änderte auch der Pflichtsieg in Oklahoma City wenig.
"Wir wussten, dass wir diesen Sieg brauchen - und zwar dringend", sagte Doncic zuletzt nach einem schwierigen Sieg seines Teams gegen Memphis. Schwierig ist das passende Stichwort für die Mavs in ihrer aktuellen Form, die Offense scheint sich jeden Punkt hart erkämpfen zu müssen.
Die Mavericks gehören beim Anteil ihrer Punkte, die im Fastbreak, bei Freiwürfen oder in der gegnerischen Zone erzielt werden, zu den sechs schlechtesten Teams der Liga, in jeder der drei Kategorien. Der Blick auf das große Ganze hinterlässt den Eindruck einer unterdurchschnittlichen Offense (107,9 Offensiv-Rating, Platz 21 laut Cleaning the Glass), Ausreißer wie das Rekordspiel gegen die Pelicans bleiben eben genau das: Ausreißer.
In den vergangenen Jahren stellten die Mavs eine teils historisch starke Offense, davon ist mittlerweile nur noch wenig zu sehen. Das große Problem: Dallas schafft es nicht, sich einfache Punkte herauszuspielen und ist dadurch sehr abhängig vom Distanzwurf.
Die Mavs nehmen aktuell die fünftmeisten Dreier pro Spiel in der Liga, haben aber mit nur 32,5 Prozent von Downtown die drittschlechteste Quote der Association. Auf dem Papier hat das Team zwar potente Schützen zur Verfügung, um die Dreierquote wieder in die richtige Richtung zu verschieben. Außer Maxi Kleber und Dorian Finney-Smith werfen aktuell jedoch alle Mavericks mit mehr als einem Treffer pro Spiel weniger als 33 Prozent aus der Distanz.
Jason Kidd: Altmodisch trotz modernen Spielern
Ein langfristiger Grund zur Sorge ist aber in erster Linie die Wurfverteilung. Dallas kommt ligaweit auf die wenigsten Abschlüsse in der Restricted Area, liegt in Sachen Eckendreiern im Mittelfeld (8,3 pro Partie, Platz 15) bei jedoch katastrophalen Quoten (32,5 Prozent, Platz 29) und kratzt dafür beim Volumen der Mitteldistanzwürfe an einem Top-5-Wert.
Das trägt klar Jason Kidds Handschrift. Der neue Head Coach der Mavericks ist schon bei seinen vorherigen Stationen bei den Brooklyn Nets und Milwaukee Bucks dafür aufgefallen, mehr an der Mitteldistanz festhalten zu wollen, als es im vergangenen Jahrzehnt in der NBA üblich geworden ist. "Wir sind ein Jumpshot-Team, das keine Jumpshots trifft", sagte Kidd jüngst nach einer Niederlage.
Ein Jumpshot-Team ist mittlerweile fast jedes Team in der NBA, die Mavericks sind jedoch aktuell NUR ein Jumpshot-Team. Doch es könnte auch anders gehen. Kidd coacht weiter altmodisch, obwohl er mit Luka Doncic und Kristaps Porzingis zwei der ungewöhnlichsten und modernsten Offensivspieler der Liga zur Verfügung hat. Doncic ist zwar nicht der erste Point Guard mit einer Körpergröße von über 2 Metern, eine Ausnahme ist er damit trotzdem. Dass er damit in den meisten Fällen entweder zu schwache oder zu langsame Gegenspieler bekommt, nutzen die Mavs zu selten.
2,21-Meter-Männer mit dem Skillset von Porzingis gab es in 75 Jahren NBA auch noch nicht oft zu sehen. Porzingis hat seit der Ankunft von Kidd zumindest mehr Erfolg mit dem Rücken zum Korb als in den vergangenen Jahren, was besonders in den Playoffs wichtig werden könnte.
Mit seiner defensiven Angreifbarkeit und fehlender Gefahr gegen kleinere Spieler war Porzingis gegen Small-Ball-Lineups teilweise fast unspielbar in den vergangenen Postseasons. Besondere schematische Anpassungen bezüglich seiner Postups sind bisher jedoch nicht zu erkennen. Es bleibt abzuwarten, wie kreativ Kidd mit seinem potenziellen Top-Duo sein wird.
Dallas Mavericks: Spielt Luka Doncic mit Übergewicht?
Aktuell scheint die wichtigere Frage zu sein, wie es überhaupt gesundheitlich um Doncic und Porzingis steht. Letzterer hat sieben der ersten 26 Spiele verpasst, was bei seiner Verletzungshistorie mittlerweile zu befürchten ist. Von seiner ersten Verletzungspause meldete sich der Lette für etwa zehn Spiele in Topform zurück, seitdem ist er wieder abgekühlt und legt bisher insgesamt schlechtere Quoten als in der Vorsaison auf, sein Dreier fällt nur in 29,1 Prozent der Fälle.
Auch Doncic hat bereits fünf Spiele mit einer Knöchelverletzung verpasst und gestand in der vergangenen Woche, nicht in bester körperlicher Verfassung in die Saison gestartet zu sein. "Es war ein langer Sommer", sagte Doncic: "Ich war bei Olympia und habe dann drei Wochen Urlaub gemacht. Vielleicht habe ich es ein wenig zu sehr schleifen lassen. Ich muss jetzt wieder auf mein altes Niveau kommen."
Laut Informationen von Tim MacMahon (ESPN) soll Doncic in den vergangen beiden Jahren sogar mit jeweils über 117 Kilo zum Training Camp erschienen sein. Der 22-Jährige steht dennoch 35 Minuten pro Spiel auf dem Parkett, noch etwas mehr als die meisten anderen Stars der Liga. Wie schon in den vergangenen Spielzeiten können die Mavericks es sich offensiv kaum leisten, Doncic länger auf der Bank zu lassen.
Mit Jalen Brunson steht Kidd zwar einer der besten Backup-Spielmacher der NBA zur Verfügung, am besten funktioniert die Offense jedoch mit Doncic und Brunson gleichzeitig. Die anderen Mavs schaffen es nicht, sich oder ihren Mitspieler konstant Würfe zu kreieren - eigentlich ein bekanntes Problem aus der Vorsaison.
Tim Hardaway Jr.: Fehlstart mit neuem Vertrag
An dieser Stelle haben die Mavericks-Verantwortlichen vermutlich große Hoffnungen in Tim Hardaway Jr. gesetzt, als sie ihn in dieser Offseason mit einem Vierjahresvertrag im Wert von 75 Millionen Dollar ausgestattet haben. Der 29-Jährige hatte gerade in der vergangenen Spielzeit einige sehr gute Phasen, in denen er Doncic offensiv gute Unterstützung lieferte.
THJ hat jedoch einen ganz schwachen Start in die Spielzeit erwischt und trifft mit miserablen 38,4 Prozent aus dem Feld aktuell schlechter als in der Vorsaison von Downtown (39,1 Prozent). Doch welche Alternativen hätte es im Sommer gegeben?
Ein Playmaker, ein weiterer Star sollte eigentlich her. Die Mavs sind jedoch bei allen Kandidaten wie Kyle Lowry oder Lonzo Ball abgeblitzt, auf Goran Dragic warten die Fans bisher weiterhin vergebens. Stattdessen ist Reggie Bullock der einzige Neuzugang, der eine wirklich große Rolle in der Rotation spielt - und dabei sinnbildlich für die aktuellen Wurfschwächen der Mavs steht (35,6 Prozent FG und 27,5 Prozent Dreier).
Immerhin: Wie Matthew T. Phillips im Blog Mavs Moneyball herausfand, ziehen sich Bullocks Probleme zum Saisonstart über seine komplette Karriere, erst ab Dezember läuft er historisch gesehen richtig heiß (40,4 Prozent über die restliche Saison). Wenn auch die Teamkollegen ihren Rhythmus finden, könnte es in den nächsten Wochen etwas leichter werden für Dallas.
Dallas Mavericks: Die Gegner werden einfacher - und dann?
Die Mavericks haben bisher immerhin die meisten ihrer Pflichtaufgaben gemeistert, nur zwei ihrer Niederlagen kamen gegen Gegner mit einer negativen Bilanz. Dallas wird bis zum Jahresende noch einige Chancen bekommen, gegen solche Gegner zurück in die Erfolgsspur zu gelangen.
Abgesehen von den Lakers, Bucks und Jazz stehen im Dezember mehrere Partien gegen Minnesota, Portland und Sacramento auf dem Programm. Am 29. und 31. Dezember geht es gleich zweimal gegen die Kings, anschließend erneut gegen die Thunder. Der Spielplan könnte den Mavericks einen guten Rutsch ins neue Jahr bescheren.
Doch wo steht Dallas unter Jason Kidd langfristig? Die Tabellensituation in der Western Conference ist schmerzhaft unverändert zu den Vorjahren. Angeführt von Doncic ist das Team eigentlich zu gut, um die Playoffs zu verpassen. Mit dieser Offense gibt es jedoch für die Contender im Westen aktuell keinen Grund, sich in einer Playoff-Serie ernsthaft vor den Mavs zu fürchten.