So hatten sich die Lakers ihren Saisonstart definitiv nicht vorgestellt. Es klafft derzeit eine riesige Lücke zwischen Anspruch und Realität, den Playoff-Platz (6) mit einer 12-12-Bilanz hat man einer in der Breite erschreckend schwachen Western Conference und einem der bisher leichtesten Spielpläne zu verdanken. Mit Top-Teams wie Phoenix oder Golden State würde die Lakers momentan dennoch wohl niemand ernsthaft vergleichen.
Der Poster-Boy für die Probleme ist Russell Westbrook - nicht aus Zufall. Dabei sind dessen Leistungen nach einem schwachen Start mittlerweile absolut in Ordnung; mit 20 Punkten, 9 Assists und 8 Rebounds im Schnitt über die letzten 15 Spiele gibt Russ seinem neuen Team ziemlich genau das, was zu erwarten war, seine effektive Wurfquote von 49,6 Prozent in diesem Zeitraum wäre über eine ganze Saison sogar ein Career-High.
Westbrooks Spiel passt nicht ideal zu seinem neuen Team und hat seine Macken; er bietet kein Spacing, ist kein effektiver Off-Ball-Spieler, neigt zu schlechten Entscheidungen und verteidigt nicht mit dem größten Interesse - das war aber alles absehbar. Man kann es ihm nur bedingt übel nehmen, dass er sich für seine 14. NBA-Saison nicht auf einmal komplett neu erfunden hat.
Höchstens kann man den Lakers übel nehmen, dass sie offenbar darauf gehofft haben, als sie Haus und Hof für ihn tradeten. Dennoch: Westbrook taugt derzeit nicht als Sündenbock Nummer eins in LaLa-Land. Von der Big 3 ist er eigentlich nicht einmal derjenige, der momentan die größten Sorgen bereitet.
Die Lakers sind weg vom Titel-Rezept
Es ist erst knapp 14 Monate her, dass die Lakers mit einer recht simplen Gleichung ihre 17. Meisterschaft einfuhren: Sie hatten zwei der besten zehn Spieler der Liga in ihren Reihen, darunter den vermutlich besten, und dazu einen Supporting Cast, der vor allem exzellent verteidigte.
Das Shooting und die Offensive allgemein waren nicht überragend, aber es reichte, nicht zuletzt deshalb, weil einer der beiden Superstars in der Orlando-Bubble selbst weit über Karriere-Niveau für das Shooting sorgte (siehe unten). Seither gab es zwei Offseasons und die Lakers haben sich erstaunlich weit vom damaligen Grundgerüst entfernt.
Der Umbau gipfelte im Trade für Westbrook, bei dem die Lakers zwei der wenigen noch verbliebenen Spieler des Meister-Kaders (und noch mehr) nach Washington für einen weiteren Star abgaben. Alex Caruso wurde auch nicht gehalten, als Folge sind Anthony Davis und LeBron James neben Talen Horton-Tucker die einzigen Spieler, die seit dem Titelgewinn 2020 ununterbrochen Purple-and-Gold trugen.
Der neue Supporting Cast muss sich noch finden, mehrere der geholten Spieler konnten bisher noch gar nicht oder nur eingeschränkt spielen. Aber auch die beiden Superstars sind nicht mehr die Spieler, die sie in der ersten gemeinsamen Saison waren.
Anthony Davis: Der Jump-Shot ist weg
Davis ist auch in dieser Spielzeit einer der besseren Verteidiger der NBA, auch wenn er das Fehlen von Point-of-Attack-Defense bei den Lakers nicht kaschieren kann; L.A. belegt in der Kategorie Defense als Team über die Saison Platz 20, interessanterweise verteidigen die Lakers in Davis' Minuten sogar minimal schlechter.
Ein möglicher Grund: Es gibt Spiele oder zumindest Phasen von Spielen, in denen Davis defensiv extrem dominant auftritt, er tut dies aber nicht so konstant, wie die Lakers es gerne sehen würden beziehungsweise wie sie es bräuchten. Selbst in den Minuten, die Davis auf der Fünf verbringt und die die Lakers in den vergangenen beiden Saisons immer dominierten, erlauben sie laut Cleaning the Glass derzeit 112,8 Punkte. Das ist schlecht.
Schlechter ist indes die Offense. Davis bleibt zwar ein absolutes Monster am Ring (75 Prozent Trefferquote!), dafür trifft er nur 35,2 Prozent seiner Jump-Shots und lausige 18,8 Prozent von der Dreierlinie. Dabei ist sein Wurf insbesondere in Lineups mit Westbrook so wichtig, weil dieser eben (genau wie LeBron oder Horton-Tucker) am effektivsten ist, wenn er Platz für seinen Drive hat.
Anthony Davis: Vergleiche mit Tim Duncan nicht gut gealtert
Komplett schockierend ist es allerdings nicht, dass Davis' Würfe außerhalb der Zone nicht sonderlich gut fallen. Blickt man auf seine Karriere, ist der Ausreißer nicht die aktuelle Saison, sondern die 2020er Bubble: Im abgeschotteten Bubble-Umfeld traf Davis überragend aus der Mitteldistanz (49 Prozent) und von draußen (38 Prozent), nie kam er sonst auch nur in die Nähe dieser Werte.
Die Shooting-Zahlen von Anthony Davis
Saison | Team | FG% lange Zweier | FG% Dreier | FG% Jump-Shots |
16/17 | Pelicans | 42 | 30 | 41 |
17/18 | Pelicans | 34 | 35 | 39 |
18/19 | Pelicans | 36 | 34 | 38 |
19/20 | Lakers | 33 | 34 | 37 |
19/20 - Playoffs (Bubble) | Lakers | 49 | 38 | 48 |
20/21 | Lakers | 36 | 27 | 37 |
21/22 | Lakers | 43 | 19 | 35 |
Davis ist in dieser Spielzeit deutlich besser als in der verletzungsgeplagten Vorsaison, er wirkt jedoch nicht unbedingt bereit dafür, die team-interne Fackel von LeBron zu übernehmen. Er hat seine Glanzleistungen, taucht gefühlt jedoch trotzdem häufiger ab als jeder andere Superstar der Liga und hat ganze Spiele, in denen er zu vergessen scheint, dass er mit seinem Körper und seinen Skills in jeder Sekunde ein Mismatch darstellen kann.
Die Jubelarien einiger Lakers-Fans, die nach der Bubble proklamierten, er sei besser als Tim Duncan in seiner Prime, waren damals schon überzogen, mittlerweile wirken sie lächerlich. Davis hat in nun knapp zehn NBA-Jahren noch nicht bewiesen, dass er die Nummer eins eines richtig guten Teams sein kann. Dabei bräuchten die Lakers womöglich eine.