Drei Serien, drei unterschiedliche Herausforderungen. Die Phoenix Suns gingen zwar als 2-Seed in die Playoffs, dennoch gab es Zweifel daran, ob diese Mannschaft trotz Chris Paul die nötige Erfahrung und Abgeklärtheit haben würde, um einen tiefen Playoff-Run zu starten.
Nun trennt die Suns nur noch ein Sieg von den Finals. Ein Sieg, um nach 28 Jahren endlich wieder auf der größten NBA-Bühne auftreten zu können. Den "Seven-seconds-or-less-Suns" um Steve Nash, Amar'e Stoudemire und Coach Mike D'Antoni war dies noch verwehrt geblieben, die "Valley Boyz" haben nun nach düsteren elf Jahren ohne Postseason gleich drei Chancen, das Finals-Ticket zu buchen. Bereits in Spiel 5 in der Nacht auf Dienstag könnte es soweit sein (ab 3 Uhr live auf DAZN).
Die fehlende Erfahrung wurde unter anderem an Devin Booker, aber vor allem an Center Deandre Ayton festgemacht, was dem 22-Jährigen durchaus bewusst war. "Die ganze Welt sah mich als Fragezeichen", sagte Ayton nach seiner nächsten erstaunlichen Performance (19 Punkte, 22 Rebounds, 4 Blocks) in Spiel 4. "Das hat an mir genagt und das wollte ich ändern."
Deandre Ayton: Alle Härteprüfungen bestanden
Egal, wie die restlichen Playoffs verlaufen, es ist ihm gelungen. In Runde eins machte der Mann von den Bahamas gegen Anthony Davis eine gute Figur, in den Conference Semifinals erspielte sich Ayton gegen Nikola Jokic den Respekt des MVPs, welcher ihm nach der Serie ein unterschriebenes Jersey mit Glückwünschen überreichte.
Die Clippers stellen noch einmal eine ganz andere Herausforderung dar. In den Conference Semifinals gegen Utah machten sie Rudy Gobert, seines Zeichens dreifacher Verteidiger des Jahres, quasi nutzlos, indem sie ohne Big Man spielten. Ayton bestrafte dies hingegen unter dem Korb konsequent und zwang L.A. dazu, Ivica Zubac öfter aufs Feld zu schicken.
Ayton mag ein schlechterer Verteidiger sein als Gobert, doch sein Spiel passt besser in die Playoffs. Er ist anpassungsfähig, kann verschiedene Spieler verteidigen und kleine Lineups mit seiner Wucht unter den Körben besser bestrafen. In seinen ersten 14 Playoff-Spielen legte der Big Man bisher 16,6 Punkte und 11,4 Rebounds im Schnitt auf, das alles bei einer weiterhin überragenden Feldwurfquote von fast 71 Prozent.
Deandre Ayton: "Heiße Kartoffel" war einmal
Ayton ist an einem Punkt, an welchem er in Ringnähe fast alles versenkt. Sein Ballgefühl ist für einen Big Man erstaunlich, dazu fängt er aufgrund seiner Größe fast jeden Lob, der "Valley Oop" in Spiel 2 war dafür Anschauungsunterricht. Der frühere Nummer-eins-Pick konzentriert sich inzwischen auf das Wesentliche. Sprungwürfe sind rar geworden (14/29 FG in den Playoffs), auch wenn er durchaus die Fähigkeit besitzt, diese dank seinem weichen Händchen zu treffen.
Die Zeiten, in denen er "Heiße Kartoffel" spielte und sofort warf, als er den Ball bekam, sind aber vorbei. Stattdessen sind es Details, die ihn in der Offensive so wertvoll machen. Ayton setzt inzwischen knochentrockene Picks und wartet geduldiger auf seine Chance abzurollen. Es ist die logische Konsequenz, wenn ein Chris Paul dich anleitet. Ayton führt die Playoffs mit 85 Screen Assists, also Blöcken, nach denen direkt Punkte folgen, an. Im Schnitt sind es 6,8 - mehr als Gobert, der in dieser Kategorie als die Benchmark gilt.
"Das Erste, was mir CP gesagt hat, ist, dass ich meinen Fokus auf Winkel legen solle", erklärte Ayton nach Spiel 4. "Er meinte damit, wie ich einen Block stellen soll, wie ich mich bei einem möglichen Offensiv-Rebound positionieren soll." Am Samstag waren es 9, ein Karrierebestwert. In zwölf der 14 Playoff-Partien schnappte sich Ayton mindestens zwei Fehlwürfe seiner Mitspieler.
Deandre Ayton: Aus dem Schatten von Doncic und Young
Somit hinterlässt er ein Dilemma für die Clippers. Gegen die kleinen Aufstellungen reboundet Ayton nach Belieben, doch auch Zubac hatte nach einem guten dritten Spiel in Game 4 große Probleme, den Suns-Center zu bändigen. "Ich bin ehrlich, Zubac hat mich schlecht aussehen lassen", gab Ayton zu. "Es war meine Aufgabe, dass dies nicht noch einmal passieren darf."
Diese Worte hätten auch von Paul kommen können, entsprechend stolz zeigte sich der künftige Hall of Famer. "Ich bekomme Gänsehaut, wenn ich mir seine Entwicklung anschaue", sagte Paul. "Wir hatten zu Beginn der Saison einige hitzige Gespräche, aber was soll ich sagen? Ich liebe ihn."
Die Playoffs 2021 sind die Coming-Out-Party des früheren Top-Picks, der die ersten beiden Jahre deutlich im Schatten von Luka Doncic, Trae Young, Shai Gilgeous-Alexander oder auch Jaren Jackson Jr. stand, welche 2018 alle nach ihm gepickt wurden. Ayton galt nicht als Bust wie im Moment Marvin Bagley von den Sacramento Kings, der an Zwei gezogen wurde. Dennoch war sich die Mehrheit der NBA-Welt einig, dass Ayton für Phoenix die falsche Wahl war.
Deandre Ayton: Chris Paul als Mentor und großer Bruder
Vor allem in der Defense wurde der Youngster zu Beginn seiner Karriere im Pick'n'Roll Abend für Abend bloßgestellt. Das Spiel war schlichtweg zu schnell für ihn, man konnte förmlich spüren, wie es im Kopf des Teenagers ratterte, wenn er defensiv von gegnerischen Guards in die Aktionen involviert wurde. Niemand erwartete, dass Ayton eine Rookie-Saison wie Tim Duncan hinlegen würde, dennoch machte er gefühlt alle Rookie-Fehler, die man machen kann.
Hinzu kam jugendlicher Leichtsinn. Zu Beginn seiner zweiten Saison wurde Ayton wegen der Einnahme eines verbotenen Medikaments für 25 Spiele gesperrt. In der Bubble kam er zu spät zu einem Corona-Test, weswegen der Center in einer Partie erst während des zweiten Viertels ins Geschehen eingreifen konnte.
Es war klar, dass Paul dies nicht durchgehen lassen würde. Ayton fiel immer wieder mit markigen Sprüchen und einem erstaunlichen Selbstvertrauen auf, nun lässt er dem auch Taten folgen, was er auch CP3 anrechnet: "Er ist mein erster Mitspieler, der mich wie ein großer Bruder anschiebt. Ich kannte das nicht und ich denke, dass es das Beste ist, was mir je in meiner Karriere passiert ist."
Deandre Ayton: Der Zahltag ist greifbar nah
Und in der Tat ist der Sprung gewaltig, den Ayton innerhalb eines Jahres gemacht hat. Er verankert inzwischen eine der besten Verteidigungen der NBA, insgesamt treffen Gegenspieler nur 38,8 Prozent ihrer Würfe gegen den Suns-Center. So sollte es auch sein, schließlich ist Ayton eine der imposantesten Erscheinungen in der Liga.
Ayton ist nicht nur 2,11 Meter groß, er spielt auch so. Immer physisch, immer mit den Armen oben. Seine Vertikalität erinnert an die besten Zeiten von Roy Hibbert, der zu den Hochzeiten der Indiana Pacers Angst und Schrecken in der Zone verbreitete. Damals waren aber stets die Miami Heat eine Nummer zu groß.
Phoenix ist dagegen nur noch einen Sieg von den Finals entfernt, auch dank Ayton. "Er hat verstanden, wie groß und stark er eigentlich ist" schwärmte Booker. "Er hat uns auf ein neues Level gehievt. Er versteht nicht nur sein Matchup, sondern weiß zu jeder Zeit, was der Gegner macht."
Es dürfte sich auch finanziell lohnen. Ayton kann ab dem 1. August eine Vertragsverlängerung unterschreiben, Paul deutete bereits an, dass Phoenix besser das Scheckbuch zücken sollte. Diese Playoffs waren Beweis genug.