Dirk Nowitzki hatte am Dienstagabend Ortszeit in Los Angeles seinen Spaß, so viel ist sicher. Vor allem eine Szene im dritten Viertel hielt ihn nicht mehr in seinem Sitz wenige Reihen hinter der Gäste-Bank im Staples Center. Luka Doncic hatte soeben einen verrückten einbeinigen Dreier aus dem Lauf versenkt - nichts als Nylon natürlich - und die Mavs kurz vor Ende des dritten Viertels mit 101:92 in Front gebracht (hier gibt es die Highlights der Partie im Video).
Während Doncic mit einem schelmischen Grinsen im Gesicht zurück in die Defense trabte, sprang Nowitzki auf, mit beiden Armen weit von sich und jeweils drei Fingern in der Höhe gestreckt, mit einem mindestens genauso großen Grinsen unter seiner Maske. "Das gibt dir wirklich einen Schub", sagte Head Coach Rick Carlisle im Anschluss angesprochen auf Nowitzkis Unterstützung. "Ich glaube wirklich, dass seine Anwesenheit heute ein Glücksbringer für uns war."
Das letzte Mal, als die Mavericks eine Playoff-Serie gewinnen konnten, kam Nowitzkis Unterstützung noch direkt auf dem Parkett. Knapp zehn Jahre ist das nun her, 2011 gewann Dallas die Championship in den Finals gegen die Miami Heat. Zuvor eliminierten die Texaner in der zweiten Runde die Los Angeles Lakers, damals schnappte sich Dallas zum Auftakt der Serie beide Auswärtsspiele im Staples Center. Es folgte ein Sweep im heimischen American Airlines Center.
Niemand bei den Mavs hätte etwas dagegen, wenn sich die Geschichte wiederholt, wenn auch dieses Mal eben gegen die Clippers. Auf 2011 folgten fünf Erstrundenpleiten für die Mavs, darunter das Aus in den Bubble-Playoffs gegen LAC im Vorjahr. Nun stehen die Chancen auf eine Revanche ziemlich gut. Vor allem natürlich dank Doncic, der beim 127:121-Erfolg in Spiel 2 nicht nur einmal seinen inneren Dirk aufblitzen ließ.
Luka Doncic und der innere Dirk: Mavs schlagen Clippers
Gut eineinhalb Minuten vor seinem einbeinigen Dreier sah sich Doncic im Post Kawhi Leonard gegenüber. In allerbester Nowitzki-Manier setzte er zum Flamingo-Shot an, der einbeinige Fadeaway, den der Würzburger einst populär machte. Kawhi gab sich Mühe, den Wurf so gut es eben geht zu verteidigen, doch das half alles nichts. Im hohen Bogen fiel der Spalding ohne Ringberührung durch die Reuse für zwei der insgesamt 39 Doncic-Zähler (16/29 FG, 5/13 Dreier).
Was soll die Clippers-Defense da großartig machen? Die Antwort lautet wohl oder übel aus L.A.-Sicht: nichts. Solche Treffer von einem Ausnahmetalent wie dem Slowenen wird das Team nicht verhindern können. Es sind aber ohnehin nicht diese Würfe, die sie verhindern müssen, wenn sie gegen die Mavs bestehen wollen.
In der Clippers-Defense häuften sich zu viele andere Fehler beziehungsweise Unstimmigkeiten an, die es L.A. an diesem Abend - und in der gesamten bisherigen Serie - unmöglich machten, Doncic auch nur irgendwie zu stoppen.
L.A. verzweifelt gegen Doncic: Viele Optionen, keine Lösung
Im Vergleich zum ersten Duell am vergangenen Wochenende sah man in Spiel 2 nun öfters Paul George oder eben Kawhi im direkten Matchup gegen Doncic. Den ehemaligen zweimaligen Defensive Player of the Year auf den 22-Jährigen zu hetzen, wurde vor der Partie als probates Mittel betrachtet, Doncic zumindest einzuschränken.
Doch dank Buckets wie dem eben erwähnten Flamingo-Shot brachte selbst das wenig. Laut ESPN erzielte Doncic in dem Matchup mit Kawhi 8 Punkte bei 3/6 aus dem Feld, sein überragendes Shotmaking übertraf auch die beste Defense der Klaue. Ansonsten probierten es die Clippers mit George, Nicolas Batum oder Patrick Beverley, nichts half.
Beverley ist zu klein, das zeigte sich bereits in Spiel 1. Zudem attackierte Dallas nach Switches immer wieder Ivica Zubac, der erneut viel Spielzeit bekam, aber kaum Positives zum Spiel der Clippers beitrug. Stattdessen zog Doncic in einer Szene im ersten Viertel viel zu leicht am behäbigen Center vorbei und machte der Poster-Industrie eine Freude. In diesem Play sollte Zubac Doncic im Pick'n'Roll trappen, konnte aber nicht genug Druck ausüben.
Im weiteren Spielverlauf, darunter in den Schlussminuten, versuchte es L.A. auch wieder mit Double-Teams, auch das ohne Erfolg. In dieser Szene sah Doncic den zweiten Verteidiger (George) schon früh auf sich zukommen. Luka spielte einen simplen Pass auf Tim Hardaway Jr. an der Dreierlinie, der mit einem weiteren Zuspiel auf Kristaps Porzingis die komplette Defense, die nun in Unterzahl agierte, aushebelte.
Nur eine Minute später gelang dies den Mavs erneut. Nun machte PG-13 den Passweg zu Hardaway Jr. zwar zu, dafür fand Doncic Dorian Finney Smith an der Freiwurflinie, der zum weit offenen THJ herausspielte. Den Dreier ließ dieser sich natürlich nicht nehmen. L.A. muss Luka in den kommenden Spielen mit den Double-Teams öfters überraschen, dann können sie Turnover forcieren, wie bei einem Steal von George geschehen.
Wie will L.A. die Mavs stoppen? "Das ist keine Magie"
Immer, wenn die Clippers bemüht waren, den Ball aus Doncic' Händen zu zwingen, bestrafte dies einer seiner Teamkollegen. In Spiel 1 war dies in vielen Fällen noch Finney-Smith, die Clippers setzten darauf, dass sich das nicht wiederholen würde. In gewisser Weise hatten sie damit recht (3 Punkte bei 1/4 Dreier), dafür waren aber Maxi Kleber (13, 2/2 Dreier), Kristaps Porzingis (20, 3/4 Dreier) oder Hardaway Jr. zur Stelle, der sich mit einem Playoff-Karrierebestwert von 28 Zählern und 6/8 Dreiern für einen kräftigen Zahltag in der Free Agency bewarb.
So versenkte Dallas insgesamt 18 Dreier bei 34 Versuchen (52,9 Prozent) und überbot damit zum zweiten Mal in Folge das Team mit der besten Dreierquote in der regulären Saison. Am Ende stand mit 58,5 Prozent sogar die vierthöchste Feldwurfquote der Mavs-Playoff-Historie überhaupt - und wenn Dallas seine Freiwürfe getroffen hätte (13/24 FT), wäre die Partie womöglich noch übler für das Team aus der Stadt der Engel ausgegangen.
"Das ist keine Magie", sagte Kawhi nach der Partie auf die Frage, was die Clippers tun müssen, um Dallas in den Griff zu bekommen. "Wir müssen rausgehen, Basketball spielen und Stopps generieren. Sie treffen sehr gut in den ersten beiden Spielen und wir müssen einander helfen."
"Wir müssen unser Spiel spielen, wir müssen unsere Defense einbinden", forderte derweil George, der wie viele seiner Kollegen und Head Coach Ty Lue betonte, dass man sich noch keine Sorgen um den Ausgang der Serie mache. "Luka wird seine Touches bekommen. Wir müssen defensiv einen besseren Job machen, alle anderen ruhig zu stellen."
Haben die Clippers eine Reaktion in der Hinterhand?
Das gelang Dallas in Spiel 2 deutlich besser, trotz der 41 Zähler von Leonard. Zumindest nach der Halbzeitpause. "Dass wir sie nur bei 19 Punkten im dritten Viertel gehalten haben, war der Grundstein für den Erfolg", sagte Carlisle. "Luka war in der Offense spektakulär. K.P. hat ein paar großartige Dinge offensiv getan, aber diese beiden Jungs haben im dritten Viertel in der Defense den Unterschied ausgemacht."
Während Dallas im dritten Durchgang also vermehrt Stopps generieren konnte, fanden die Clippers die komplette Partie über kein Mittel gegen Doncic und Co. und stehen nun nach zwei Spielen mit dem Rücken zur Wand. Nur 31 Teams haben in einer Best-of-Seven-Serie beide Heimspiele zum Start einer Serie verloren - 27 davon mussten wenig später die Koffer packen.
"Ich glaube, das so gut wie jeder damit gerechnet hat, dass wir gewinnen", sagte George, der die Außenseiterrolle als Vorteil für die Mavs sieht. "Sie spielen frei auf und haben Selbstvertrauen. Ich glaube, wir haben ihnen etwas zu viel Selbstvertrauen gegeben. Es liegt an uns, das zu beenden."
Gleichzeitig war Dallas bemüht, vor einer zu frühen Feierlaune in Texas zu warnen. "Wir dürfen uns nicht ausruhen", betonte Hardaway Jr., "wir wissen, zu was sie in der Lage sind." Die Clippers werden in Anbetracht des neuerlich drohenden Playoff-Debakels eine Menge Spott und Häme in den kommenden Tagen über sich ergehen lassen müssen. Vielleicht spornt sie das vor Spiel 3 in der Nacht auf Samstag (ab 3.30 Uhr deutscher Zeit) zusätzlich an.
In der Vergangenheit haben die Clippers aber keinerlei Hinweise darauf gegeben, dass sie zu solch einer Reaktion in der Lage sind. Blickt man auf den Playoff-Meltdown im Vorjahr, ist nicht auszuschließen, dass L.A. bei einem schlechten Spielverlauf in Dallas komplett auseinanderfällt. Ganz ähnlich erging es auch den Lakers 2011.