Es ist eine Szene aus dem vierten Viertel gegen die Utah Jazz, die die bisherige Saison der Nuggets perfekt zusammenfasst. Malik Beasley rettet beim Stand von 79:77 einen Loose Ball vor der Mittellinie und findet einige Sekunden vor dem Ende der Shotclock Mason Plumlee. Der Center steht an der Dreierlinie und drückt Rudy Gobert notgedrungen einen satten Dreier ins Gesicht - wohlgemerkt seinen allerersten in sechs Jahren NBA.
Genau diese Mischung aus Einsatz, Mut und einer Portion Glück ist das, was die Nuggets bisher zum Erfolg führt. Denn mit Ausnahme des 119-91-Sieges gegen Phoenix waren alle Spiele bis tief in das letzte Viertel umkämpft. Auch gegen Utah lag Denver im Schlussabschnitt mit sieben Punkten zurück, legte dann jedoch einen Gang zu und drehte das Spiel auf beeindruckende Art und Weise.
Neben den Startern um Jokic, Harris, Murray und Millsap sind es vor allem Spieler wie Juancho Hernangomez, Beasley oder eben jener Plumlee, die in den entscheidenden Phasen für Entlastung sorgen und das Momentum auf die richtige Seite bringen.
Denver Nuggets Coach Michael Malone: "Das ist wirklich inspirierend"
Einsatz und Wille kann man als Coach zwar immer wieder predigen, umsetzen müssen es dann jedoch die Spieler selbst. "Wie mein Team spielt, beeindruckt mich. Auch die Jungs, die von der Bank kommen, zeigen vollen Einsatz. Das ist wirklich inspirierend", zeigte sich auch Head Coach Michael Malone angetan ob des Siegeswillens seines Teams.
In Zahlen lässt sich die physische Überlegenheit im letzten Viertel gegen die Jazz noch deutlicher ausdrücken. 35:15 hieß es in den letzten 12 Minuten zugunsten der Nuggets, mitsamt eines 18:0-Laufs. Utah erzielte in dieser Zeit lediglich vier Field Goals, alle anderen Punkte mussten sie sich von der Freiwurflinie erarbeiten. Die Denver-Defense wusste also auch im neunten Spiel zu überzeugen und dient in dieser Saison als Grundbaustein für den Erfolg. Angesichts der vergangenen Spielzeit kommt dies durchaus überraschend.
Die Denver Nuggets spielen plötzlich gute Defense
Denn in 2017/18 waren die Nuggets eines der schlechtesten Defensiv-Teams der gesamten Liga und landeten in Sachen Defensiv-Rating auf Rang 25. Im Sommer verlor das Team mit Wilson Chandler zudem einen der besseren Wing-Defender des Kaders, weshalb wohl nicht einmal der beste Hellseher darauf gekommen wäre, dass die diesjährige Stärke des Teams im Beschützen des eigenen Korbes liegen würde.
Und dennoch konnten die bisherigen Gegner bei durchschnittlich 103,6 Punkten gehalten werden, im Defensive-Rating verbesserten sich die Nuggets bis auf Rang drei (100,9). Natürlich ist die Saison noch sehr jung und die Suns, Bulls, Kings und Cavaliers sind nicht gerade für ihre offensiven Feuerwerke bekannt, doch auch die Warriors taten sich schwer und brachten im Pepsi Center lediglich 98 Punkte auf das Scoreboard - das einzige Mal in dieser Saison, dass das Team aus der Bay Area nicht dreistellig punktete.
Doch woher kommt die neue Stärke der Nuggets? Im Sommer lag das Hauptaugenmerk auf der Pick-and-Roll-Defense. Dort soll sich der Big nun nicht mehr so oft zum Korb fallen lassen, sondern aktiver in Richtung Perimeter verteidigen. Die dadurch entstehenden Lücken und Mismatches werden mit deutlich mehr Switches gekontert - gerade gegen die Top-Teams ist das ein unabdingbarer Faktor.
Und dennoch hebt Coach Malone immer wieder einen anderen Grund hervor: "Es steht und fällt immer mit dem Einsatz. Du kannst dich noch so gut auf ein Spiel vorbereiten und eine noch so gute Strategie haben, in der Defensive kommt es immer darauf an, ob du es wirklich mehr willst als dein Gegner."
Denver Nuggets: Nikola Jokic als Mittelpunkt der Offense
Die überragende Defensive erlaubt es den Nuggets sogar eine bisher eher durchschnittliche Offensive zu spielen (Platz 12 im Offensive Rating). Wie schon im letzten Jahr hängt dort fast alles von Nikola Jokic ab. Auch wenn er mit seinen Statistiken noch nicht ganz an das Vorjahr anknüpfen kann, liefert er ab. Gegen die Suns schaffte der Serbe das perfekte Triple-Double, bei dem er nicht einen einzigen Wurf verfehlte oder einen Turnover verursachte.
Jokic erhält in nahezu jedem Angriff den Ball im High-Post und arbeitet sich dort entweder selbst zum Korb oder bedient seine Mitspieler auf unnachahmliche Art und Weise. Mit 7,7 Assists pro Spiel bereitet er durchschnittlich doppelt so viele Korberfolge vor wie der zweitbeste Passgeber der Nuggets - nicht schlecht für einen Center. Nicht zu vernachlässigen sind außerdem seine 10 Rebounds pro Partie. Womit wir erneut beim wohl wichtigsten Thema der jungen Nuggets-Saison wären: Einsatz.
Nikola Jokic: Statistiken pro Spiel
Saison | Punkte | FG% | Rebounds | Assists | Minuten |
2018/19 | 18.0 | 51.9 | 10.0 | 7.7 | 29.6 |
2017/18 | 18.5 | 49.9 | 10.7 | 6.1 | 32.6 |
2016/17 | 16.7 | 57.8 | 9.8 | 4.9 | 27.9 |
2015/16 | 10.0 | 51.2 | 7.0 | 2.4 | 21.7 |
Die Denver Nuggets gewinnen die Spiele am Brett
Denn nicht nur der Joker ackert in dieser Saison unter dem Korb. Die gesamte Mannschaft kämpft nach Fehlwürfen um den Spalding, als gehe es nicht um ein Regular Season Game im November, sondern um den letzten Ballbesitz im Spiel 7 der Finals. Das Ergebnis: In acht der neun Spielen holte das Team aus Colorado mehr Rebounds als der Gegner. Ligaweit liegt man in den Top 5, in Sachen Offensiv-Rebounds sogar auf Position zwei.
Es ist sicherlich keine Weltneuheit, dass viele Rebounds dazu beitragen, Spiele zu gewinnen. Zudem ist es in Sideline-Interviews der NBA schon fast zur Routine geworden, dass die Trainer von ihren Jungs Hustle fordern. Im Fall von Denver ist aber auch das wieder der Beweis, dass die Mannschaft selbst verstanden hat, worauf es ankommt: Einsatz.
Denver Nuggets: Es ist noch ein langer Weg
Wie lässt sich der gute Saisonstart der Nuggets also bewerten? Mit ihren Veränderungen in der Offseason haben sie sicherlich nicht das Rad neu erfunden - das war aber auch gar nicht das Ziel. Die größte Frage dürfte wohl sein, ob es dem jungen Team möglich ist, weiterhin eine so gute Defense zu spielen. Gelingt ihnen das, können sie scheinbar jeden Gegner schlagen.
Besonders, weil in der Offensive trotz solidem Start noch Luft nach oben ist. Gerade von draußen treffen die Nuggets noch überhaupt kein Scheunentor (30,6% Dreierquote). Zu erklären ist das neben dem nicht gerade auf Dreier ausgelegten Spielsystem natürlich auch mit den Folgen des hohen Aufwandes, der betrieben wird. Ein Negativaspekt, den Coach Malone wohl gerne in Kauf nimmt, solange die Ergebnisse weiterhin so ausfallen wie bisher.
Und dann wäre da ja noch, achja, der Einsatz. Vielleicht ist es utopisch zu glauben, dass die kommenden 73 Saisonspiele (plus mögliche Playoffs) mit demselben Aufwand zu betreiben sind, wie die ersten neun. Doch was bleibt Denver anderes übrig? Solange die Welle der Euphorie anhält, fällt es den Spielern leicht, sich von ihr tragen zu lassen. Und wenn sie irgendwann doch enden sollte, gibt ja vielleicht der Regenbogen auf den neuen City-Edition-Jerseys genügend Ansporn, die Mile High City zu altem Glanz zurückzuführen.