Allzu lange dauerte es nicht, bis auch Russell Westbrook endlich in dieser NBA-Saison angekommen war. Um genau zu sein, benötigte der Point Guard der Thunder, der die ersten beiden Partien noch aufgrund der Nachwehen seiner Knie-Operation im Sommer verpasst hatte, gerade einmal 79 Sekunden, um seine Duftmarke auf dem Parkett zu hinterlassen.
In diesen ersten 79 Sekunden beim Heimauftakt von OKC gegen die Kings sammelte Westbrook 1 Rebound, verteilte 1 Assist und marschierte schließlich wie ein heißes Messer durch die halbe Kings-Defense, um mit einem spektakulären Korbleger seine ersten zwei Zähler der Spielzeit 2018/19 einzuheimsen.
Diese 79 Sekunden fassen das Phänomen Russell Westbrook nahezu perfekt zusammen und dürfte den Thunder-Fans einen Seufzer der Erleichterung entlockt haben. Viele Fans waren nach dem vergangenen Sommer in Sorge, ob der immerhin schon 29-Jährige nach der bereits vierten Operation am rechten Knie einen Teil seiner Faszination verlieren würde.
OKC Thunder: Niederlage trotz starkem Westbrook-Debüt
Doch gleich im ersten Auftritt gegen Sacramento - gleich in den ersten 79 Sekunden - war sie wieder zu sehen, diese unheimliche Energie und die Athletik, mit der Westbrook auf dem Basketball-Court so viel möglich macht. Einen besseren Start in die Partie hätte sich OKC wohl nicht vorstellen können.
Gut zweieinhalb Stunden später war von dieser Euphorie jedoch nicht mehr viel übrig. Westbrook hatte in seinem Debüt 32 Punkte, 12 Rebounds sowie 8 Assists aufgelegt, die Thunder hatten den Kings, einem der schlechtesten Teams der Vorsaison, 120 Punkte eingeschenkt - und trotzdem verloren.
"Ich habe okay gespielt", bilanzierte Westbrook anschließend. "Es war nicht mein bester Abend, aber ich habe noch eine Menge Spiele vor mir, also bin ich nicht besorgt." Zumindest in Bezug auf seine eigene Leistung. Doch eine andere Sache ging dem Point Guard so richtig auf die Nerven: "Ehrlich gesagt interessiert es mich gerade gar nicht, wie ich gespielt habe. Ich hasse es einfach, zu verlieren."
Schwache Defense der OKC Thunder zum Saisonstart
Nur zwei Teams stehen in der Saison 2018/19 bisher noch ohne einen einzigen Sieg da: die Cavs und eben die Thunder.
Klar, OKC musste in den ersten beiden Partien ohne den absoluten Superstar des Teams antreten, doch das 48-Siege-Team aus dem Vorjahr konnte immer noch auf die Dienste von Paul George, Steven Adams oder auch Dennis Schröder zurückgreifen. Mit diesem Kern sollte ein Sieg gegen die Warriors, Clippers oder Kings durchaus möglich sein.
Was ist also los mit den Thunder? Beim ersten Blick auf den Statistikbogen fallen natürlich sofort die 131 zugelassenen Punkte gegen Sacramento oder das vierte Viertel gegen die Clippers, als L.A. den Thunder 37 Punkte einschenkte, ins Auge.
Zwar sind die nackten Zahlen durchaus auch auf die erhöhte Pace in der NBA zurückzuführen, doch das Defensiv-Rating von 110,5 ist im ligaweiten Vergleich ebenfalls schwach (Platz 18).
OKC Thunder: Wo ist das Shooting?
Dabei macht sich das Fehlen von Andre Roberson enorm bemerkbar. Der Shooting Guard wird nach seinem Riss der Patellasehne Berichten zufolge wohl noch bis Dezember ausfallen. Ein Verlust, den OKC nicht so leicht kompensieren kann.
Weder Roberson-Ersatz Terrance Ferguson, noch Schröder oder Westbrook sind für ihre Defense bekannt, das hat man in den ersten drei Spielen eindrucksvoll bestätigt bekommen. Fragt mal bei Iman Shumpert nach ...
Doch beim größten Problem der Thunder wird auch Roberson nur bedingt helfen können. Die Offense und im Besonderen das Shooting war zu Saisonbeginn absolut katastrophal. Beispiele gefällig?
Zuletzt landeten gegen die Kings 30 der 39 Versuche von Downtown nur am Ring (oder noch schlimmer), abgesehen von Westbrook und Paul George traf OKC gerade einmal 36,5 Prozent aus dem Feld (23/63 FG). Zu guter Letzt liegen die Thunder mit einer miserablen Dreierquote von 23,9 Prozent abgeschlagen auf dem letzten Platz in der gesamten Association.
Die Shooting-Statistiken der Oklahoma City Thunder seit 2016
Saison | Feldwurfquote | Dreierquote | Freiwurfquote | True-Shooting |
2016/17 | 45,2 Prozent | 32,7 Prozent | 74,5 Prozent | 54 Prozent |
2017/18 | 45,3 Prozent | 35,4 Prozent | 71,6 Prozent | 54,6 Prozent |
2018/19 | 39 Prozent | 23,9 Prozent | 66,7 Prozent | 47,3 Prozent |
OKC Thunder: Auch Dennis Schröder mit schwachem Saisonstart
Nicht ganz unschuldig an dieser Platzierung ist auch Dennis Schröder. Der Deutsche stand in den ersten beiden Partien als Westbrook-Ersatz in der Starting Five, bisher ist er jedoch noch auf der verzweifelten Suche nach seinem Rhythmus: Nur 14 seiner 50 Feldwurfversuche (28 Prozent) fanden den Weg durch die Reuse.
Als DS17 im Sommer per Trade nach Oklahoma City geholt wurde, setzten die Thunder-Verantwortlichen ihre Hoffnungen darauf, dass Schröder als sechster Mann auftrumpfen kann, nachdem in seinem letzten Jahr in Atlanta seine Effizienz enorm litt.
Dieser Trend scheint sich bisher jedoch fortzusetzen. Weder als Starter in Spiel 1 und 2 noch als Bankspieler in Spiel 3 konnte Schröder vollends überzeugen. Zwar lesen sich seine Statistiken mit 14,3 Punkten und 7,3 Assists pro Spiel nicht schlecht, doch die bereits angesprochenen Wurfquoten verhindern allzu große Euphoriewellen bei Schröder.
Spacing ist das große Problem der OKC Thunder
Dabei ist das Shooting unheimlich wichtig für die Offense der Thunder, die in vielen Situationen auf die aggressiven Drives von Westbrook oder Schröder beruht. Der Deutsche zog 2018/19 bisher 13,7 Mal pro Partie zum Korb, Westbrook hatte in seinem ersten Spiel sogar ganze 18 Drives vorzuweisen.
Doch ohne respektables Shooting kann es sich die gegnerische Defense problemlos erlauben, in die Zone zu kollabieren und somit eine Mauer vor den Thunder-Guards hochzuziehen. Das Zauberwort lautet also auch bei OKC Spacing.
Immerhin erkämpfen sich die Thunder dank Steven Adams oder auch Nerlens Noel zahlreiche Offensiv-Rebounds, mit denen sie sich zweite Chancen erarbeiten. Auch in der Transition sind die Thunder angeführt von Westbrook und Schröder enorm gefährlich.
OKC Thunder: Coach Billy Donovan unter genauester Beobachtung
Doch im Halbfeld machen die altbekannten Probleme das Leben schwer. Neben dem Shooting, das den Thunder schon über mehrere Jahre ein Dorn im Auge ist, ist das auch das System von Head Coach Billy Donovan, der es in seinen drei Jahren in OKC noch nicht geschafft hat, Westbrook in Off-Ball-Aktionen gewinnbringend einzusetzen. Dabei haben die Thunder in Person von Schröder mittlerweile sogar einen fähigen Ballhandler in ihren Reihen, der Westbrook in solch Situation gut bedienen könnte.
Dementsprechend steht Donovan bereits nach drei Spielen unter genauster Beobachtung, unter den Thunder-Fans gibt es ohnehin schon seit geraumer Zeit nicht gerade wenig Donovan-Kritiker. Der 53-Jährige hatte nun vier Tage Zeit, um mit seinem Team zu arbeiten und auf das Duell gegen Boston vorzubereiten.
Es wird spannend zu sehen sein, was sich Donovan und die Thunder ausgedacht haben, doch in erster Linie werden die Schützen endlich in ihren Rhythmus finden müssen. Neben Schröder gilt das in erster Linie für Patrick Patterson (26,3 Prozent FG), Jerami Grant (26,1 Prozent) oder Ferguson (13,3 Prozent).
Wobei man an dieser Stelle auch festhalten muss, dass das Ceiling in Sachen Shooting mit diesem Spielermaterial nicht sonderlich hoch ist. Immerhin: Viel schlechter geht es auch nicht mehr. Ändert sich jedoch vorerst nichts, hängt der Erfolg der Thunder wie auch in den letzten Jahren fast allein von Westbrook (und in Teilen von George) ab. Ginge es nach den Verantwortlichen und Fans sollten diese Zeiten nach dem vergangenen Sommer eigentlich vorbei sein.