Für einen gerade mal 20-Jährigen hat Lonzo Ball in seinem Leben schon ziemlich viel mit Superlativen zu tun gehabt. Allen voran natürlich aufgrund seines Vaters LaVar, nach dessen Ansicht Lonzo schon als 6-Jähriger bessere Basketball-Skills hatte als Michael Jordan und Hakeem Olajuwon in Personalunion, und aufgrund der Stilisierung und Vermarktung des Ball-Clans als eine Art Kardashians der NBA.
Aber bei weitem nicht nur deshalb. Schon am College stand Ball im Rampenlicht, als No.2-Pick bei den Los Angeles Lakers und erklärter Wunschspieler von Magic Johnson wurde er vor der vergangenen Saison dann noch einmal vor deutlich mehr Scheinwerfer gezerrt. Bei Ball ist irgendwie immer alles riesig, dramatisch, wichtig, superlativ.
Die Aussage, die der junge Point Guard vor dem Sommer von Johnson mit auf den Weg bekam, passt sehr gut dazu: "Das wird die wichtigste Offseason deines Lebens", sagte der Lakers-Präsident zu Ball bei dessen Exit-Interview. Und auch wenn Magic es mit dem Pathos ähnlich wie LaVar gerne übertreibt - es lohnt sich, diese Aussage zumindest mal auf den Prüfstand zu nehmen.
LeBron James verändert den Zeitplan der Lakers
Zumal man sie auf verschiedene Arten interpretieren kann. Blickt man auf die Situation der Lakers, hat sich diese über den Sommer natürlich massiv verändert. Das Gesicht des Teams sind nicht mehr die jungen Spieler, sondern LeBron James, mit dem gleichzeitig Ernsthaftigkeit und Ambitionen nach L.A. zurückkehren.
Ein Contender sind die Lakers zwar noch nicht, auch wenn sie das selbst sicherlich anders sehen. In jedem Fall hat sich ihr Zeitplan aber verkürzt. James wird Ende des Jahres 34 Jahre alt und spätestens nächstes Jahr soll es eine echte Titelchance geben. Vier Jahre lang steht James bei den Lakers unter Vertrag, verschenkt werden soll verständlicherweise keins davon.
Für die jungen Spieler heißt das, dass sie schnell entweder schwimmen müssen oder eben untergehen (oder getradet) werden. Deutlich mehr noch als etwa Brandon Ingram oder Kyle Kuzma steht Ball dabei auf dem Prüfstand.
Lonzo Ball: Einer der schlechtesten Scorer der NBA
Man konnte Johnsons Aussage nämlich auch so deuten: Die klaffenden Lücken, die der Point Guard in seiner ersten Saison offenbarte, darf es eine Saison später eigentlich nicht mehr geben, LeBron hin oder her. Denn Ball deutete zwar großes Potenzial an, erreichte 10 Punkte sowie je 7 Rebounds und Assists im Schnitt und spielte defensiv auf unerwartet hohem Niveau. Er war jedoch auch einer der schlechtesten Scorer der gesamten Liga.
Unter allen Spielern, die letztes Jahr mindestens 200 Field Goals versenkten, rangierte Ball mit 44 Prozent effektiver Wurfquote auf dem viertletzten Platz, bei der herkömmlichen Wurfquote sogar auf dem allerletzten (36 Prozent) von insgesamt 214 qualifizierten Spielern. Sein Scoring war keine Baustelle, sondern ein Bombenkrater.
Dementsprechend viel Arbeit verschiedenster Natur war über den Sommer nötig und auch das wollte Magic dem Hoffnungsträger sicherlich mitgeben. Das Problem allerdings dabei: Ball war nicht fit - und die Verletzungsprobleme am Knie beeinträchtigten seine Offseason noch mehr als es zu Anfang absehbar war.
Lonzo Ball: Meniskusriss zum "günstigen" Zeitpunkt
Bereits als Rookie verpasste Ball mit Knieproblemen 30 Spiele, darunter die letzten acht Spiele der Saison. Im Anschluss bekam er eine PRP-Injektion (plättchenreiches Plasma) ins linke Knie, die dieses stabilisieren sollte, doch kurz vor dem Start der Free Agency verkündete er selbst (in der Ball-Clan-Reality-Show "Ball in the Family", nehmt das, Shams und Woj!), dass er sich den Meniskus gerissen hatte.
Er musste operiert werden - und nach Ansicht der Lakers war es kein Zufall, dass er dies ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt verkündete und damit seinen Trade-Wert deutlich reduzierte. In jedem Fall verordnete ihm diese OP weitere sechs Wochen Pause von Basketball-Aktivitäten. Die gesamte Offseason über konnte Ball nicht an 5-gegen-5-Einheiten teilnehmen.
Gewisse Fortschritte hat Ball dennoch gemacht. Vergangene Woche kursierten über die Lakers Videos von Ball, in denen sichtbar wurde, dass er seine (nett gesagt) hässliche Wurfbewegung zumindest ein bisschen verändert hat und den Ball nun schneller loswird. Das muss sich zwar noch im echten Spiel beweisen, der Ansatz scheint aber zumindest richtig.
Stärkere Physis soll Lonzo Ball helfen
Noch wichtiger könnte indes seine körperliche Transformation sein. Ball ist über den Sommer merklich kräftiger geworden, nachdem er in Jahr eins noch zu leicht herumzuschubsen war. "Er hat seinen Körper neu in Form gebracht und dafür gesorgt, dass er, wenn er nächste Saison von einem kräftigen Guard wie Russell Westbrook attackiert wird, auch zurückpushen kann. Man sieht das an seiner Physis", erkannte General Manager Rob Pelinka an.
Die kräftigere Statur dürfte Ball auch bei seiner größten Schwachstelle aus dem Rookie-Jahr behilflich sein. Vieles konzentrierte sich immer auf den Wurf, dieser war aber ja bei weitem nicht seine einzige offensive Schwachstelle: Ball war auch um den Korb herum ein sehr ineffizienter Scorer und zog in 34,2 Minuten pro Spiel lediglich 1,4 Freiwürfe, lächerlich für einen Spieler, der den Ball so viel in der Hand hielt wie er. Balls Spiel fehlte offensiv nicht nur Feintuning.
Ein bisschen wie Rajon Rondo
Vergangene Saison war er weder bei Pullups (37,5 Prozent) noch bei Mitteldistanzwürfen (32,6 Prozent) oder bei Floatern (29,7 Prozent) auch nur Durchschnitt, und auch direkt am Korb hatte er große Probleme (46 Prozent). Teilweise hatte das mit fehlendem Touch zu tun, Ball wich aber auch häufig Kontakt aus und gab dadurch unnatürliche Würfe ab.
Wenn er es schafft, hier künftig mit mehr Entschlossenheit - und "selbstsüchtiger", wie er es selbst zu Recht von sich forderte - vorzugehen, könnte das viel bewirken und ihm womöglich den dringend benötigten Push verschaffen, sowohl bei der Effizienz als auch bei den Freiwürfen. Zumal ein etwas verbesserter Abschluss natürlich auch seine größte Stärke, das Passspiel, vereinfachen würde. Aktuell kann jeder Gegenspieler weit gegen ihn absinken, mehr noch als man es von beispielsweise Rajon Rondo seit Jahren kennt.
Rondo: Mentor oder Konkurrent für Lonzo?
Dass ausgerechnet Rondo neuerdings auch bei den Lakers spielt, ist ebenfalls gewissermaßen zweideutig. "Wir hatten letztes Jahr keinen Mentor, der Lonzo zeigen konnte, wie man als Point Guard aufzutreten hat", erklärte Johnson im Sommer den Einjahresvertrag über 9 Millionen Dollar für Rondo. "Jetzt haben wir in Rondo einen, der ihm viel über Basketball beibringen kann. Ich glaube, dass Rondo Lonzo in diesem wichtigen Jahr sehr viel helfen wird."
Das wäre die eine Sichtweise. Die andere: Rondo ist zwar mittlerweile 32 Jahre alt und nicht mehr der Star früherer Tage, als reiner Mentor, der von der Bank aus berät und unterstützt, sieht er sich allerdings sicherlich nicht. Rondo dürfte durchaus auch Konkurrent für Ball sein, vielleicht sogar Absicherung. Das Verletzungsrisiko muss schließlich auch das Team ernst nehmen.
Natürlich gibt es auch nach wie vor die Möglichkeit, dass die Lakers Ball im Lauf der Saison als Teil eines Superstar-Trades abgeben und dann umso mehr einen erfahrenen Einser wie Rondo gebrauchen können. Lonzo ist gewissermaßen gleichzeitig potenzieller Franchise-Eckpfeiler und wichtiger Trade-Chip, so widersprüchlich das klingt.
Der nächste Superlativ kommt bestimmt
Das sind nur einige diverser Themen, die Ball vor seiner Sophomore-Saison beschäftigen. Er wird nicht nur physisch, sondern auch mental sehr viel Kraft brauchen - vergangene Saison lastete wohl auf keinem Rookie so viel Druck wie auf ihm (teilweise selbst verschuldet), vor Jahr zwei ist es nun sogar noch deutlich mehr Druck geworden.
Magic hatte Recht: Es war und ist die wohl wichtigste Offseason in Balls Leben, und es wird vielleicht auch die wichtigste Saison seines Lebens. Zumindest bis zur nächsten. In dieser Familie und bei dieser Franchise gibt es wohl für jeden Superlativ noch mindestens eine Steigerung.