LeBron James hat in seiner mittlerweile 15-jährigen Karriere 22 Elimination Games gespielt. Besonders in der jüngeren Vergangenheit hat er die meisten davon gewonnen - mit einer Dominanz, für deren Beschreibung die Superlative fehlen.
Sechs dieser 22 Spiele musste der King gegen die Celtics bestreiten, vier davon hat er für sich entschieden. Und zwei davon haben seinen Karriereverlauf geprägt wie kaum ein anderes Matchup.
13. Mai 2010: Nachdem die Cavaliers im Vorjahr wider Erwarten in den Conference Finals an den Orlando Magic gescheitert waren, sollte diesmal alles besser werden. Mit 61-21 sicherten sie sich den Top Seed der Regular Season, natürlich dank LeBron James, der sich seine zweite MVP-Trophäe holte.
In der zweiten Playoff-Runde war trotzdem Schluss. Das Star-Ensemble aus Boston feierte seine Renaissance, die Defense von Doc Rivers deckte die Cavs-Schwächen gnadenlos auf, LeBron war allein auf weiter Flur und damit überfordert. Mit einem 2:3-Serienrückstand ging es für ihn in den kochenden Garden, wo Cleveland nur 85 Punkte erzielte - und ausschied. Ein paar Wochen später gab es im Fernsehen eine Show mit James, in der er ankündigte, seine Talente dem South Beach zur Verfügung zu stellen, da er dort bessere Chancen auf Erfolg sehe als in Ohio.
LeBron James vor siebtem Elimination Game gegen Boston
Gut zwei Jahre später, der 7. Juni 2012: Nachdem die Heat wider Erwarten in den Finals 2011 an den Dallas Mavericks gescheitert waren, sollte diesmal alles besser werden. Es sah auch gut aus: Miami dominierte die Regular Season, LeBron gewann MVP-Trophäe Nummer 3. Doch in den Conference Finals wartete das alternde Star-Ensemble der Boston Celtics, das sein letztes Hurra feierte.
Mit einem 2:3-Serienrückstand ging es für die Heat in den kochenden Garden, sie standen mit dem Rücken zur Wand. Für James jedoch sollte diesmal alles anders laufen als vor zwei Jahren: Mit offenen Mündern bestaunten die Fans die Geburt von "Playoff-LeBron", der die Heimmannschaft mit 45 Punkten sezierte und sein eigenes Team rettete. Nach dieser Performance verlor keine LeBron-Mannschaft mehr eine Playoff-Serie im Osten. Die Celtics lösten sich auf und begannen einen Rebuild.
Jetzt, gut sechs Jahre später, schließt sich der Kreis mit dem nächsten Elimination Game von James im TD Garden zu Boston, auf der größtmöglichen Bühne - Game Seven. Die beiden schönsten Worte des US Sports. Win or go home, NBA Finals oder Urlaub. Mehr geht nicht. Oder: "Dafür lebt man", wie es James-Teamkollege Tristan Thompson erklärte.
Celtics vs. Cavaliers: Eine Serie wird reißen
Egal wer am Ende als Sieger vom Parkett geht - es wird nicht nur einen beeindruckenden Streak geben, der reißt. Als da wären: Die Celtics haben noch nie eine Serie nach 2:0-Führung verloren (bis dato 36 Stück!). Sie stehen in den laufenden Playoffs bei 10:0 vor heimischer Kulisse. Auf der anderen Seite LeBron: Siebenmal in Folge stand er in den Finals. 23-mal in Folge verließ sein Team im Osten eine Playoff-Serie als Sieger.
Nun steht alles auf der Kippe - nur ein Spiel entscheidet, 48 Minuten lang (oder mehr?) heißt es "alles oder nichts."
Zieht man nun den Verlauf der bisherigen sechs Spiele zwischen den Teams heran, kann der Sieger eigentlich nur Boston heißen, schließlich traten die Cavs auswärts bis dato unterirdisch auf, selbst LeBron schwächelte in Game 5.
Aber siebte Spiele schreiben ihre eigenen Gesetze. Und sich darauf verlassen, dass James noch einmal Ermüdungserscheinungen zeigt, ist aus Celtics-Sicht keine gute Idee. Vor zwei Tagen noch, bei seiner phänomenalen 46-Punkte-Performance, wirkte der King frischer denn je, er spielte praktisch durch und hatte am Ende des Spiels dennoch genug Kraft im Tank (körperlich und mental), um das Spiel zu entscheiden.
Celtics müssen LeBron attackieren
35 Punkte im Schnitt legte James in seinen bisherigen Game Sevens auf. Und man darf davon ausgehen, dass sein Team erneut so viele braucht, um zu bestehen - mindestens. Denn mit dem Ausfall von Kevin Love lastet mehr Gewicht auf James' Schultern als jemals zuvor. Seit der besagten Niederlage 2010 gegen Boston war sein Supporting Cast nie so dünn wie es aktuell der Fall ist.
Der Plan Bostons dürfte aus diesem Grund altbekannt sein. Sie müssen James immer wieder fordern, ihn attackieren, ihn nerven. Marcus Smart ("es wird dreckig. Wir müssen uns auf blutige Nasen einstellen") wird ihn phasenweise wieder übers ganze Parkett jagen, Marcus Morris ihn im Halbfeld körperlich angehen, Jaylen Brown den Drive gegen ihn suchen.
All das wird LeBron nicht davon abhalten, zu punkten. Aber vielleicht leidet seine Effizienz, vielleicht leidet seine Präzision bei den Pässen. Solche wird es zweifelsohne auch in Game 7 geben, denn jeden Wurf der Cavs kann auch LeBron nicht nehmen.
Dann müssen die Celtics aufpassen, dass die Schützen JR Smith und Kyle Korver nicht zu offen stehen oder dass Jeff Green nach Switch-Missverständnissen nicht ungestört zum Korb cutten kann, wie es in Game 6 der Fall war. Sie müssen außerdem am Brett konsequenter zupacken, dürfen keine zweiten Chancen zulassen - und sobald sie den Spalding in den Händen haben, müssen sie auf die Tube drücken und das Spiel schnell machen.
Brad Stevens: Alter spielt keine Rolle
All das ist nichts Neues, es würde überraschen, wenn es Umstellungen im Game Plan geben wird. Auch die Cavaliers werden auf Altbewährtes setzen, wie zum Beispiel auf die Defense Thompsons gegen Al Horford. "TT" steht meist nur dann auf dem Feld, wenn sein Gegner es auch tut, Ty Lue zeigt hier seinen Hang zum "oldschool"-Minutenmanagement. Zurecht: Wenn Horford auf dem Feld steht und von Thompson verteidigt wird, gewinnen die Cavs (hochgerechnet auf 100 Possessions) mit 3,2 Punkten. Wenn der Celtics-Fixpunkt jedoch ohne seinen primären Bewacher agieren darf, sind es plus 19,2 Punkte (!) für die Celtics.
Ansonsten heißt es für die Cavs wie in letzter Zeit immer: Vertraue LeBron James und hoffe, dass er etwas Gutes mit dem Ball anstellt. "So ist unser Team aufgebaut", sagte dieser nach Spiel 6 auf der Pressekonferenz, "auf diesem Wege haben wir Erfolg."
Etwas, das im kommenden Spiel kein Faktor sein soll, ist die Jugend der Celtics - zumindest, wenn es nach Head Coach Brad Stevens geht. "Ich gebe schon das ganze Jahr über mein Bestes, nicht über das Alter meiner Spieler zu reden. Denn darum geht es nicht - sondern darum, dass sie gute Basketballer sind und ein großartiges Team. Wir haben jetzt einen Job zu erledigen. Und wir sind bereit für das Spiel."
LeBron James: "Bloß ein Basketball-Spiel"
Ganz so einfach, wie er sich es wünscht, verhält es sich nicht. Natürlich spielt die mangelnde Erfahrung vom Großteil des Kaders eine Rolle. Für sie ist es das größte Spiel ihrer Karriere, weshalb sie automatisch mit einem anderen Gefühl aufs Parkett treten werden, selbst wenn sie im eigenen Wohnzimmer spielen.
LeBron hingegen hat schon alles gesehen, alles erlebt. "In erster Linie ist es für mich bloß ein Basketball-Spiel. Ich weiß, zu welchen Dingen ich in der Lage bin und ich habe Vertrauen in die Dinge, die ich tue. Deshalb mache ich mir keinen Druck", sagt er deshalb.
Sollte seine Mission dennoch schiefgehen, könnte es sein letztes Spiel im Trikot der Cavaliers gewesen sein - und zum zweiten Mal wäre ein Elimination Game gegen die Celtics schuld daran. Seine Aussage, es handle sich "bloß um ein Basketball-Spiel", könnte deshalb etwas geflunkert sein.
Denn ein Game Seven in dieser Phase kann selbst der König nicht kleinreden.