NBA

Ich baue eine Hütte mit Dirk Nowitzki

Von Alex Schlüter
Immer im Schlepptau von Dirk Nowitzki: DAZN-Reporter Alex Schlüter (r.)
© getty

Wie bei jeder Reise mit der NBA wurde beim Africa Game viel Show geboten - aber die Spieler wurden auch mit der bitteren Armut in Johannesburg konfrontiert. DAZN-Reporter Alex Schlüter berichtet von seinen Erfahrungen mit Dirk Nowitzki, Dennis Schröder, Thierry Henry und vielen anderen.

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TAG 1: "Dir geht hier sofort die Pumpe"

Es ist Mittwoch, irgendwo in Afrika. Na gut, wir sind ziemlich genau in Johannesburg, denn hier findet nach 2015 bereits zum zweiten Mal das NBA Africa Game statt. Sind wir ehrlich, das Event hatte für mich vor ein paar Wochen noch so viel Reiz wie eine Bundestagsdebatte über Ortsheimatpflege. Das änderte sich aber spätestens, als Dirk Nowitzki uns verriet, dass er in diesem Sommer dabei sein würde.

Er hatte ohnehin geplant, die Familie seiner Frau in Kenia zu besuchen. Zudem hatte man uns vorab erzählt, dass das Africa Game eine einmalige Möglichkeit biete, die NBA-Spieler und -Trainer mal in einer anderen Umgebung intensiv kennen zu lernen. So viel vorab: Wir sollten nicht enttäuscht werden.

Nun hat Dirk also Kind und Kegel eingepackt und ist aus Kenia in den Nordosten Südafrikas geflogen. Hier soll er das Team World am Samstag als Co-Captain aufs Feld führen. Dort wird er unter anderem auf Dennis Schröder treffen, der mit seinen gambischen Wurzeln für das Team Africa auflaufen wird. Die beiden Deutschen im Duell, dazu all die anderen Topspieler, das kann nur gut werden.

Vorher stehen aber noch einige andere Events an, zuallererst die feierliche Eröffnung des Africa Games 2017. Nachdem Dirk ein paar offizielle Wort ins Mikro gesprochen hat, entdeckt er uns zwischen den versammelten Medienvertretern. "Stark Jungs, ihr habt echt den langen Ritt auf euch genommen?" Haben wir, der Chef zahlt, das passt schon.

Direkt nach der Pressekonferenz geht es für die Profis in die Halle, wo sie die Coaches beim Jugend Camp unterstützen sollen. Hier trainieren in den nächsten Tagen einige der größten Talente Afrikas mit den NBA-Stars zusammen. Dirk hat zwar in diesem Sommer, anders als in den Jahren zuvor, durchtrainiert, vor der Höhenluft im 1.700 Meter über dem Meeresspiegel liegenden Joburg hat er aber Respekt: "Dir geht hier sofort die Pumpe. Ich hoffe, ich komme an eine der Wurfstationen und muss erstmal nicht so viel laufen", scherzt er und schlendert in die Trainingshalle.

Dort ist Erik Spoelstra bereits voll in seinem Element. Der Heat-Coach, der in drei Tagen die Weltauswahl an der Seitenlinie betreuen soll, leitet mit vollem Körpereinsatz die ersten Übungen mit den Nachwuchsspielern: Ballvortrag von links, auf der Weakside wird ein Block genutzt - Pass - Wurf. So einfach die Übung, so detailversessen korrigiert Spoelstra jeden kleinen Fehler, achtet exakt auf die richtigen Winkel beim Pass und beim Laufweg um den Block.

Dirk ist beim Pick'n'Roll gelandet. Konditionell scheint ihn das nicht zu überfordern, aber er staunt ordentlich, als die afrikanischen Youngster reihenweise per Monsterjam abschließen. Es ist spannend zu beobachten, wie die Nervosität der Youngster, mit jeder Minute, die sie gemeinsam mit den großen Stars auf dem Court stehen, schwindet. Am Ende der Trainingseinheit ist die Stimmung so gelöst, dass Joel Embiid mit seinem Team eine Art Folklore-Huddle anstimmt. Inmitten der tanzenden Afrikaner komme ich mir arythmisch vor wie selten zuvor. Ich bin froh, dass zumindest Dirk mit da ist.

TAG 2: Ein Besuch im Township

Der zweite Tag beginnt mit einer weiteren Einheit im Trainingscamp. Es stehen Teambuilding-Maßnahmen auf dem Programm. Gruppenfangen, Ball hochhalten mit einem Spannbettlaken. Embiid führt sein in einer Kette laufendes Team mit geschlossenen Augen durch die Halle. Leaderqualitäten, die man in Philadelphia mit Wohlwollen registrieren wird.

Im Zentrum des Tages steht aber der Besuch in einem der größten Townships der Stadt auf dem Plan. Es ist ein Ausflug voller Kontraste. Mit vier großen Bussen geht es, eskortiert von zahlreichen Polizeiwagen, nach Orange Farm, einem der Armenviertel Johannesburgs. Menschliches Elend, zusammengepresst in 2x2 Meter große Wellblechhütten - besucht von den NBA-Millionären. Und doch ist es eine gute Sache.

Für NBA Cares sollen die Stars mit anpacken, es sollen Häuser gebaut werden, wofür der NBA-Trupp in einzelne Gruppen aufgeteilt wird. Dirk legt sich gemeinsam mit C.J. McCollum, Erik Spoelstra und Alvin Gentry ins Zeug. Es dauert nicht lange, bis auch ich die Arbeitshandschuhe anhabe - gut so, das ist kein Ort, um einfach in der Gegend rumzustehen.

Dirk schleppt mit C.J. die Steine, Spoelstra beschäftigt sich mit dem Mauern und Coach Gentry steht im Zentrum des Steinquadrats und gibt Anweisungen. Meine Aufgabe ist es, den Zement anzurühren. "Good job, Buddy!" schnappe ich aus der Hausmitte auf. Mit einem leicht stolzen "Thanks, Coach!" wuchte ich den Spaten wieder in den Schlick. Die Laune ist gut, es wird gescherzt, gelacht und wie es sich für Sportler gehört auch ein wenig gebattled.

Als McCollum irgendwann sieht, dass das Nachbarteam um Andre Drummond schon deutlich höhere Mauern gezimmert hat, verabschiedet sich der Blazer mit den Worten: "Leute, es war eine wundervolle Zeit in dieser Franchise, aber ich bin ein Ringchaser. Ich lasse mich da rübertraden."

Und doch wird nicht nur gelacht, es gibt auch viele nachdenkliche Mienen. Die Armut ist immer präsent. Rund 350.000 Menschen leben hier im ständigen Kampf um die eigene Existenz. Ich habe das Gefühl, dass sie keinen der Spieler kennen, die schillernde Welt der NBA liegt weit außerhalb ihres Kosmos. In den Träumen der Kinder, die durch die Zäune verstohlen in unsere Richtung schielen, kommen sicher keine Basketballstars vor - es geht hier ums Überleben.

Die Lebenserwartung in Orange Farm ist niedrig, die HIV-Quote umso höher. Die zugestaubten Häuser, die im Dreck spielenden Kinder - all das geht auch an den Profis nicht spurlos vorbei. Irgendwann greift Drummond zum großen Verpflegunskorb, der eigentlich für die NBA-Leute vorgesehen ist, und verteilt die Äpfel und Müsliriegel an die Bewohner des Viertels. Bostons Jaylen Brown kommt als einer der Letzten, lediglich in Shorts bekleidet zum Bus zurück.

Ein sichtlich gerührter Erik Spoelstra soll dies später als den rührendsten Moment des gesamten Trips beschreiben: "Er hat einfach angefangen, seine Klamotten auszuziehen und sie alle zu verschenken. Da war keine Kamera in der Nähe, er hat das von sich aus getan."

Dann aber geht es zurück und der NBA-Trott verlässt das Armutsgebiet begleitet von Polizeisirenen wieder in Richtung Luxushotel. "Die Armut ist auf diesem Kontinent einfach unglaublich, man will helfen, ist sich aber bewusst, dass man nicht überall helfen kann", sagt Dirk im Anschluss. Mit Spendengeldern werden im Township in den nächsten Monaten nicht nur weitere Häuser, sondern auch eine Schule gebaut. NBA Cares - so gut man eben kann.

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