Die Transaktionen der Philadelphia 76ers
Bereits vor dem Draft waren die Sixers aktiv und zogen zunächst die Team-Option für Robert Covington (bei lächerlichen 1,57 Millionen Dollar ein No-Brainer) und tauschten dann ihren No.3-Pick sowie einen zukünftigen Lottery-Pick nach Boston, um deren No.1-Pick und somit Markelle Fultz erhalten zu können.
In der Folge waren die Sixers auch in der Free Agency seit Jahren erstmals wieder richtig aktiv und holten zwei gestandene Veteranen für jeweils ein Jahr. J.J. Redick (23 Millionen) und Amir Johnson (11 Millionen) avancierten in einem Kader voller Rookie- und Minimalverträge sofort zu den absoluten Topverdienern.
Der 2016 gedraftete Furkan Korkmaz wurde von Anadolu Efes rübergeholt, dazu erhielten Melo Trimble, James Blackmon, Jonah Bolden und Mathias Lessort jeweils Einladungen zum Training Camp. David Pick zufolge wird Bolden aber noch eine Saison in Israel bei Maccabi Tel Aviv bleiben. Gerald Henderson, Sergio Rodriguez und Tiago Splitter wurden nicht gehalten, bei Alex Poythress ist noch keine Entscheidung bekannt.
Die Strategie der Philadelphia 76ers
Mit Fultz haben die Sixers genau den Spielertyp hinzubekommen, der dem jungen Kern noch fehlte und der in der heutigen NBA unverzichtbar ist - ein dynamischer Scorer, der als Point Guard fungieren kann, der aber auch abseits des Balles brandgefährlich ist, wenn Ben Simmons als Ballhandler auftritt. Zwar verletzte sich der No.1-Pick in der Summer League umgehend, seine Knöchelverletzung dürfte ihn aber nicht allzu lange beeinträchtigen.
Fultz soll mit Simmons und Joel Embiid langfristig eine Big 3 formen und Teil des Kerns sein, der Philly vielleicht eines Tages wieder zum Contender macht. Neben dem Trio gehören dazu auch Dario Saric und Covington sowie womöglich Timothe Luwawu-Cabarrot, Nik Stauskas und Furkan Korkmaz.
Redick und Johnson hingegen werden mit dieser doch noch relativ fernen Zukunft nichts zu tun haben, aber ihre Verpflichtungen sind dennoch sinnvoll. Beide gelten als vorbildliche Profis, was bei einem so jungen Team nicht schaden kann. Redick ist mit seinem Shooting zudem ein idealer Floorspacer für Fultz, Simmons und Embiid. So lässt sich das hohe Gehalt auch problemlos rechtfertigen.
Die Sixers sollen in der kommenden Saison lernen und besser werden, was relativ sicher ist, wenn sie einigermaßen gesund bleiben. Das Shooting des Teams wurde deutlich verbessert und angesichts der schwachen Eastern Conference dürfte Philly in der kommenden Saison zumindest um die Playoffs mitspielen. Die Zeiten, in denen man aktiv schlecht sein wollte, sind vorbei.
Die Schwachstellen der Philadelphia 76ers
Diese Frage ist gar nicht so leicht zu beantworten, da bei den Sixers schon seit einigen Jahren die Theorie einen deutlich höheren Stellenwert hat als die Praxis. Theoretisch ergänzen sich die einzelnen Teile des Kaders sehr gut und insbesondere Fultz und Redick bringen genau das, was bisher positionell gefehlt hat. Embiid, Simmons und Fultz sind potenziell revolutionäre Talente.
"Potenziell" ist in diesem Fall aber ein Schlüsselwort. Embiid hat in seiner dreijährigen NBA-Karriere bisher 31 Spiele auf dem Buckel, Simmons hat seine erste Saison verpasst. Das Thema Gesundheit mag ein leidiges und selbstverständliches sein, aber bei den Sixers waren Verletzungssorgen über die letzten Jahre eben mindestens genau so präsent wie Embiid auf Social Media. Das lässt sich nicht so leicht ignorieren.
Kadertechnisch lassen sich daher ansonsten gar nicht so viele Schwachstellen festmachen. Ein erfahrener Playmaker wäre noch nett, weitere 3-and-D-Flügel neben Covington würden auch nicht schaden. Fast die gesamte Bank besteht aus jungen Spielern, die um ihren nächsten Vertrag spielen, aber das muss nicht zwingend etwas Negatives sein.
Der Hoffnungsträger der der Philadelphia 76ers
Keine Personalie bei den Sixers ist annähernd so wichtig wie die Akte Embiid. Der Center ist das "transzendente" Talent, das Philly eines Tages wieder ins gelobte Land führen könnte, ein potenzieller Revolutionär und "Remix" von Hakeem Olajuwon - ein Spieler, der vorne wie hinten der Schlüsselspieler eines großen Teams sein könnte.
Könnte. Die 31 Spiele, die Embiid vergangene Saison absolvierte, waren eine winzige Stichprobe, sie waren aber gleichzeitig so beeindruckend, dass sie nicht nur Sixers-Fans zum Träumen verleiteten. 20,2 Punkte, 7,8 Rebounds, 2,5 Blocks und dabei 36,7 Prozent Dreierquote? Das ist historisch für einen Center, zumal er für diese Produktion lediglich 25,4 Minuten brauchte.
Embiid ist nicht der einzige hochtalentierte Spieler im Kader, aber er ist die maßgebliche Figur für die Zukunft der Franchise. Spieler wie er sind der Grund, warum Teams so etwas wie den "Process" durchziehen und ihrer Fan-Base verkaufen können - wenn er denn tatsächlich gesund bleibt.
Das Fazit
Man kann dem Front Office um Bryan Colangelo kaum Vorwürfe machen. Für die interne Ruhe wäre es vielleicht besser gewesen, einen Abnehmer für den unzufriedenen Jahlil Okafor zu finden, diese Möglichkeit besteht allerdings ja immer noch. Ansonsten wurden keine Fehler gemacht, es sei denn, man möchte bemängeln, dass der Teamarzt nicht durch einen Voodoo-Priester ausgetauscht wurde.
Der Kader wurde sinnvoll verstärkt, auch der Trade für den No.1-Pick war absolut gerechtfertigt, da Fultz eben besser zum vorhandenen Kern passt als die anderen verfügbaren Rookies. Mit den Einjahresverträgen für Redick und Johnson bewahrte sich Philly zudem die finanzielle Flexibilität für die Zukunft.
Die Sixers hatten das Geld ohnehin "rumliegen" und sind sogar mit den beiden Deals noch nicht beim Minimalgehalt (90 Prozent des Salary Caps: 89,184 Millionen Dollar) für die kommende Saison angekommen. Sie könnten immer noch eine vorzeitige Vertragsverlängerung mit Embiid eintüten, um zu verhindern, dass dieser im kommenden Sommer Restricted Free Agent wird.
Dies wurde von Sixers-Besitzer Joshua Harris zu einer Priorität dieses Sommers erklärt, wobei seitdem nicht allzu viele Updates zu den Diskussionen durchgedrungen sind. Bis zum 31. Oktober haben beide Seiten noch Zeit, sich zu einigen.
So oder so dürfen Sixers-Fans aber optimistisch (wenn auch vielleicht noch nicht siegessicher) in die Zukunft blicken. Auf dem Papier könnten die Sixers zum Superteam werden, nun müssen die Protagonisten - zum ersten Mal seit Jahren - auch auf dem Court etwas abliefern. Man darf gespannt sein.
Die Note: 2+