NBA

Langweilig wird es nie

Von Robert Arndt
Dennis Schröder und die Atlanta Hawks verloren zuletzt sieben von zehn Spielen
© getty

Die Saison der Atlanta Hawks gleicht einer wilden Achterbahnfahrt. Großen Siegen stehen teils peinliche Schlappen gegenüber. Doch auch dem Court kam es zuletzt immer wieder zu Reibereien. Bei allem mittendrin: Dennis Schröder.

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Atlanta ist die Heimat von Julia Roberts, einer der großen Diven im Filmgeschäft. Natürlich wohnt der große Hollywood-Star nicht mehr im manchmal verschlafenen Süden der USA. Doch die Hauptstadt Georgias hat derzeit sowieso eine andere launische Diva zu bieten. Die Hawks.

Wenn bislang etwas konstant war, dann die Inkonstanz, die es in der Philips Arena zu sehen gab. Siegesserien wie zu Beginn der Saison folgten mehrere Pleiten am Stück. Auf Erfolge bei direkten Konkurrenten wie den Boston Celtics standen gleich mehrere Niederlagen gegen Kellerkinder wie Orlando gegenüber.

Auch in den letzten Spielen glich der Verlauf einer Achterbahnfahrt. Hohe Führungen gegen die Mavs, Pacers und Warriors wurden verspielt, während das Team von Mike Budenholzer gegen die Cavs einen enormen Rückstand (25 Punkte) beinahe noch umbog. Kurzum: Atlanta kann sein Spiel nicht über die komplette Spieldauer durchziehen.

Wirbel um Schröder

"Wir müssen lernen, über 48 Minuten zusammen zu spielen. Es waren nur Teile unseres Spiels", appellierte Coach Bud folgerichtig nach der Partie gegen die Warriors an sein Team. Zuvor gab es mal wieder Wirbel um Schröder, der nach einer Diskussion mit Dwight Howard Stephen Curry nicht bewachte. Der MVP traf und Budenholzer reagierte. Der Deutsche kehrte trotz 23 Punkten in 24 Minuten nicht mehr aufs Parkett zurück.

Es war nicht der erste Zwischenfall seit dem All-Star Break. Auch seine verspätete Rückreise aus Deutschland sowie der verpasste Bus vor der Partie in Orlando sorgten in Atlanta für Wirbel, auch wenn Schröder sich im Anschluss im Interview mit SPOX demütig zeigte: "Ich bin ein Leader und das darf einem Leader nicht passieren. Deswegen hat der Coach mich auch bestraft und das nehme ich so hin."

Seine Degradierung gegen die Dubs habe er zunächst zwar "nicht verstanden", nun scheint er sich jedoch sowohl mit Budenholzer als auch mit Howard ausgesprochen zu haben.

Führungsrolle noch zu früh?

Entsprechend postete Schröder ein Bild mit dem Center in den sozialen Medien und gab sich dabei gewohnt selbstbewusst: "Wir sind das beste Duo im Pick-n-Roll! Niemand kann uns stoppen, wenn wir beide auf dem höchsten Level spielen. Ich glaube immer noch daran, dass dieses Team Großes erreichen kann."

Es sind die Worte eines jungen Spielers, der führen möchte, in diese Rolle aber noch hineinwachsen muss. So sehr der Anspruch lobenswert ist: Schröder befindet sich in seiner ersten Saison als Starter selbst noch in der Findungsphase. Bei einem 23-Jährigen ist dies natürlich keine Überraschung, dennoch hat es zum Teil für Unruhe im Team gesorgt - trotz seiner starken Statistiken (17,7 Punkte, 6,2 Assists im Schnitt).

Sieben von zehn Partien gingen vor dem Sieg gegen die Brooklyn Nets, bei dem Schröder wieder mit 31 Punkten überzeugte, in die Binsen. Indiana lauert nur zwei Siege dahinter. Die Hawks brauchen unbedingt einen starken Schröder, denn gerade beim Playmaking sind die Hawks verdammt dünn aufgestellt. Backup Malcolm Delaney ist solide, mehr aber nicht, der kürzlich akquirierte Calderon weit über seinen Zenit heraus.

THJ - und dann?

Das Experiment mit Kent Bazemore, der nicht nur gegen Golden State teilweise auf der Eins spielte, sah bislang wenig vielversprechend aus, auch Tim Hardaway Jr. durfte sich versuchen, wobei dieser natürlich eher der klassische Combo Guard ist.

Dennoch zählt THJ zu den positiven Erscheinungen der letzten Wochen. Der Sixth Man verbuchte gegen die Cavs ein neues Career High und hat nun seit 18 Spielen immer zweistellig gescort. "Ich bin derzeit im Angriffsmodus", erklärte Hardaway seine Explosion.

Zwar übertreibt es der ehemalige Knickerbocker hin und wieder mit nicht optimaler Wurfselektion, doch seine Firepower von draußen ist ein rares Gut im Roster der Hawks. Zwar kann jeder außer Howard mal einen Versuch von Downtown versenken, doch verlässlich treffen die Hawks als Team nicht. Im Februar etwa wurden nur magere 30 Prozent versenkt.

Über die Saison gesehen ist lediglich der aus Philly gekommene Ersan Ilyasova (45 Prozent 3FG) ein guter Schütze, alle anderen Rotationspieler knacken nicht einmal 36 Prozent. Selbst gegen schwache Nets trafen die Hawks nur magere vier aus 20 Versuchen.

Howard nur noch Rollenspieler

So wird das eigene Spiel torpediert, welches immer noch von vielen und schnellen Pässen geprägt ist. Atlanta findet in jedem Spiel Wege offene Würfe zu kreieren, doch die Exekution bleibt zu häufig mangelhaft.

Unter dem Korb verhungert dagegen Center Howard, der noch nie in seiner Karriere so wenig Abschlüsse genommen hat (8 pro Spiel). Der Howetown-Hero sitzt zudem in der Crunchtime oft nur noch auf der Bank.

Positiv zu erwähnen ist aber, dass D8 nicht, wie befürchtet, Stunk macht und seine Rolle anders als noch in Houston akzeptiert. Dass er sich dagegen weiter viel zu selten in Pick-n-Rolls (1,33 Punkte pro Possession) mit Schröder begibt, steht auf einem anderen Blatt. Wenn er sich so wenig auf seine (offensiv) größte Stärke konzentriert, ist er an diesem Ende des Courts wenig mehr als ein hochbezahlter Rollenspieler.

Stabile Defense

Seine Defense dagegen ist weiter auf hohem Niveau. Zwar blockt er deutlich weniger Würfe als noch zu Magic-Zeiten, aber sein Stellungsspiel und der Positionskampf beim Rebound sind weiterhin elitär. Es überrascht nicht, dass Atlanta mit Howard und guten Flügelverteidigern wie Bazemore und Sefolosha zu den besten fünf Defenses der Liga zählt.

Allerdings: So gut die Zone verstopft wird, so sehr werden häufiger Closeouts verschlafen. Die Hawks zählen zu den schlechtesten Teams im Verhindern des Dreiers. Es war kein Zufall, dass ausgerechnet den Hawks die Rekord-Anzahl von Dreiern (25) eingeschenkt wurde, auch wenn dabei Kyrie Irving und LeBron James verdammt heiß liefen.

Dass die Partie zum Schluss dennoch zu einem Krimi mutierte, spricht wiederum für die Hawks. Es ist ja nicht so, dass dies auf einmal kein gutes Team mehr wäre - das Problem ist vielmehr, wie Budenholzer sagte, dass sie ihre Qualität zu selten über 48 Minuten abrufen.

Großer Bruder Millsap

Dafür wird es nötig sein, dass sich die Strukturen weiter verfestigen. Ein Schröder muss neben Veteranen wie Paul Millsap, der einzigen Konstante der Saison, weiter wachsen, um in der Zukunft endgültig die Schlüssel der Franchise ausgehändigt zu bekommen. Dass der Deutsche Millsap nach dem Golden-State-Theater kontaktierte, war zumindest ein gutes Zeichen.

Der Power Forward bezeichnete Schröder zuletzt gar als seinen kleinen Bruder. "Er ist reifer und erwachsener geworden", lobte Millsap nach dem Nets-Spiel. "Nachdem er die zweite Halbzeit gegen die Warriors nicht gespielt hat, half er uns heute, das Spiel zu gewinnen. Das nenne ich Reife."

Letztlich muss auch bemerkt werden, dass Atlanta bei aller Kritik und Unstimmigkeiten voll im Soll liegt. Platz fünf im Osten hätten vor dieser Umbruchsaison wohl die meisten unterschrieben. Es bleibt nur eben die Frage, ob bei dieser launischen Diva nicht noch deutlich mehr möglich gewesen wäre. Immerhin wird es nie langweilig im Staate Georgia.

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