Es gibt viele Regeln in der NBA. Eine davon: Die Spurs sind immer gut. Und werden trotzdem oft vergessen, wenn es um die Titelfrage geht. Das liegt vor allem daran, dass sie sich aufs Wesentliche konzentrieren: Keine wilden Deals am Deadline-Day, keine Spieler mit Star-Allüren.
Seit dem Retirement von Tim Duncan, der die Philosophie des fünffachen Champions verkörpert hatte wie kein anderer, ist ein Nachfolger endgültig in die riesigen Fußstapfen von Timmy getreten, um die Werte der Franchise zu repräsentieren: Kawhi Leonard.
Es gehört beim 25-Jährigen mittlerweile zum guten Ton, dass er sich von Saison zu Saison steigert. Am defensiven Ende des Parketts ist der mehrfache DPoY schon lange über jeden Zweifel erhaben, spätestens seit den Finals 2014, in denen er bei der 4-1-Machtdemonstration der Spurs zum Finals MVP gewählt wurde.
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Als primärer Verteidiger von LeBron James hielt er diesen bei 28,2 Punkten und 4 Assists - was auch für einen König noch hervorragende Zahlen sind. Was in den Stats allerdings nicht auftaucht, sind die Zwischenruns, mit denen die Spurs-Maschine die Serie für sich entschied. Alle vier Siege gingen mit mindestens 15 Punkten über die Bühne und die Energie für diese Runs generierten sie aus Kawhis Einfluss in der Defense. Oft reichten wenige Minuten aus, um einen Abend zu entscheiden. Und in diesen wenigen Minuten war James durch Leonard kalt gestellt.
Vom tragischen Held zum Finals MVP
Diese Story ist typisch für den Absolventen der San Diego State University. In den Finals im Jahre davor - ebenfalls gegen die Heat - war er der tragische Held, als er in Spiel 6 bei zwei Punkten Führung und noch wenigen Sekunden auf der Uhr nur einen seiner zwei Freiwürfe traf. Ray Allen bestrafte dies mit seinem legendären Dreier, der Rest ist Geschichte.
Es gibt Spieler, die sich davon traumatisieren lassen. Doch Kawhi gehört sicherlich nicht zu ihnen. Stattdessen arbeitete er im Sommer an seinem Game, um diesen Fehler ein Jahr später wieder auszubügeln. Mit dem Ergebnis, dass er die Finals-MVP-Trophäe in die Höhe strecken durfte.
Inzwischen scheint es nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis er auch zum wertvollsten Spieler der Saison gekürt wird. Neben seiner Defense ist der Spurs-Franchiseplayer mittlerweile auch in der Offensive absolute Elite: Zusammen mit Damian Lillard teilt er sich den siebten Platz der diesjährigen Scoring-Führenden (25,8 Punkte). Dabei spielt er von allen Top10-Spielern die wenigsten Minuten (33,5).
Die Offense gehört ihm
Da Tony Parker auch in die Jahre gekommen ist, liegt mehr Verantwortung denn je in den Pranken der Nummer 2. Seine Usage Rate von 31,2 ist die höchste seiner Karriere, die Anzahl seiner Abschlüsse ebenfalls (17,6). Seine Effizienz leidet darunter nur minimal: Die effektive Feldwurfquote sank von 56,5 Prozent im Vorjahr auf 54,3 Prozent in der laufenden Saison.
Zusammen mit LeBron (wenn dieser denn motiviert ist) zieht Leonard ganz einsam seine Kreise im Olymp der Two-Way-Player. Angesichts der Tatsache, dass sein Team mit einer Bilanz von 44-13 unangefochten den zweiten Platz im Westen anstrebt, wäre er somit ein logischer MVP-Kandidat, gäbe es da die beiden anderen Frontrunner nicht.
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Russell Westbrook gibt in OKC den Alleinunterhalter und legt ein Triple-Double im Schnitt auf, James Harden pflügt mit sensationellen Zahlen mit den furiosen Rockets durch die Liga. Ein Aspekt können sie im Gegensatz zu Leonard allerdings nicht bieten: Eine reelle Chance auf die Championship.
Und nur darum geht es bei den Spurs und somit auch bei ihrem besten Spieler. Wenn dieser sagt, die MVP-Trophäe sei ihm nicht wichtig, dann glaubt man ihm das - und auch andere Aussagen, die im Sport-Business eigentlich als PR-Floskeln gelten, nimmt man Kawhi jederzeit ab: "Es ist einfach schön zu sehen, dass der Aufwand und die Arbeit, die man im Sommer investiert, sich auf dem Parkett auszahlen."
Coach Pop war nervös
Mittlerweise gilt der Move, der Leonard 2011 im Tausch für Goerge Hill aus Indiana nach San Antonio brachte, als einer der besten der so erfolgreichen Gregg-Popovich-Ära. Dieser ist derweil so ehrlich und gibt zu, dass komplette Potential seines Musterschülers nicht erahnt zu haben: "Als wir den Trade durchgezogen haben, waren wir sehr nervös, da wir keine Ahnung hatte, ob er sich auszahlen würde."
Zusammen mit GM R.C. Buford wollte man das Team aber unbedingt vergrößern, zudem waren die beiden angetan von der Athletik des No.15-Picks. Was allerdings - wie so oft bei den Spurs - viel wichtiger für die bahnbrechende Entwicklung war, war etwas ganz anderes: "Es stellte sich heraus, dass Kawhis Charakter noch viel stärker war, als wir glaubten. Seine Arbeitseinstellung ist über jeden Zweifel erhaben - und er hat den Hunger, großartige Dinge zu erreichen."
Und diese Dinge gehen in San Antonio grundsätzlich über individuelle Awards hinaus.