Ob man "ridiculous" mit "absurd", "unglaublich" oder doch einfach nur "lächerlich" übersetzt - irgendwie trifft es alles auf die Karriere von DeMarcus Cousins zu. Ein anderes Wort fiel dem Center der Sacramento Kings im Interview nach dem Spiel am 20.12. gegen Portland auch nicht ein. Cousins hatte soeben für die wohl kurioseste Szene der aktuellen Saison gesorgt: 55 Punkte, 13 Rebounds, ein herausgefallener/gespuckter Mundschutz, eine Ejection und die Referee-Entscheidung, diese auch direkt wieder aufzuheben.
Das alles wurde den Fans im Golden 1 Center beim 126:121-Sieg gegen die Blazers geboten. Cousins führte die Kings zu einem emotionalen Erfolg und befand sich trotzdem das gesamte Spiel über kurz vor dem Rausschmiss.
Spieler, die 50 Punkte in einem Spiel erzielen, geben die Refs bekanntlich gern mal eine etwas längere Leine. Durch ständiges Lamentieren und eine unvergleichlich schlechte Körpersprache schafft Boogie es trotzdem regelmäßig, in derartige Situationen zu geraten.
Wie eine Blaupause
Generell war es ein Spiel, dass man ohne zu zögern als Schablone für Cousins' gesamte bisherige Karriere verwenden könnte. Er vereint unglaubliches sportliches Talent mit hitzigem Temperament und einer erfrischenden Rücksichtslosigkeit in einer ansonsten über-angepassten Sportwelt.
Als Zuschauer und Fan ist es spannend, dieser Saga beizuwohnen. Als Coach, Mitspieler und Spieler selbst ist es ein teils nervenaufreibender Prozess. Für die Kings ist es ein ständiger Kampf an der Grenze zwischen der Verwirklichung des unbegrenzten Potenzials ihres Franchise-Players, seiner Lustlosigkeit und seiner Negativität.
CBA führt zu Zwangsheirat
Es gab viele Gründe, die die Trade-Gerüchte um DeMarcus Cousins über die Jahre befeuert haben. Seit er von Sacramento 2010 an fünfter Stelle gedraftet und wenig später zum Eckpfeiler des Team wurde, gewann die einst so stolze Franchise in keiner Saison mehr als 33 Spiele. Die Playoffs wurden jedes Jahr verpasst.
In dieser Zeit wurden in der Hauptstadt Kaliforniens sechs Coaches wegen teils haarsträubender Gründe entlassen. Ein stabiles Umfeld für einen Center, der seine eigene Mitte noch finden muss, sieht definitiv anders aus.
Neuer Vertrag quasi fix
Doch trotz anhaltender Gerüchte um einen Trade ist es mittlerweile beschlossene Sache, dass Cousins, der noch bis 2018 in Sac-Town unter Vertrag steht, ein neues Arbeitspapier bei den Kings unterschreiben wird - dank der Regularien des neuen Tarifvertrags und der Designated Player Rule. Die Regel erlaubt einem Spieler, der in zwei der vergangenen drei Saisons eine All-NBA-Ehrung erhalten hat, 35 Prozent des Cap Space als Gehalt zu beziehen.
So werden die Kings wohl in der Lage sein, ihm knapp über 200 Millionen Gründe dafür zu geben, in Sacramento zu bleiben. Das sind im Zeitraum von vier Jahren circa 30 Millionen - je nach Entwicklung des Salary Cap - mehr als ihm jedes andere Team bieten kann; dort könnte der 26-Jährige auch nur für vier Jahre unterschreiben.
Auch wenn Cousins schon immer viel Wert auf Loyalität gelegt und sogar seine eigene Mode-Linie danach benannt hat, bleibt es fraglich, ob er die kolportierte Entscheidung zur Vertragsverlängerung auch unter finanziell ausgeglicheneren Umständen - sprich, ohne die neue Regel - getroffen hätte.
Das ist nicht das Ende
Wer der festen Überzeugung ist, dass durch die Vertragsverlängerung Cousins' das Ende der Trade-Gerüchte feststeht, könnte sich jedoch noch eines Besseren belehrt sehen. Seit dem Achillessehnenriss von Rudy Gay sieht es im Kampf um die Playoff-Plätze im Westen wieder deutlich schlechter aus. Die Kings haben 10 ihrer letzten 13 Spiele verloren und Baustellen gibt es so viele wie eh und je.
Cousins offensiver Output ist dabei das geringste Problem. Mit 28,1 Punkten, 10,2 Rebounds und 4,3 Assists legt er historisch starke Zahlen auf. Befindet sich der Center nicht auf dem Feld, erzielen die Kings auf 100 Angriffe gerechnet lediglich 97,5 Punkte im Schnitt - der mit Abstand schlechteste Wert des Teams. Generell stehen die Kings bei 104,6 Punkten, ohne Boogie bricht die Offensive regelmäßig komplett ein.
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Dem Supporting Cast mangelt es jedoch nicht nur an Qualität, sondern auch an Talent. Von den jungen Spielern drängt sich keiner auf und mit Willie Cauley-Stein und Georgios Papagiannis wurden mit den letzten Lottery-Picks ausgerechnet weitere Big Men gedraftet.
Keine Top-Adresse
Auch in der Free Agency ist Sac-Town keine Top-Adresse und so scheint eine signifikante Kader-Verbesserung schwer vorstellbar. Führt man sich vor Augen, dass es trotz Cousins' bärenstarker Zahlen auch in diesem Jahr wohl nicht für eine ausgeglichene Bilanz reichen wird, scheint es utopisch, dass Ruhe und Gelassenheit in Sacramento Einzug erhalten werden.
Was sich allerdings verändern wird: Boogie erhält finanzielle Sicherheit und durch die längere Laufzeit erhöht sich zeitgleich sein Trade-Wert. Selbst wenn Cousins vielleicht nicht der ideale Franchise-Player ist, so ist es für die Kings keine Option, ihn ohne Gegenwert ziehen zu lassen. Durch die Vertragsverlängerung könnte Sacramento bei einem Trade dann auch mehrere wertvolle Draft-Picks erhalten.
Konstante Inkohärenz
Wieso lässt sich aber anscheinend kein erfolgreiches Basketball-Team um einen der zehn talentiertesten Spieler der Liga aufbauen? Auffällig sind vor allem seine widersprüchlichen Verhaltensweisen.
Neben dem Feld gilt er als einer der sozial engagiertesten Profis der Association. Beim jährlichen "Santa Cuz"-Event ermöglicht er beispielweise hundert Kindern einen sorgenfreien Weihnachtseinkauf. "Es geht dabei um jedes einzelne Kind. Du musst jedes Kind berühren und ihm verdeutlichen, dass es etwas Besonderes ist", sagte Cousins gegenüber ESPN.
Auf dem Platz verändert sich sein Charakter hingegen wieder zu dem eines klassischen Bullies. Ob er aus Frustration Mülltonnen in Chicago umwirft oder lokale Reporter einschüchtert - seine fürsorgliche Seite ist nicht mehr zu erkennen, sobald ein Spalding im Spiel ist.
Auch auf dem Feld ist Cousins nicht der ideale Mitspieler. Zu häufig lässt er sich von Schiedsrichter-Entscheidungen derart frustrieren, dass das Umschalten in die Verteidigung und seine Körpersprache darunter leiden. Seine Beweglichkeit aus der Offensive scheint sich zudem nicht auf die Defensive übertragen zu lassen.
Cousins ist zu schwerfällig um in der heutigen NBA die Vier zu verteidigen. In der Pick-and-Roll-Defense zwischen Point Guard und Center neigt er dazu, zu spät in seine Deckungsposition zu rutschen. Das führt zu einer Vielzahl an Fouls (mit 3,7 pro Spiel die meisten der NBA), da die schnellen Guards ihn noch in der Seitwärtsbewegung erwischen und er bei ihrer Attacke keine Balance hat.
Die Frage, mit welchem Typ von Big Man Boogie zu paaren ist, damit ein zumindest mittelmäßiges Team in er Defensive steht, ist noch ein Rätsel. Die Kings haben darauf auf jeden Fall noch keine Antwort gefunden.
Das Huhn oder das Ei?
Nichtsdestotrotz ist Cousins ein seltenes Talent. Er vereint Aspekte eines Power-Games a la Shaq mit einer fast 38-prozentigen Dreierquote und geht zudem knapp zehn Mal pro Spiel an die Freiwurflinie. Die Frage die sich die NBA stellt, ist dennoch: Ist Cousins der Grund für die Situation in Sacramento oder ist er das Opfer seines Umfelds?
Zuletzt wurde es ein wenig ruhiger um die Führungsetage der Kings. Doch mit Eigentümer Vivek Ranadive, der seinen Einfluss viel zu häufig geltend macht, und dem unerfahrenen General Manager Vlade Divac, der mehr als Identifikationsfigur geholt wurde, steht das Front Office auf äußerst wackligen Beinen. Auch das wirkt sich auf Boogies Situation aus.
Gegenüber The Vertical haben sich Offizielle anderer Teams anonym dazu geäußert, ob sie Cousins gerne in ihrem Team hätten: "Es ist einfach alles falsch mit diesem Typen. Ich würde ihn nicht um meine jungen Spieler herum haben wollen", war eine Aussage.
"Die Situation dort würde jeden fertig machen. Ich sag es euch: Holt den Jungen da raus und ihr werdet eine andere Person sehen. Er ist ein großartiger Spieler", so eine andere Meinung.
Eine einzige Kontroverse
Kein anderer Spieler sorgt für derart kontroverse Aussagen. Dennoch: Boogie ist neben Marc Gasol der wohl beste Center der Liga. Ob er der Ursprung der Misere der Kings ist, wird sich erst wirklich beurteilen lassen, sollte er mit einem weiteren Star kombiniert werden. Auch ein Spieler wie Anthony Davis konnte in New Orleans noch nicht für nachhaltigen Erfolg sorgen - dessen Superstar-Status zweifelt allerdings niemand an.
Das neue CBA wird zu einer Rarität in Cousins' Karriere führen: Er wird sich für den deutlich höher dotierten Vertrag der Kings entscheiden. Komplett rational.
Dass die Trade-Gerüchte um ihn damit der Vergangenheit angehören, scheint aber unwahrscheinlich. Ein Ende der Spekulationen wäre nur durch eine signifikante Verbesserung der sportlichen Situation zu erreichen - die ist jedoch nicht in Sicht.