"Was kann ich noch sagen? Mamba Out!" - Mic drop. Sieben Monate ist es her, dass in Los Angeles mit dem Abschied von Kobe Bean Bryant eine Ära zu Ende gegangen ist. Nach 20 Jahren beendete Bryant seine Laufbahn. 20 Jahre, in denen er der Franchise zu fünf Titeln verholfen hat, in denen er aber auch das Epizentrum jeglicher Diskussion und Überlegung der Lakers war.
In den guten Zeiten seiner Karriere sorgten sein einnehmender Charakter und sein unvergleichlicher Ehrgeiz für unvergessliche Momente im Staples Center. In den letzten drei Jahren führte dieser Fokus neben seinen Verletzungen jedoch zu den dunkelsten Jahren einer Franchise, die strahlenden Sonnenschein auf und neben dem Platz gewohnt war. 27, 21, 17 - so viele Siege holten die Lakers in den letzten drei Jahren - alles Tiefstwerte für die Franchise aus Kalifornien.
Falscher Coach, falsches Team
Die Ursache für die miserablen Darbietungen der letzten Jahre sind nicht einzig und allein an Bryant festzumachen. Auch General Manager Mitch Kupchak und Vize-Präsident Jim Buss machten Offseason für Offseason eine schlechte Figur. Immer wieder schätzten sie ihr Team falsch ein, holten sich Absagen von namhaften Free Agents.
Die Führungsetage verkannte die veränderte Situation und prahlte noch immer mit dem Glanz von Hollywood, während die neuen Superstars in den Meetings lieber über Spielidee, Scoring-Effizienz und Team Defense sprechen wollten. Darüber hinaus verpasste es das Front Office, junge und vielversprechende Talente anzuwerben.
Der negative Höhepunkt der Dürreperiode war die Verpflichtung von Byron Scott. Ein Coach, der von seiner Herangehensweise augenscheinlich in den 90ern steckengeblieben war.
Als ehemaliger Mitspieler und Mentor von Bryant gekommen, sollte Scott für ein würdiges Karriereende der Mamba sorgen und gleichzeitig Julius Randle, D'Angelo Russell, Jordan Clarkson und Larry Nance fördern. Ein schmaler Grat, an dem er grandios scheiterte.
Scott verteufelte den Dreier und erhöhte den Druck auf seine jungen Spieler. Nicht nur dadurch, dass er zu Saisonbeginn die Playoffs als Ziel ausgab, sondern auch durch kontinuierliche öffentliche Kritik. Selbst die vielversprechendsten Talente wie Russell und Randle wurden trotz geringer Aussicht auf die Postseason zwischenzeitlich auf die Bank verbannt. Einzig Bryant war über jeden Zweifel erhaben.
Changes
November 2016. L.A. steht bei sechs Siegen und fünf Niederlagen. Nick Young, auferstanden von den Toten, wird von seinem neuen Coach als bester Verteidiger des Teams bezeichnet und für seine konstant guten Leistungen gelobt. What? Was klingt wie ein Scherz, wurde durch eine einzige Personalie ermöglicht.
Die schillernde Figur, die die "Macht" wieder ins Gleichgewicht gebracht hat, heißt Luke Walton. 36 Jahre alt, Champion als Spieler mit den Lakers, Champion als Assistant Coach mit den Warriors. Und: der personifizierte L.A.-Lifestyle. Ein Typ, der nicht nur Gelassenheit ausstrahlt und die Nähe zu den Spielern sucht, sondern auch den speziellen Stolz von Purple & Gold versteht und daraus seinen Ehrgeiz zieht.
"I got love for my brother
but we can never go nowhere
unless we share with each other
we gotta start makin' changes"
Tupac, Changes
Die Zeilen einer der größten Legenden aus der Stadt der Engel lassen sich als Leitfaden für die neue Saison von Walton und seinem jungen Trainerteam interpretieren. "Sharing is Caring". Seit Amtsantritt im Sommer verliert Walton kein Wort über die Playoffs oder die Anzahl der Siege, die man dieses Jahr holen will. Stoisch beschreibt er in seiner tiefen Bassstimme dafür die Bedeutung der Kultur innerhalb des Teams und der Franchise.
"Coach einer so jungen Mannschaft zu sein, da geht es um mehr als nur Basketball", so Walton: "Du musst ihnen das Gefühl geben, dass sie dir wichtig sind, weil sie es auch sind. Mich interessiert auch nicht, wo wir in der Tabelle stehen. Es geht um die individuelle Entwicklung von Spiel zu Spiel und darum, ob wir auf die richtige Art und Weise spielen."
Team first
Durch sein jugendliches Alter scheint Walton den unerfahrenen Lakers diese Ideen hervorragend vermitteln zu können. Statt eines Miteinanders herrscht jetzt der Vibe eines Füreinanders. Die Lakers hustlen, laufen, sorgen für Highlights - und das alles ohne einen wirklichen Star. In der aktuellen Saison steht kein Spieler im Team mehr als 28 Minuten auf dem Parkett.
Die Entwicklung der einzelnen Akteure ist ebenfalls bemerkenswert, allen voran die von Swaggy P. Young galt vor der Saison als klarer Streich-Kandidat. Zu schlecht waren Wurfauswahl, Defense und das Verhalten abseits des Platzes in den letzten Jahren.
Dabei scheint Young nur eine einzige Sache daran gehindert zu haben, gute Leistungen zu bringen: Vertrauen. Walton kam ohne Vorurteile und gab Young die Chance, die dieser auf eindrucksvolle Art und Weise nutzte.
Mittlerweile ist der "Most Hated Player", als den er sich selbst bezeichnet, der Shooting Guard in der ersten Fünf der Lakers. Young verteidigt den besten Guard der gegnerischen Mannschaft und liefert zudem eine sagenhafte True Shooting Percentage von 63,6. Macht er so weiter, könnte er am Ende der Saison nicht mehr der "MHP" sondern der MIP, der Most Improved Player, sein.
Vielseitig oder doch nur ein Tweener?
Der vielleicht beste Spieler der noch jungen Saison ist in Los Angeles Julius Randle. Von Beobachtern und Fans oft für seine Defizite beim Jumpshot, seinem Abschluss mit der rechten Hand und wegen seiner Defense kritisiert, wirkt Randle zu Beginn der Saison wie eine Light-Version von Draymond Green.
Aus einer führerlosen Dampflok, die mit ihrer teilweise ungestümen Spielweise und dem fehlenden Dreier eher in die 90er zu passen schien, ist ein mitdenkender und spielmachender Big Man geworden. Ein Spieler, wie ihn sich jeder Coach wünscht.
Greift sich Randle in der Defensive den Rebound, gibt es neben Green kaum einen weiteren Spieler, der mit solch einer Kombination aus Wucht, Geschwindigkeit und Ballhandling direkt den Angriff einleitet. Randles bemerkenswerteste Entwicklung ist dabei das gesteigerte Spielverständnis und die neu entdeckte Uneigennützigkeit.
Die beste Bank der Liga
Ein großer Teil des bisherigen Erfolgs geht bei den Lakers von der starken Bank, der besten der NBA, aus (51,3 Punkte pro Spiel). Lou Williams scheint in einen Jungbrunnen gefallen zu sein und ist regelmäßig die treibende Kraft im vierten Viertel für L.A.
Jordan Clarkson nahm ohne zu murren die Rolle des Sixth Man an - auch das funktioniert nur bei gesunder Teamchemie. Bisweilen sieht der Backcourt der Second Unit besser aus als die Starter, vor allem Clarkson darf regelmäßig in der Crunchtime ran. Auch Larry Nance Jr. und Tarik Black sind mit ihrer Athletik wichtige Puzzleteile für das neue und schnellere Lakers-Spiel (Pace von 102,1, Platz 7 in der Liga).
Rookie Brandon Ingram scheint sich ebenfalls von Spiel zu Spiel besser an die NBA zu gewöhnen. Als wäre es eine Selbstverständlichkeit, hatte Walton den Mut, den No.2 Pick von der Bank zu bringen. Und die Tatsache, dass es weder groß diskutiert noch kritisiert oder unnötig kommentiert wurde, zeigt, wie viel Ruhe der neue Coach auch in das anspruchsvolle Umfeld in Hollywood gebracht hat.
Crew Love
D'Angelo Russell hingegen hat trotz einiger starker Spiele noch leichte Probleme in die Saison zu finden und lässt noch Konstanz beim Wurf und in der Defensive vermissen. Doch auch er zeigt Fortschritte, wie ein Team zu führen ist und wie er seine Mitspieler besser einsetzen kann.
Er neigt zwar noch zu zu vielen Ballverlusten, doch das gute Verhältnis zu Walton führt dazu, dass sein Selbstvertrauen darunter nicht leidet. Wie viel Lust er auf die neue Saison mit seinem neuen Coach hat, wurde jedem aber schon über den Sommer hinweg klar.
"Ich konnte es nicht erwarten, ihn zu treffen", sagte Russell der L.A. Times: "Ich habe so viele großartige Dinge von ihm gehört." Und nur kurze Zeit später schwärmte er gegenüber Bleacher Report noch mehr von Walton: "Ich habe das Gefühl, dass ich ihn schon seit Jahren kenne, obwohl das nicht der Fall ist. Ich sehe in ihm einen Bruder."
Auch Jordan Clarkson stimmte in die Lobeshymnen auf den Coach ein: "Ich würde für den Coach durch eine Wand laufen - und ich glaube, dass er das Gleiche für uns tun würde. Als ich gehört habe, dass er unser Coach wird, bin ich fünf Minuten lang schreiend durch mein Haus gelaufen."
Rebuild beschleunigt
Die Lakers scheinen in diesem Sommer endlich verstanden zu haben, dass sie in der Welt des Salary Cap im weitesten Sinne eine Franchise wie jede andere auch sind. Was es braucht, ist ein talentierter Nucleus, mit dem die guten Free Agents zusammenspielen wollen.
An Talent scheint in L.A. mehr vorhanden zu sein als vor der Saison anzunehmen war. Das Team ist derzeit der Star - und nicht mehr Kobe Bryant und sein den Rest der Mannschaft ins Dunkel hüllender Schatten.
Jordan Clarkson beschrieb die Situation ohne Kobe mit seinem ganz eigenen Gleichnis: "Auf eine gewisse Art und Weise haben wir damit abgeschlossen. Es ist wie als wenn du mit deiner Freundin Schluss machst. Es ist komisch ohne sie, aber du kannst dich auf dich selbst konzentrieren. Wir können uns jetzt ausleben und etwas Neues kreieren."
Wanted: Franchise Player
Dennoch geht der nächste Schritt der Entwicklung zum Contender - und das ist den Verantwortlichen bewusst - nur über einen großen Star. Und auch, wenn dafür mehrere Kandidaten in den eigenen Reihen schlummern, werden die Lakers in den nächsten Jahren natürlich versuchen, die dicken Fische an die Westküste zu lotsen.
Der gute Ruf, den Walton schon nach wenigen Jahren als Assistant Coach in der Association genießt, wird dabei fast genau so helfen wie der attraktive und junge Spielerkern.
Eine Weile wird es noch dauern, bevor es in Tinseltown wieder um Titel geht. Doch bis es so weit ist, bleibt den Spielern mehr als nur das Aufhängen der Saisonabschlussbilanz. Sie haben jetzt ein neues Klima, eine neue Spielkultur. Wieviel das bedeutet, verdeutlichte Veteran Metta World Peace mit dem von ihm neu eingeführten Mantra, mit dem nun jede Auszeit beendet wird: "I love basketball!"