Als Isaiah Thomas in die Zone zieht, ist Dwyane Wade bereits da. Flash steht in der Luft. Beide kollidieren. Thomas geht zu Boden, landet hart auf dem Rücken und krümmt sich vor Schmerzen. Einige in Boston vermuten selbstverständlich direkt ein dreckiges Foul Wades - es wäre ja nicht das erste. Am Ende war es jedoch schlicht ein unglücklicher Zusammenprall, der Thomas eine Rückenprellung einbrachte und den Playmaker acht Spiele kostete.
Und das ausgerechnet im März. Jenem Monat, in dem die Celtics doch eigentlich die Playoff-Teilnahme sichern wollten. Blickt man allerdings einige Wochen zurück, dachte man in Beantown an viel, wohl aber kaum ernsthaft an die Postseason. Bis zum 19. Februar hatten die Celtics zwar die Erwartungen übertroffen, andererseits jedoch auch lediglich 20 Spiele gewonnen, dagegen 31 verloren.
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Der Weg schien erneut rapide gen Lottery zu führen - bis General Manager Danny Ainge schließlich einen Trade einfädelte. Für Marcus Thornton und einen 2016er Erstrundenpick - einen Top-10-geschützten, um ganz genau zu sein - kam Isaiah Thomas aus Phoenix. Ein Pick für einen gestandenen Spieler. Keine Selbstverständlichkeit in Boston, wo Danny Ainge einem möglichen Date wohl gern und stolz seine Draft-Pick-Sammlung präsentiert hätte.
Umdenken bei Ainge?
Vielleicht haben die Leistungen seiner Celtics den GM jedoch zum vorsichtigen Umdenken gebracht. Wieso nicht versuchen, in die Playoffs einzuziehen, wenn es in diesem Jahr vielleicht so einfach ist wie lange nicht? Weshalb der jungen Mannschaft, die deutlich besser spielt, als erwartet, nicht ihre erste Postseason-Erfahrung ermöglichen? Zumal die Verpflichtung eines nicht mehr ganz jungen, dafür umso talentierteren Point Guards keinesfalls konträr zur Zukunftsplanung in Beantown steht.
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"Isaiah ist ein dynamischer Offensivspieler, dessen Scoring- und Playmakingfähigkeiten sehr gut zu unserem bereits jetzt sehr gut ausbalancierten Backcourt um Marcus Smart und Avery Bradley passen", sagte Ainge dann auch - wenngleich natürlich mit deutlich vernehmbarem Manager-Pathos - und hat im Kern Recht.
Denn Thomas passt nach tatsächlich nach Boston. Immerhin konnte und kann er genau dort ansetzen, wo Boston teils größte Probleme offenbarte. Beim Pick-and-Roll, dem vielleicht effektivsten, weil grundsätzlich so einfach auszuführenden, offensiven Stilmittel. Jenem Stilmittel, das häufig angewandt wird, sobald ein Team einfache Punkte benötigt.
Endlich Offense
Den Celtics ging es größtenteils ab. Bis zum 19. Februar scorten nur drei Teams schwächer als Boston, wenn sie das Pick-and-Roll liefen. Auftritt: Isaiah Thomas. Der kommt in dieser Saison als Ballhandler aus dem Blocken und Abrollen heraus nämlich auf durchschnittlich 0,98 Punkte pro Possession und liegt damit ligaweit auf Rang 21.
Hinzu kommt Thomas' Explosivität, sein Zug zum Korb, der gute Wurf und die Fähigkeit, aus dem Dribbling heraus für seine Mitspieler zu kreieren. Allesamt Facetten, die den Celtics zuvor häufig abgegangen waren. So hat sich Boston in Sachen offensiver Effizienz mittlerweile auf Rang 20 verbessert, legt auf 100 Possessions hochgerechnet 101,6 Punkte auf. Vor Thomas' Ankunft lagen die die Celtics noch auf Rang 23.
Noch mal: Thomas passt nach Boston. Er wird sogar gebraucht. Und kommt damit in den Genuss eines völlig neuen Gefühls. Denn sowohl in Sacramento als auch in Phoenix, Thomas' letzten Stationen, wollte man den dynamischen, mit 1,75 Metern aber kleinen Playmaker mit dem Scoring-Gen am Ende irgendwie loswerden.
Nicht gewollt?
Bei den Kings soll Boogie Cousins nicht zwingend größten Wert auf weiteres Zusammenspiel zwischen ihm und Thomas gelegt haben. Grund genug, den Free Agent ziehen zu lassen. "Er ist der Franchise Player", sagte Thomas im Interview mit Grandlands Zach Lowe auf die Frage, ob er noch in Sacramento spielen würde, hätte sich Boogie für ihn ausgesprochen. "Sie werden sich sicher ganz genau anhören, was er zu sagen hat."
Vielleicht hatte Boogie tatsächlich nicht darauf bestanden, Thomas zu halten. Vielleicht auch nicht. Jedenfalls entschied sich der Point Guard für Phoenix und sollte dort mit Goran Dragic und Eric Bledsoe ein dreiköpfiges Point-Guard-Monster bilden, das einen jeden Gegner vor Matchup-Probleme stellen könnte.
So weit die Theorie. In der Praxis mangelte es an Harmonie - und offenbar an Bällen. Dragic beschwerte sich schnell, er halte den Spalding zu selten in seinen Händen, wollte irgendwann nur noch weg. Auch Thomas soll Unzufriedenheit über seine Spielanteile geäußert haben. Hat er nach eigener Aussage jedoch nicht. "Ihr habt doch in den Medien gesehen, wer sich beschwert hat", erklärte Thomas. "Ich habe nie etwas gesagt."
Am Ende zählt es ohnehin nicht mehr. Dragic spielt nun in Miami, Thomas in Boston. Die Suns werden die Playoffs erneut verpassen. "Ich denke Phoenix verfiel ein wenig in Panik", sagte Thomas kürzlich in einem Interview mit dem Bleacher Report. "Sie dachten, dass ein Lineup mit drei Guards doch nicht so gut funktionierte, wie sie gedacht hatten."
Statistisch einer wie Harden
Dabei hatte Thomas selbst bei den Suns durchaus funktioniert, in 46 Spielen durchschnittlich 15,2 Punkte sowie 3,7 Assists aufgelegt. Keine schlechten Zahlen. Nur funktioniert der Point Guard in Boston eben noch ein Stück besser. Als Celtic bekommt der Einser zwar nur unwesentlich mehr Minuten (26,2 gegenüber 25,7), legt dafür aber 19,6 Punkte sowie 5,3 Assists auf.
In 36 Minuten käme Thomas sogar auf 26 Zähler und damit beinahe ebenso viele wie der bärtige Topscorer der Association, James Harden (27,6). Und das bei nahezu identischer Spielzeit. Das Scorer-Gen besitzt der Point Guard also. Ob Jamal Crawford es ihm vermacht hat, als er Thomas zu Knicks-Zeiten regelmäßig bei dessen Highschoolspielen besuchte, als der 16-Jährige Isaiah häufig den NBA-Star besuchte, ist allerdings nicht überliefert.
Fest steht jedoch, dass nicht wenige Isaiah Thomas als heißen Kandidaten auf den Sixth Man of the Year sehen. Dass der Playmaker großen Anteil daran hat, dass die Celtics derzeit tatsächlich mehr als realistische Chancen auf die Playoffs haben, hilft der Kampagne nur.
Immerhin hat Boston seit Thomas' Ankunft mehr Spiele gewonnen als verloren (15-11) und liegt derzeit auf Rang 7 der Eastern Conference. Zwar war die Bilanz auch während des Playmakers Achtspieleabstinenz positiv (5-3), doch Thomas tut den Celtics gut. Er ist gewollt in Beantown.